Reilingen. Übrigens ...
Sobald ich an meine Kindheit in den 1990er-Jahren denke, wird mir klar, wie schön diese Zeit doch war: keine Internetverbindung, keine großartigen Videospiele und vor allem keine Handys. Für uns gab es in der Grundschulzeit nach dem Unterricht nur eins: heimkommen, umziehen und ab auf den Spielplatz zum Kicken. Und dabei waren wir mit vollem Herzen und großer Kreativität dabei. Damals hatte meine große Schwester, wie es üblich für Teenager dieser Zeit war, einen Pullover des NBA-Teams Orlando Magic, den wir alles einfach nur cool fanden. Kurzerhand gründeten wir unseren eigenen Fußballclub, die Reilingen Magic – inklusiver historischer Gründungsversammlung, selbst gemachten Autogrammkarten und Trikots sowie Vorstands- und Trainerteam. Training war täglich auf dem großen Spielplatz in der Robert-Stolz-Straße und es gab auch reichlich Konkurrenz. Wir waren damals in der dritten Klasse und die Gegner waren allesamt Viertklässler: „Alle um“, die sich nach dem Kegelclub der Eltern benannten und unsere Derbygegner waren, da deren Kapitän mein Nachbar war, die hochklassige „4a“ und das Team „Jean-Pierre“, benannt nach ihrem Kapitän. Wir nahmen das Ganze mehr als nur ernst, hochprofessionell trainierten wir Spielszenen, Schüsse und Freistöße, wobei die Tischtennisplatte gerne mal als Mauer diente. Und auch Spielansetzungen waren dabei, beim Derby gegen „Alle um“ wurde gerne mal geschrien und auch mal ein bisschen getreten, gegen „Jean-Pierre“ wurde immer mehr diskutiert als gespielt und gegen die starke Mannschaft der „4a“ wurde sogar auf dem Großfeld an den Mannherz-Hallen gespielt. Die Welt bestand für uns fast nur aus Reilingen Magic, unserem Team, bei dem ich stolz der Kapitän sein durfte. Sogar Transfers zwischen den Teams waren mit dabei: Ablöse wurde in Coladosen bezahlt. Nach einer Niederlagenserie habe ich meine Freunde aufwecken wollen und mal behauptet, ich hätte ein Angebot der „4a“ für 20 Coladosen – natürlich blieb ich Reilingen Magic treu und im nächsten Spiel gab's auch wieder einen Sieg, der dann immer mit einer Pizza bei „da Rosa“ in der Kirchenstraße gefeiert wurde. Wir ließen unserer Kreativität freien Lauf, bei der Spielvorbereitung wurden Schwalben geübt und darüber diskutiert, wen man vom Gegner denn „raustreten“ könnte (ist nie wirklich passiert). Und so entwickelte sich nicht nur die Liebe zum Fußball, sondern bis heute trifft sich Reilingen Magic noch regelmäßig und schwelgt in den schönen Erinnerungen ohne Internet und Co. Kaum noch vorstellbar.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Übrigens Reilingen Magic und Coladosen als Währung
Henrik Feth erinnert sich an seine Kindheit in Reilingen und ein ganz besonderes Fußballteam.