Dass die Regierung von Michel Barnier stürzen würde, galt angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse in der französischen Nationalversammlung nur als eine Frage der Zeit. Dass sie keine drei Monate durchhalten würde, ist dennoch eine bittere Überraschung und stellt den politischen Verantwortlichen ein Armutszeugnis aus. Einmal mehr offenbart sich deren Unfähigkeit zum Dialog fernab von zynischen Machtspielen.
Trotz der heiklen finanziellen Situation der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft waren die Oppositionsvertreter nicht in der Lage, gemeinsam nach Lösungen für einen gerechten Sparhaushalt zu suchen. Das Problem des stetig wachsenden Schuldenbergs stellten nicht nur die Rechtsextremen hinten an, sondern auch die Parteien des linken Spektrums.
Deren Wut, die sich durch eine Haltung der Frontalopposition ausdrückte, ist dennoch nachvollziehbar. Obwohl die links-grüne Allianz die Parlamentswahlen im Sommer gewonnen hat, erhielt sie keine Regierungsverantwortung. Mit bemerkenswerter Chuzpe überging Präsident Emmanuel Macron sie und ernannte mit Michel Barnier einen Premierminister aus den Reihen der Republikaner, welche neben dem Präsidentenlager zu den Wahlverlierern gehörten. RN-Fraktionschefin Marine Le Pen führte ein perfides Schauspiel auf, das vor Augen führen sollte, dass sie von der geächteten Außenseiterin zum Dreh- und Angelpunkt der französischen Politik geworden ist.
Die Hauptverantwortung für die desolate Lage sehen die Wählerinnen und Wähler bei ihrem Präsidenten – zu Recht. Er hat sich auf der ganzen Linie getäuscht, indem er durch vorgezogene Parlamentswahlen dem Misstrauensantrag im Herbst zuvorkommen wollte.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Scheitern mit Ansage
Birgit Holzer ist wenig überrascht, dass die Regierung von Michel Barnier gescheitert ist – Präsident Emmanuel Macron hat sich gewaltig verkalkuliert