Kommentar Scholz' großen Worten müssen große Taten folgen

Die Uniper-Rettung macht weitere Entlastungen der Bürger notwendig. Doch die Regierung sollte dabei Prioritäten setzen, meint Frank Schumann.

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Frank Schumann
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Mit seinem Versprechen „You’ll never walk alone“ reiht sich Olaf Scholz in die Sammlung denkwürdiger Krisen-Aussprüche wie „Die Spareinlagen sind sicher“ in der Finanz- oder „Whatever it takes“ in der Euro-Krise ein. Vor allem aber setzt sich der Bundeskanzler mit seiner Aussage unter Zugzwang: Großen Worten wie diesen müssen auch große Taten folgen.

Dass sich der Bund am strauchelnden Gas-Importeur Uniper beteiligt, ist richtig. Das Unternehmen führt das meiste Erdgas aus dem Ausland nach Deutschland ein und ist von der Drosselung russischer Lieferungen am härtesten getroffen. Uniper ist für den deutschen Gasmarkt schlicht und ergreifend systemrelevant, denn zu seinen Kunden zählen neben großen Industrieunternehmen auch mehr als 100 Stadtwerke – und damit Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher. Würde Uniper ausfallen, befürchten Experten einen „Lehman-Moment“ am Gasmarkt – in Anlehnung an die Pleite der US-Investmentbank, die 2008 eine globale Finanzkatastrophe auslöste.

Ein interessanter Randaspekt der Uniper-Rettung ist das Thema europäische Solidarität, die bei der künftigen Energieversorgung beschworen wird. Mehrheitseigner von Uniper ist über die Gesellschaft Fortum der finnische Staat – der sich allerdings bei der Rettung des Gas-Importeurs einen schlanken Fuß macht. Was hoffentlich kein schlechtes Omen für die künftige europäische Zusammenarbeit ist.

Für Deutschland heißt das Einspringen bei Uniper wieder einmal: Es wird teuer – und zwar richtig teuer. Zusätzlich zu den Milliarden, die unmittelbar für die Rettung des Unternehmens fließen, bedeutet das „You’ll never walk alone“ des Kanzlers weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist sozial gerechtfertigt, wer die Energiekosten nicht mehr aus eigener Kraft stemmen kann, dem muss der Staat unter die Arme greifen. Und höhere Gaspreise für die Haushalte sind über eine angekündigte neue Umlage Bestandteil der Uniper-Rettung. Womit sich wieder einmal die Frage aufdrängt: Wer soll das bezahlen?

Finanzminister Christian Lindner ist aktuell vor allem damit beschäftigt, Wünschen der Koalitionspartner eine Absage zu erteilen: Nein zu verlängertem 9-Euro-Ticket und höherem Bürgergeld, stattdessen Einhaltung der Schuldenbremse und Abbau von Subventionen. Man könnte anmerken, dass ein Politiker, der eine mehrtägige Hochzeitssause auf Sylt veranstaltet, durchaus Verständnis für finanziell erheblich schlechter ausgestattete Menschen zeigen dürfte. Realistisch betrachtet pocht Lindner als oberster Kassenwart aber zu Recht auf einigermaßen solide Staatsfinanzen – trotz aller notwendigen Entlastungsvorhaben.

Die Ampel-Regierung muss sich in den kommenden Monaten vor allem darauf konzentrieren, einen Absturz der deutschen Konjunktur zu verhindern. Akut könnte diese Herausforderung werden, wenn es im Winter gilt, knappes Erdgas zwischen Haushalten, Unternehmen und kritischer Infrastruktur zu verteilen. Gleichzeitig sollten sich die Koalitionspartner ehrlich machen und Prioritäten setzen – nicht alles, was sinnvoll ist, muss angesichts der enormen Lasten auch sofort umgesetzt werden. Die milliardenschwere Förderung des ÖPNV ist ein Beispiel.

Nach wie vor ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt stabil und die Bundesbank pendelt bei ihren Erwartungen für die Wirtschaft zwischen Stagnation und leichtem Plus. Solange die Menschen Arbeit haben und die Unternehmen noch Geld verdienen – sprich, solange Steuereinnahmen fließen – kann der Kanzler den Bürgerinnen und Bürgern zur Seite stehen.

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