Waldsterben und Klimawandel: Forstexperten fordern ganzheitliche Maßnahmen

Experten von Forst-BW äußern sich besorgt über den verheerenden Zustand der Wälder in der Region. Klimawandel und herkömmliche Waldwirtschaft werden als Hauptursachen für das Waldsterben genannt. Maßnahmen zur Förderung der Selbstheilungskräfte des Waldes sind dringend erforderlich.

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Rolf Simianer
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In den vergangenen Wochen äußerten sich die Fachleute von Forst-BW um den Leiter des Forstbezirks Hardtwald, Bernd Schneble, zum verheerenden Zustand der Wälder in der Region (diese Zeitung berichtete). Anlass dafür war die jährliche Waldzustandserhebung des Bundeslandwirtschaftsministeriums für 2022. Hauptursachen für das Absterben vieler Waldflächen seien, so Schneble und Kollegen, die Folgen der Erderhitzung. Nur eine schnelle Reduzierung des CO2-Ausstoßes könne den geschwächten Fichten, Kiefern, Buchen und Eichen noch helfen. Außerdem setze man auf Naturverjüngung auf dafür geeigneten Flächen und führe Versuche mit an die Hitze und Trockenheit besser angepassten Baumarten sowie mit Bewässerungsanlagen durch. Das scheint auf den ersten Blick durchaus lobenswert.

Doch kein Wort zu den Schäden, die die herkömmliche Waldwirtschaft während der letzten Jahrzehnte verursacht hat. Die dicht gepflanzten Nadelholz-Monokulturen zur Erzeugung von gerade wachsendem Bauholz erweisen sich immer mehr als äußerst schädlingsanfällig und dem Stress durch die zunehmende Hitze und Trockenheit nicht gewachsen. Schwere Forstmaschinen verdichten durch ihre Vibration die Waldböden entlang der Rückegassen. Das führt dort zu einer geringeren Wasserdurchlässigkeit in tiefere Bodenschichten. Und nur selten findet sich auch auf maßvoll bewirtschafteten Waldflächen eine dichte bemooste Mulchschicht aus Totholz, die das kühlende Wasser im Oberboden speichert. Insgesamt ist eine Wirtschaftsweise gescheitert, die den Wald nicht als hochkomplexes, sensibles Ökosystem betrachtet, sondern als Anbaufläche von Holz, die möglichst schnell möglichst hohe Gewinne abwerfen soll. Ursache des rasanten Waldsterbens ist daher der Klimawandel im Zusammenwirken mit einer schädlichen Produktionsweise.

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So reicht es nicht, wie die Fachleute von Forst-BW naiv auf die Einsicht der Politik und das rechtzeitige Eintreten der Energiewende zu hoffen. In Zukunft müssen Förster noch viel mehr als bisher die Selbstheilungskräfte des Waldes und dessen Widerstandsfähigkeit gegen immer höhere Temperaturen und immer trockenere Sommer fördern. Für die Ketscher Rheininsel könnte das bedeuten: Schritt für Schritt große Teile des Naturschutzgebietes aus der forstlichen Nutzung zu nehmen und zum Bannwald zu erklären. Den Verkauf von Brennholz einzustellen, denn die dadurch im Wald verbleibenden Bäume sollen weiterhin für Schatten, Kühle und Totholz sorgen – nur dort, wo Jungpflanzen das lebensnotwendige Licht fehlt, dürfen in Zukunft noch Bäume entnommen werden. Und schließlich den Aufwuchs von dichtem Unterholz zu fördern, das gemeinsam mit sperrigem Totholz den Rehen den Zugang zu Jungbäumen verstellt. Diese Maßnahmen sind essentiell, damit die Naturverjüngung des Auwaldes auf der Rheininsel eine Chance hat.