Zur OB-Wahl in Schwetzingen wird uns diese Meinung geschrieben:
Liebe Bürgerinnen und Bürger, bitte erlauben sie mir völlig unabhängig, aber natürlich nur als persönliche Meinung, eine Stellungnahme zur Oberbürgermeisterwahl in diesem September. Gelebte Demokratie lebt von der Diskussion. Es stehen leider nur zwei Bewerber, eine Kandidatin und ein Kandidat, zur Wahl. Um diese persönlichen Kommentare zu verstehen, muss man als Hintergrund zunächst die zwei Wahlwebseiten der Kandidaten anschauen. Beide sind öffentlich zugänglich und wurden als Information auf Wahlplakaten gefunden. Ich denke, beide Kandidaten müssen sich kritischen und sachlichen, aber nicht beleidigenden Fragen und Kommentaren stellen.
Zunächst einige positive Anmerkungen zur Situation in Schwetzingen. Zumindest gibt es zwei Kandidaten, die Bürger haben also zumindest eine wirkliche Wahl. Leider ist selbst dieses Resultat in Schwetzingen keineswegs selbstverständlich gewesen. Viel wahrscheinlicher war es bis vor nicht allzu langer Zeit, dass es nur einen Kandidaten gegeben hätte. So eine Stadt aufzugeben, weil angeblich keine Chancen gegeben waren, steht keiner Partei gut an. Und alle müssen sich hier an die Nase fassen. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen sich nicht der Illusion hingeben, dass es einen Einheitskandidaten gäbe, der schon alles gut regelt. Jede politische Entscheidung, aber auch jede Unterlassung, hat ernste Konsequenzen.
Weiter positiv ist, dass grober Populismus in Schwetzingen derzeit keine Chance hat, ich spreche keinem Kandidaten ein demokratisches Grundverständnis ab. Das Zusammenleben von Schwetzinger Neu- wie Altbürgern scheint einigermaßen harmonisch. Ohne Toleranz kann eine Stadt wie Schwetzingen nicht leben. Die Moschee der europäischen Aufklärung hier steht für diese Toleranz. Natürlich muss jeder seine Rechte und Pflichten kennen. Und man sollte die Freude am Leben nicht vergessen.
Jetzt also zu der Frage, was Schwetzingen in den nächsten Jahren erwartet? Warum meine ich, dass recht wahrscheinlich die nächsten Jahre für die Stadt einen weiteren städtepolitischen Niedergang bedeuten könnte? Leider hat sich in den letzten Jahren in Schwetzingen ein verwaltungstechnisches Kleinlösungsklima etabliert, welches vorgibt, nicht politisch zu sein. Und sich aufplustert, für alles eine sehr schnelle und verwaltungstechnisch korrekte Lösung zu haben.
In Wahrheit führt dies aber zu einer Situation, in der moderne Probleme wie falsche Landnutzung in Ballungsräumen, Verkehrschaos, ökonomische tektonische Verschiebungen, Flächenversiegelung, keine Naherholungsgebiete, keine Antwort auf demografische Entwicklungen oder schlimmste architektonische Schluderei immer weiter die Oberhand gewinnen. Leider werden diese Probleme so weit verdichtet, dass es auch bei Gegensteuerung in Zukunft kaum mehr eine Chance für Schwetzingen geben wird. Dabei sollte Schwetzingen doch eine Perle im Verdichtungsraum Rhein-Neckar sein, ein Vorbild, das uns von unseren Vorfahren so weitergegeben worden ist. Und das es eigentlich zu bewahren gilt.
Leider steht der jetzige Amtsinhaber für diese schlechten Entwicklungen. Ich bin persönlich froh, dass er nicht mehr antritt. Aber die Idee, einen Amtsinhaber aufzubauen, mit demselben verwaltungstechnischen Hintergrund, der dieselbe Politik wie bisher vertritt, ist ein Unding. Ich möchte klarmachen, dass die Stadtverwaltung selbst sehr kompetent ist. In jeder meiner Begegnungen habe ich diese Erfahrung gemacht. Daran liegt es also nicht. Sie werden nur schlecht geführt, weil die jetzigen Bürgermeister der Stadt keine Konzeptionen entwickelt haben, sich also nicht wirklich in die Problematik der Stadt hineingedacht haben. Stattdessen wird die typische Interessenpolitik geführt, Investoren wird das Blaue vom Himmel versprochen, ohne die Interessen aller Bürger zu wahren, Gartenbesitzer können ihren Garten ökologisch zertifizieren lassen, aber die Stadt wird in großem Umfang flächenversiegelt, Vereinen wird besondere Achtung geschenkt, weil das gut ankommt, aber die Lebensqualität der Bürger wird systematisch untergraben.
Es ist klar, dass ich meine Stimme der Gegenkandidatin geben werde, ich brauche da nicht herumzureden. Eine Oberbürgermeisterin wäre ein gewisser Neuanfang, den die Stadt dringend benötigen würde. Ich glaube persönlich nicht, dass sie die richtige Qualifikation fürs Amt mitbringt, das wenigste, was die Stadt jetzt braucht, sind mehr Juristen. Aber sie bringt Aufgeschlossenheit in die Stadtverwaltung – das ist vielleicht das Wichtigste. Es wäre zumindest ein „nicht weiter so“.
An die Bürgerinnen und Bürger der Stadt appelliere ich, unabhängig zu der in diesem Text geäußerten persönlichen Meinung, im September zur Wahl zu gehen. Nur mit einer hohen Wahlbeteiligung können wir deutlich machen, dass uns die Zukunft der Stadt Schwetzingen nicht egal sein kann. „Lass die da oben mal machen“ ist gerade in Deutschland einfach keine Möglichkeit mehr, wir müssen Stellung beziehen. Markus Kirkilionis, Schwetzingen