In diesem Brief wendet sich ein Leser in Sachen Geothermie an den CDU-Land-tagsabgeordneten Andreas Sturm:
Ich habe den Artikel in der Schwetzinger Zeitung zum Thema Schadensersatz bei Geothermieschäden gelesen und auch Rainer Hüngerles Schreiben zur Anfrage im Landtag und den Antworten der Landesregierung. Lassen Sie mich an dieser Stelle erst mal ein herzliches Dankeschön sagen, dafür, dass Sie sich dieser wichtigen Sache annehmen. Ich finde das großartig, und beispielgebend auch für andere Politiker.
Wenn Sie gestatten, würde ich gerne ein paar Anmerkungen zu den Antworten der Landesregierung machen: Streng genommen ist die Tiefengeothermie keine erneuerbare Energieform. Die Dauer der Nutzung wird durch den Wärmeausgleich über Gesteinsmassen bestimmt, die den Thermalwasserstrom umgeben. Denn die dem System entzogene Energie muss ja irgendwie wieder ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich erfolgt langsam und wenn die Dublette „ausgelutscht“ ist, ist erst mal für längere Zeit die Energiegewinnung unrentabel.
Der Effekt der Tiefengeothermie im Oberrheingraben auf das Klima ist nicht messbar und damit unbedeutend. Hingegen sind die Risiken, insbesondere Erdbeben in einem der größten Erdbeben gefährdeten Gebiete Deutschlands, das zudem noch dicht besiedelt ist, hochsignifikant. Wenn also eine Maßnahme implementiert wird, deren Effekt auf die Zielgröße, also das Klima, nicht messbar ist, die Risiken aber hoch sind, dann verbietet sich diese Technik doch aus logischen Gründen. Zumal in anderen Gebieten auch keine Tiefengeothermie verfügbar ist.
Insgesamt ist hier nicht Ideologie sondern Risikoeinschätzung gefragt. Das heißt nicht, dass wir gegen Erneuerbare Energien sind, natürlich sind die wichtig, aber wir müssen sie im Zusammenhang mit auftretenden Risken bewerten. Und die werden kleingeredet und geleugnet.
Beim Schadensersatz wird von der „unerlaubten Handlung“ seitens des Betreibers gesprochen. Das ist doch nicht das Problem. Denn das Auftreten von Erdbeben ist in der Regel unvorhersehbar und wird somit dem Betreiber nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet. Die Frage ist, wie die verschuldensfreie Haftung festgelegt ist und da lässt der Gesetzgeber ganz bewusst „ein Türchen offen“ – eben diese hier angeführte Klausel – die dem Betreiber oder dessen Versicherung jede Möglichkeit der Abwendung einer Haftung offen hält. Auch schreibt die Versicherung die Höhe des Versicherungsschutzes nicht vor. Sie macht dem Betreiber in der Regel einen Vorschlag. Vorschreiben kann das nur der Gesetzgeber. Die Schäden damals in Staufen betrugen 50 Millionen Euro. Ersetzt wurden etwa 20 Prozent. Das war vor 16 Jahren. Die 20-Millionen- Euro-Grenze, wie von der Regierung beschrieben, ist also viel zu niedrig. Das müssten nach Inflationsausgleich eher 100 Millionen sein. Auch die Versicherungsleistung nach Ausfall des Betreibers auf nur fünf Jahre zu begrenzen, ist zu kurz.
Die von den Entscheidungsstellen gebetsmühlenartig wiederholte Beweislastumkehr (Bergschadensvermutung) ist lächerlich. Zahlen werden ohnehin nicht die Betreiber, die sind bei einer GmbH als Gesellschaftsform praktisch aus der Haftung draußen. Zahlen werden die Versicherungen, wenn sie denn zahlen. Jeder nicht gezahlte Euro ist für die Versicherung Reingewinn. Und wie sieht es aus, wenn ein induziertes Beben auftritt und sich zwei benachbarte Betreiber oder deren Versicherer streiten, wer zu zahlen hat? Das ist durchaus wahrscheinlich, wenn das Szenario, das Staatssekretär Baumann anstrebt, verwirklicht werden sollte.
Wenn die Frage lautet, ob die bestehenden Regelungen zur Absicherung der Bewohner des Oberrheingrabens ausreichen, hilft nicht das Aufzählen diverser gesetzlicher Regelungen, sondern nur die Historie, wie Geschädigte in der Vergangenheit entschädigt worden sind. Und dieses Ergebnis ist miserabel. Es gibt einen Rechtsgrundsatz: Wer anderen einen Schaden zufügt, hat für die entstandenen Kosten aufzukommen. Diesen Grundsatz ignoriert das Land und das ist verantwortungslos. Das Land kann sich nicht auf die Verantwortung der Betreiber herausreden, weil es selbst diese Technik forciert und mit aller Macht vorantreibt.
Weiterhin bleibt anzumerken, dass die Tiefengeothermie eine vergleichsweise teure und eher unwirtschaftliche Technik ist. Die installierte Leistung der Dubletten liegt üblicherweise bei 150 Liter Thermalwasser pro Sekunde. Insheim hat mehrere kleinere Beben bereits bei einer Leistung von 50 Liter pro Sekunde gezeigt. Bei 150 Liter pro Sekunde werden immerhin eine halbe Million Liter Wasser pro Stunde durch das Gestein gedrückt. Und allein zur Überwindung der statischen Wassersäule bei 4000 Meter Tiefe sind 400 bar erforderlich – und da ist noch kein Liter Wasser bewegt. Die Drücke sind also horrend und damit die Destabilisierung des Untergrundes auch über gewisse Entfernungen hinweg. Das sollte sogar einem Ornithologen einleuchten. Für eine Risikobewertung können nur die Erfahrungen aus der Vergangenheit herangezogen werden. Alle Beteuerungen, in der Zukunft hätte man das Erdbebenproblem im Griff, sind völlig unglaubwürdig. Denn die Erfahrungen der Vergangenheit haben das Gegenteil bewiesen.
Von Haus aus bin ich Diplomingenieur und war neben anderen Aufgaben für die Auditierung ausländischer Niederlassungen in Fragen der betrieblichen Sicherheit, des Arbeitsschutzes und des Umweltschutzes tätig. Ich weiß also, wovon ich rede, wenn ich Sicherheitsthemen anspreche. Und ich kenne mich in allen sicherheitstechnischen Fragen gut aus.
Was mich stark verunsichert und auch verärgert, das ist die dogmatische und uneinsichtige Haltung der verantwortlichen Regierungsstellen, die jedes Argument vom Tisch wischen, ohne sich auch nur ansatzweise der Problematik und der Befürchtungen der Bürger anzunehmen. Dabei wäre die Lösung des Problems nicht schwierig. Mit einer Staatsbürgschaft, nachrangig, wenn die Versicherung nicht zahlt oder nur einen Teil ersetzt, wäre das Problem entschärft. Und wenn alles so sicher ist, wie es die Verantwortlichen behaupten, würden dem Staat ja keine Kosten entstehen. Der Umstand, dass der Staat das ablehnt, zeigt doch ganz deutlich, wie unzuverlässig die Verantwortlichen sind.
Die Glaubwürdigkeit unseres Umweltministeriums hat nach meiner Einschätzung bereits heute massiven Schaden genommen.
Ulrich Völker, Rauenberg