Es sind Bilder, bei denen einem als Demokrat das Herz aufgeht: junge Pärchen Hand in Hand, Senioren, darunter vor allem Frauen, viele aus den Jahrgängen dazwischen – eben ein Spiegelbild der Stadtgesellschaft. Die Schriesheimer Demo für die Demokratie war ein voller Erfolg.
Aber sie war auch nötig, gerade in dieser Stadt. Schriesheim ist ein Hotspot des Rechtspopulismus in der Region. Anders als in Ladenburg, Heddesheim, Edingen-Neckarhausen sitzt hier ein AfD-Mann im Gemeinderat – und zwar ein sehr aggressiver; als Chef eines von ihm gegründeten – ausgerechnet! – „Demokratie-Vereins“ propagiert er regelmäßig im Vereinsteil des Mitteilungsblattes seine kruden Thesen. Zwei AfDler aus Schriesheim sind im Kreistag.
Die Demonstration jedoch hat gezeigt: Es gibt auch ein anderes Schriesheim. 20 Organisationen tragen sie mit, und eben nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ von Links. Sondern ein breites Bündnis von Vereinen wie KSV und Senioren-Arbeitskreis, alle Parteien von Grünen bis CDU.
Deren Vertreter allerdings ließen manche Wünsche offen. Die CDU-Vorsitzende, persönlich sicher völlig untadelig, hätte sich dazu äußern können, dass auch Mitglieder der (Werte-)Union in Potsdam mit dabei waren, ja sich davon distanzieren müssen. Den Rednern der Ampelparteien SPD, Grüne, FDP hätte etwas Selbstkritik nicht geschadet – nämlich die, auch mit ihrer Politik viele Menschen verunsichert zu haben.
Auffallend, wer fehlte: der Bürgermeister. Während in anderen Städten die Rathauschefs sprechen, war Christoph Oeldorf verhindert, wegen eines „Seminars des Gemeindetags“. Wichtiger als eine Manifestation seiner Bürger für die Demokratie? Wichtiger als die wohl größte politische Demo in Schriesheim seit Kriegsende?
Leider hat auch die Kommunalpolitik als Ganzes nicht das getan, was ihr möglich ist. Nämlich rechte Thesen aus dem steuersubventionierten Amtlichen Mitteilungsblatt zu verbannen. Nach der jüngsten Neuregelung besteht vielmehr gar die kuriose Situation, dass demokratische Parteien keinen Stammtisch für ihre Ratskandidaten ankündigen dürfen, der AfD-Mann im Vereinsteil jedoch seine kruden Thesen verbreiten kann. 2021, beim Versuch von Hansjörg Höfer, dies zu ändern, hörte er vom Sprecher der Grünen (!), sowas müsse man „ertragen“. Die Schriesheimer zeigen: Sie müssen, ja sie wollen das nicht. Damit liegen sie richtig.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Zivilgesellschaft Schriesheim kann stolz sein auf seine Bürgerschaft
Mehr als 500 Menschen folgten in Schriesheim dem Aufruf zur Demonstration für die Demokratie - ein großer Erfolg für die Organisatoren, doch bei dieser Demo allein darf es nicht bleiben, findet Redakteur Konstantin Groß