Gemeinderat

Altlußheim: Fachbüro und Bürger sollen Verkehrsproblem lösen

Schluss mit der Flickschusterei: Um die Verkehrsprobleme endlich umfassend zu lösen, soll ein Fachbüro zusammen mit den Bürgern ein Gesamtkonzept erarbeiten. Was geplant ist.

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Markus Müller
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Fußgänger und Radfahrer spielen heutzutage eine bedeutendere Rolle bei Verkehrskonzepten. Das soll auch in Altlußheim so sein. © picture alliance/dpa

Altlußheim. Fehlende Querungen für Fußgänger und Radfahrer, gefährliche Einmündungen, zugeparkte Gehwege und Raser: Die aktuelle Situation in den Altlußheimer Straßen lässt nach wie vor einiges zu wünschen übrig. Sie bietet Konfliktpotenzial zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern und birgt einige Gefahrenquellen. „Punktuell haben wir immer wieder Lösungen gefunden“, erinnerte Bürgermeister Uwe Grempels in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Dienstag, räumte im selben Atemzug aber ein, dass ein übergreifender Ansatz bislang nicht gelungen ist.

Deswegen sei schon bei den letzten Haushaltsberatungen der Wunsch nach einem Gesamtkonzept für den Verkehr aufgekommen. „Damit wir nicht nur Stückwerk vornehmen, sondern alles betrachten“, merkte er an. Aus Kostengründen habe das Gremium den Gedanken aber erst mal ruhen lassen, da ein Betrag von 100.000 Euro im Raum stand. Deshalb habe die Verwaltung das Verkehrsplanungsbüro Koehler und Leutwein aus Karlsruhe eingeladen, um Rat und Verwaltung zu erläutern, aus welchen Bausteinen ein derartiges Werk besteht.

Mit dem Entwickeln solcher Konzepte habe die Firma reichlich Erfahrung, erklärte deren Vertreter Stefan Wammetsberger. Sie habe diese bereits für Kommunen in allen Größenordnungen erstellt – vom Rosensteinquartier hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof über ein strategisches Mobilitätskonzept für Neustadt an der Weinstraße bis zu kleineren Gemeinden wie Altlußheim. Mittlerweile stehe dabei – anders als früher – nicht mehr der Autoverkehr im Fokus, sondern es würden alle Verkehrsarten gleichberechtigt betrachtet.

„Wir beschäftigen uns mit Sitzmöglichkeiten entlang bestimmter Routen, mit Fahrradwegen, Verkehrssicherheit, mit dem öffentlichen Nahverkehr, Elektromobilität, ruhendem Verkehr“, beschrieb er die Bandbreite der vielen Aspekte. All das sei Teil der Stadtentwicklung. Obwohl Fußgänger und Radfahrer stärker berücksichtigt würden, bleibe der Autoverkehr wichtig, wegen der täglichen Berufspendler zum Beispiel.

Drei Grundprinzipien in Altlußheim im Blick

Zu beachten seien daneben die Klimaschutzziele des Landes, sagte der Fachmann. Für nachhaltige Pläne gebe es entsprechende Fördermittel. Bis zum Jahr 2030 sollten etwa die CO₂-Emissionen im motorisierten Verkehr um 40 Prozent eingespart werden. Das sei für Planer schon übermorgen und schwer zu erreichen. Insellösungen seien auf dem Weg dahin nicht zielführend, stattdessen sollten Maßnahmen in einem Gesamtpaket geschnürt und die Prioritäten auf Hauptnetze gelegt werden.

„Es geht außerdem um Barrierefreiheit, Carsharing, Lärm, Luftqualität“, verdeutlichte er die Komplexität des Themas. Zu bedenken seien darüber hinaus die Nutzungskonflikte: „Der eine will seine Ruhe haben, der andere schnell vorankommen“, erklärte er und betonte: „Man kann aber nie jedem alles recht machen.“ Ziel müsse eine ausgewogene, nachhaltige Mobilität sein.

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Beim Erarbeiten legten seine Kollegen und er den Schwerpunkt auf drei Prinzipien: vermeiden, verlagern, verbessern. Homeoffice nannte Wammetsberger als Beispiel für das ersteres. Wer von zu Hause arbeite, vermeide den Weg ins Büro. Lassen sich Wege nicht vermeiden, „kann ich für die Strecke zum Bäcker anstelle des Autos das Fahrrad benutzen oder zu Fuß gehen“. Trage all das nicht, sei Verbessern gefragt. „Indem man die Antriebe ändert, die Ladeinfrastruktur ausbaut, sodass die unvermeidbaren Wege CO₂-neutral zurückgelegt werden können“, erläuterte er.

Bürger sollen in Altlußheim mitwirken

Um sinnvolle Wegenetze zu schaffen, welche die Menschen im Ort auch annehmen, sei die Bürgerbeteiligung sehr wichtig. Hierbei müsse versucht werden, auch die jüngeren Altlußheimer zu erreichen, um ihre Bedürfnisse und Wünsche zu erfassen. Denn anders als die ältere Generation kämen die eher nicht zu Bürgerversammlungen um 19 Uhr. „Da müssen wir andere Ideen entwickeln, um alle mit ins Boot zu holen“, sagte der Experte. An dieser Stelle wies Bürgermeister Grempels auf die Ideenwerkstatt „Mobilität in Altlußheim neu denken“ und eine Fragebogenaktion der Bürgerinitiative „Altlußheim – na klar!“ hin. Ihre Ergebnisse könnten mit einfließen.

„Genau das habe ich damit gemeint. Das ist wunderbar“, lobte Wammetsberger. Je mehr Input aus dem Dorf komme, desto tragfähiger falle das Konzept aus. „Dazu schlagen wir eine digitale Meinungskarte vor.“ In dieser können in einem bestimmten Zeitraum jeder eintragen, was ihm gefällt und weniger gefällt, wo er Probleme sieht, wo etwas geändert werden könnte oder sollte.

Das Land biete seit einiger Zeit viele Fachkonzepte an. Für Altlußheim kämen vor allem vier in Betracht: der umfassende Aktionsplan für Mobilität, Klima- und Lärmschutz (AMKL) oder Teilkonzepte für Parkraum, Fußgänger(querung) und Radverkehr. Bei allem werde ein Maßnahmenkatalog mit Prioritäten erstellt. Der Aktionsplan schlage mit rund 70.000 Euro zu Buche und werde zu 75 Prozent bezuschusst, ebenso wie das Konzept für den Parkraum, das er mit 18.000 Euro veranschlagte. Das Konzept für Passanten koste 30.000 Euro und für Radfahrer 25.000 Euro, beide würden jeweils zu 50 Prozent gefördert. Bei der Priorisierung spiele nicht zuletzt das Geld eine Rolle. „So ein Konzept alleine ist es noch nicht, es muss ja auch umgesetzt werden. Dabei kostet es selbst relativ wenig, aber die Umsetzung bedarf größerer finanzieller Mittel“, hob Wammetsberger hervor.

Das sagen die Fraktionen in Altlußheim

Ala eines der größten Probleme in der Gemeinde bezeichnete Friedbert Blaschke (FWV) den ruhenden Verkehr. „Können Sie sich hier bei uns Parkausweise und beschrankte Parkplätze vorstellen“, wollte er wissen. Die Antwort des Experten: Anwohnerparkausweise eher nicht. Denn dafür gebe es rechtliche Voraussetzungen, zum Beispiel den Parkdruck über den ganzen Tag, die Anzahl öffentlicher Stellplätze. Das sei im Detail aber zu untersuchen. Bepreiste Parkplätze könne er sich hingegen grundsätzlich vorstellen. „Doch auch da muss man untersuchen, ob es Sinn ergibt.“

Holger O. Porath (Grüne) interessierte, wie lange es dauert, ein solches Gesamtkonzept zu entwickeln. „Von der offiziellen Auftragserteilung an etwa ein Jahr, dann ist es beschlussfähig“, sagte Wammetsberger. Es sei aber selbstverständlich vorher schon Zwischenberichte möglich. Die Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer sei ebenfalls ein großes Problem in Altlußheim, hob Kay Schweikert (CDU) hervor. Zudem legte er Wert darauf, dass die Erkenntnisse der Bürgerinitiative berücksichtigt werden.

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Dem pflichtete Klaus Oettinger (FWV) bei. Das stärke am Ende die Identifikation mit dem Konzept. Doch wie lange stehen die Fördermittel bereit, falls die Kommune ein Projekt verschieben muss, wenn sie ihren Eigenanteil zunächst nicht stemmen kann? Zusagte Mittel würden fließen, wann auch immer das Vorhaben umgesetzt wird, sagte Wammetsberger. Um die 75 Prozent für den Aktionsplan bewilligt zu bekommen, müsse dieser - sollte sich das Gremium hierfür entscheiden - bis Jahresende zumindest beantragt sein. Dann ende nämlich die Frist. Die Arbeit könne dann 2026 erledigt werden.

Am Ende sprachen sich die Fraktion von CDU, FWV, Grünen und SPD einstimmig für den allumfassenden Aktionsplan aus. Die Fördermittel sollen die Experten aus Karlsruhe noch dieses Jahr beantragen und den Plan nächstes Jahr erarbeiten. Wird der Zuschuss gewährt, beträgt der Anteil der Gemeinde an Kosten 17.500 Euro.

Redaktion

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