Evangelische Kirchengemeinde - Pfarrer Matthias Zaiss wird am Sonntag offiziell verabschiedet / Ein Jahrzehnt war er Ansprechpartner für die Menschen im Ort

Altlußheims Pfarrer Matthias Zaiss geht in den Ruhestand

Von 
Marion Brandenburger
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Pfarrer Matthias Zaiss ist sehr glücklich über die fertig renovierte Kirche, in der er nur noch wenige Gottesdienste vor seinem Ruhe-stand halten konnte. © Brandenburger

Altlußheim. Ein Pfarrer geht in Rente und eine ganze Gemeinde ist traurig. Was eigentlich negativ klingt, ist durchaus als Kompliment und größte Wertschätzung anzusehen. Pfarrer Matthias Zaiss wird am Sonntag, 25. April, offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Leider nicht mit einem großen Festgottesdienst zusammen mit allen seinen „Schäfchen“, die er zehn Jahre hingebungsvoll betreut und umsorgt hat, sondern als Livestream auf Youtube, weil die Pandemie und die damit einhergehende Vernunft es so gebieten. 2011 hat sich Matthias Zaiss gezielt für Altlußheim beworben. Der Mannheimer Stadtpfarrer wollte aufs Land und von Anfang an war vonseiten der Gemeinde, des Kirchengemeinderates und ihm selbst klar, „das passt“.

Matthias Zaiss: „Der Dialekt und die Mentalität waren so ähnlich zu Mannheim, ich fühlte mich gleich wohl hier und auch der Ort selbst hat mir gut gefallen.“

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Zehn Jahre Pfarrer Zaiss gehen zu Ende

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Mit Mannheim hat der evangelische Seelsorger auch seine erste Ehe hinter sich gelassen. Als er seine Frau Steffi kennenlernte, gefiel es ihr und ihren beiden Kindern auch gleich in Altlußheim. 2014 heiratete Matthias Zaiss somit eine Familie und bekam neben einer Frau noch Tochter Amelie und Sohn Anton dazu.

Zaiss: „Aus meiner Familie schöpfe ich Kraft, in Gesprächen entstehen Ideen und gerade bei der Entwicklung der Youtube Gottesdienste war mir Anton eine große Stütze.“

Während der zehn Jahre in Altlußheim hat Matthias Zaiss Bewährtes übernommen und weitergeführt und einiges in Bewegung gesetzt. Den Frauen- und Männerkreis sowie das Demenzcafé hat er stets unterstützt, einen Schwerpunkt aber auch auf die Kindergärten gesetzt. Das ist zwar zu großen Teilen die Aufgabe des Diakons, aber es war Zaiss wichtig, immer involviert zu sein. Auch der Unterricht an der Realschule Hockenheim gehörte lange Zeit zum Arbeitsumfeld genau wie die Betreuung der Konfirmanden.

Im Kindergarten „Regenbogen“ wurde eine fünfte Gruppe eröffnet und das Außengelände neu gestaltet. Als die Kommune auf die Kirchengemeinde zukam mit der Idee einer Kita, ging großer Zuspruch vom Pfarrer und Kirchengemeinderat aus. So entstand die Kita „Sonnenschein“. Auch die Gründung des Familienzentrums war ein Projekt, das der Gemeinde bis dato große Vorteile bietet.

Zaiss: „Wir müssen die Gemeinde lebendig erhalten. Mit der Schaffung der Neubaugebiete gelang dies vonseiten der politischen Gemeinde her und wir konnten unseren Teil dazu beitragen.“

Kollegiale Zusammenarbeit

Überhaupt war ihm der gute Draht zur Kommune sehr wichtig. Mit dem früheren Bürgermeister Hartmut Beck verband ihn immer eine sowohl kollegiale wie auch freundschaftliche Zusammenarbeit, die sich mit Bürgermeister Uwe Grempels fortgesetzt hat. Ebenso hielt er immer gute Kontakte zu den örtlichen Vereinen. Ob Musik, Gesang, Theater oder Sport, Matthias Zaiss zeigte sich stets aufgeschlossen und die Vereine dankten es ihm mit entsprechender Unterstützung. Mit den Kerweborscht verbindet ihn ein freundschaftliches Band, aber auch für ortsfremde Kulturträger fand sich immer ein Platz in der Kirche für Konzerte oder Ausstellungen.

Ganz klar, wenn man neu in eine Gemeinde kommt, kann man nicht alles umorganisieren. Bewahren und neu gestalten war die Devise des Seelsorgers und das ist ihm in seiner Zeit in Altlußheim perfekt gelungen. Der etwas angestaubten „Basar“ wurde in ein Gemeindefest zu Erntedank umstrukturiert und im Zeitplan gestrafft. Das fand allgemein großen Anklang.

Open-Air-Gottesdienste wie beim Strandfest des Musikvereins waren schon etabliert und 2016 entstand die Idee eines Mundart-Gottesdienstes auf dem Messplatz. Es war unkonventionell, mit passenden Sketchen der Brettlhupfer und Chorgesang, der Pfarrer erzählte Witze während der Predigt und auch die Kerweborscht sangen. Die Besucher waren begeistert und wenn das Wetter es zuließ, feierte man fortan Gottesdienst auf kurpfälzisch zwischen Karussell und Schießbuden am Kerwesonntag mit sehr vielen Menschen.

Matthias und Steffi Zaiss nahmen gerne und rege am Gemeindeleben teil. Ob Straßenfest oder Weihnachtsmarkt, Kerwe oder Fasnacht, die beiden waren immer dabei. Luxina-Inthronisationen, Prunksitzungen und Rathaussturm, die „Pfarrers“ waren mit im Publikum. In den vergangenen Jahren marschierten beide bei den Umzügen als Mitglieder des „Dunnerschdagstreff“ mit.

Pfarrer Zaiss war sich immer sicher, all diese Unternehmungen gehen einher mit seinem Beruf, mitten im Volk, da fühlte und fühlt er sich besonders wohl. Die Gemeinde nahm auch seine Gottesdienste am Silvesterabend und den Neujahrsgottesdienst am Abend des 1. Januar gut an. Da gab es im Anschluss süße Brezeln und Glühwein und die Besucher konnten noch zusammen auf dem Rathausplatz plaudern.

Zaiss: „Die Gemeinde hat immer sehr aufgeschlossen auf neue Ideen reagiert und diese positive Stimmung hat mich natürlich beflügelt, immer mal wieder was Neues anzubieten.“

So wie den Taufgottesdienst am Blausee, der zusammen mit der Gemeinde Neulußheim und letztes Jahr noch mit Reilingen gefeiert werden konnte. In einem ganz besonderen Ambiente am See und mit der Rückkehr zur traditionellen Taufzeremonie, das gefiel den jungen Eltern sehr gut. Nicht vergessen werden sollten die Frühstücksgottesdienste im Emil-Frommel-Haus, die stets mit einem interessanten Vortrag verbunden waren.

Kirchenrenovierung gestemmt

Im Jahr 2016 feierte man das 250. Kirchenjubiläum mit vielen Veranstaltungen rund um die Kirche. Konzerte, Orgelgottesdienst und ein historischer Vortrag von Matthias Steffan hatten immer viel Publikum. Zu der Zeit war schon die Renovierung der Kirche in Planung. Die kostete Zeit und viele Nerven, unzählige Besprechungen und auch ein paar Kämpfe.

Zaiss: „Aber es hat sich gelohnt. Wir haben die Kirche zukunftsfähig gemacht und es wurden sowohl die technischen wie auch räumlichen Voraussetzungen geschaffen, damit wieder viele verschiedene Veranstaltungen neben den Gottesdiensten stattfinden können.“

Und dann kam Corona. Das Virus hat auch die Seelsorge auf den Kopf gestellt. Mit seiner Idee, die Gottesdienste ins Internet zu stellen, hatte Matthias Zaiss großen Erfolg. Mit 55 Youtube-Gottesdiensten, darunter Ostern und Weihnachten, hat er seine Seelsorge, so gut wie es die Pandemie zuließ, ausgelebt. Ebenso hat das Turmsingen am Samstagabend den Menschen Freude bereitet. Im Gemeindeblatt veröffentlichte er Wochenbriefe, überhaupt waren seine Predigten und Texte gehaltvoll, aktuell und den jeweiligen Gegebenheiten angepasst.

Zaiss: „Ich habe in den zehn Jahren so viele Menschen in verschiedensten Lebenssituationen begleiten können, das erfüllt mich mit einer tiefen Dankbarkeit.“

Ganz wichtig war ihm immer die Ökumene. Mit seinem katholischen Amtskollegen Pfarrer Jürgen Grabetz verbindet ihn ein sehr freundschaftliches Verhältnis.

Den Ruhestand lässt er ganz „gechillt“ auf sich zukommen. Im Januar ist er mit Ehefrau Steffi und Sohn Anton nach St. Leon gezogen. Gerne wäre die Familie Zaiss in Altlußheim geblieben, aber es war einfach kein passendes Haus zu finden gewesen. So weit weg ist es ja nicht. „Ich bin in zehn Minuten in Altlußheim“, freut er sich. Einerseits wird Matthias Zaiss nun mehr Zeit für sich und die Familie haben, aber ab und an mal ein Vertretungsgottesdienst, das wird auf jeden Fall möglich sein.

Freie Autorin Marion Brandenburger ist seit 2004 freie Mitarbeiterin der SZ/HTZ für Altlußheim und Umgebung sowie für die Bereiche Kultur, Vereine und Kirche.

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