Rheinhausen/Altlußheim. Die zusammengekauerten Jungstörche dürften sich gewundert haben, als plötzlich warme Menschenhände an ihren Beinchen herumfingerten. Nach Feststellung des allgemeinen Wohlbefindens, nach dem Abtasten und Abgreifen bekamen die Kleinen, anders als bei einer Trauung, den Ring sozusagen an die Ferse geheftet.
Insgesamt 35 blutjunge Adebars in elf Nestern, zwischen vier und sechs Wochen alt, gehörten zu den ausgesuchten Exemplaren der großen Beringungsaktion in Oberhausen, Rheinhausen und Altlußheim.
Die ehrenamtlichen und engagierten Storchenbetreuer Gabriele und Thomas Picke aus Rheinhausen, die sich früher im Rhein-Neckar-Kreis um die Störche gekümmert haben, begleiten seit zwölf Jahren das Weißstorchprojekt Baden-Württemberg. Der Ehemann als offizieller Storchenbeauftragter suchte mit Hilfe einer modernen Arbeitsbühne die hohen Nester auf, die Ehefrau hielt unten alle Ergebnisse schriftlich fest.
Durch die Beringung sei es möglich, so berichten die beiden, die Störche in ihren Brutgebieten und auf den Zugwegen zu identifizieren. Die angelegten Ringe tragen Aufschriften wie „A8 V 39“. Als „überdurchschnittlich gut“ bewerten die zwei Storchenexperten den diesjährigen Bruterfolg.
Niemand muss in der Gegend lange nach Nestern suchen. 48 Nester inmitten der Ortsteile Oberhausen und Rheinhausen, etwa im Vogelpark, im Bauhof und am Reiterplatz, sind besetzt. Begehrt sind auch das Rheinvorland und der Bereich um die Anlegestelle der Fähre. In Altlußheim gehört die „Tuchbleiche“ zum Arbeitsgebiet.
130 Störche im Auwald
Im schmalen und kleinräumigen Auwald zwischen Altlußheim und Philippsburg haben sich insgesamt 65 Pärchen niedergelassen: Also zusammen 130 Störche, die sich dort wohlfühlen, was das laute Geklapper vermuten lässt.
Derzeit sind die Jungstörche noch nicht flügge, sie können noch nicht fliegen. Somit lassen sich die Tiere gut beringen. Picke nutzt die sogenannte Akinese, den natürlichen Totstellreflex der Jungstörche. Wenn Raubvögel sich dem Nest nähern, legen sich die Tiere flach hin, um nicht als Beute betrachtet zu werden. So verhalten sie sich während der Beringung, an der Heimatvereinsvorsitzender Heinz Kraus als ehemaliger Beringer, Roland Fuest vom Vogelverein und Storchennachwuchskraft Emma Ehringer als Beobachter teilnahmen.
Zugverhalten wird studiert
Wie es vor Ort hieß, wird jedes Jahr eine gewisse Anzahl von Jungstörchen – aber nicht alle – beringt, um Entwicklungen im Lebenslauf der Tiere erkennen zu können. So können verändertes Zugverhalten, Überwinterungen in südlichen Gefilden, mögliche Auswirkungen des Klimawandels oder Verluste, etwa durch Freileitungen, dokumentiert werden.
Von keinem anderen Vogel sind, wie bei den Störchen, Beobachtungen über einen so langen Zeitraum bekannt. Die allerersten Storchenberingungen erfolgten bereits vor über 100 Jahren.
Bei nahezu allen Völkern galt der Storch als Glücksbringer. Die Menschen zeigten sich glücklich, wenn ein Storchenpaar auf Tempeln und Heiligtümern, auf den Wohngebäuden und Bäumen seinen Horst aufschlug.
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