Hockenheim/Reilingen. Man muss kein Vogelfreunde sein, um vom schwerelosen Flug der Störche, ihrem majestätischen Gleiten begeistert zu sein. Es ist immer wieder beeindruckend, wie die bis zu einem Meter großen Tiere mit einer Spannweite von gut zwei Metern, sich von der Luft tragen lassen, als gebe es keine Schwerkraft.
Doch wenn man sich zur Schar der Vogelfreunde zählt, gar noch ein Bewunderer der großen Vertreter des Federvolks ist, hierzu zählt der Storch mit seinem Gewicht von bis zu fünf Kilogramm sicherlich, dann gibt es kein Halten, ziehen die Tiere am Himmel ihre Kreise.
Aller Anfang ist schwer
Doch wie immer im Leben gilt – aller Anfang ist schwer und die scheinbare Leichtigkeit des Seins will erarbeitet sein. Das gilt insbesondere auch für die Jungstörche, deren ersten Schritt aus der Kinderstube meist noch staksig wirken, die jedoch recht schnell das Abc des Fliegens erlernen. Die Höhe des Storchennestes ist dabei für die Jungtiere meist eine gute Motivation – die Zahl der Versuch ist bei dieser Fallhöhe begrenzt.
Weshalb die Jungstörche, bevor sie sich zum ersten Alleinflug trauen, meist mit Trockenübungen im Nest anfangen, von denen der Storchenkenner schnell ableiten kann, dass es mit dem Verlassen des Nestes nicht mehr weit her sein kann. Natürlich ist auch das Federkleid ein Indiz für die Flugreife, doch die Übungen im Horst sind der augenscheinlichste Fingerzeig.
Einer, der die Entwicklung der Jungstörche Jahr um Jahr mit Begeisterung verfolgt, ist der Biologe Uwe Heidenreich, dem zupass kommt, dass der Hockenheimer Horst auf dem Dachfirst in der Unteren Hauptstraße per Webcam rund um die Uhr überwacht wird. Als Heidenreich im Verlauf der vergangenen Woche das Auf und Ab im Nest verfolgt, mal waren alle drei Jungstörche anwesend, mal nur zwei, legte er sich auf die Lauer und siehe da, das Glück war ihm hold: So konnte er beobachten, wie die zwei Jungstörche das Nachbardach im Auge hatte, wohin sich der dritte Adebar geflüchtet hatte. Noch mehr freute sich Heidenreich, als der Jungstorch seine Flügel spannte und zum Nesteinflug ansetzte. Ein seltenes Schauspiel, zumindest für ihn, die Störche werden es eher gewohnt sein, die ihren Mitbewohner deshalb wohl nur halbherzig begrüßten.
Eine gute Motivation für die Jungtiere, den Dreh beim Fliegen schnell zu erlernen, ist nicht nur die Höhe des Horstes, sondern auch der in naher Zukunft anstehende Flug ins Winterquartier. Nach Afrika ging es früher, eine kräftezehrende Reise, für die man nicht früh genug mit dem Training beginnen konnte. Auch wenn der Klimawandel mittlerweile das Zugverhalten beeinflusst, manche Tiere begnügen sich mit einem Flug bis nach Spanien, die Anstrengung bleibt.
Wie sich die Störche in Form bringen, davon machte sich auch Reilinges Storchenvater Dieter Rösch mehr als nur ein Bild. Ihm gelang eine ganze Serie von Aufnahmen, die die Tiere nicht nur bei ihren ersten Flügen zeigen, sondern auch bei der Futteraufnahme am Boden. Mit den typischen Schreitschritten stolzieren sie dabei über die Felder und Wiesen, immer auf der Suche nach Nahrung. Wobei der Weißstorch nicht wählerisch ist: Von Insekten über Mäuse bis hin zu Fischen frisst er alles, was ihm vor den Schnabel kommt.
Und sie haben sich den Luftraum erobert. „Die Bilder zeigen, wie elegant sie sich schon in der Luft bewegen können. Bei bestem Flugwetter erheben sie sich mühelos gegen den Wind vom Nest und genauso mühelos landen sie auch wieder gegen den Wind“, beschreibt Rösch das Flugverhalten der Tiere, die mit Beginn des Julis ihr Nest verlassen haben.
Tiere nabeln sich ab
Und, fügt Rösch hinzu, „sie bewegen sich weitgehend unabhängig von den Elternstörchen, halten untereinander aber immer Kontakt“. Ein deutliches Zeichen des Abnabelns, der Vorbereitung auf den Flug in Richtung Süden. „Ihren Ausweis haben sie ja dabei“, kommentiert Rösch und meint die Beringung durch Thomas Picke im Auftrag der Vogelschutzwarte Radolfzell.
Mit Ring und Kennung am Bein sind die Störche jederzeit zu identifizieren und so sind Rösch und Heidenreich wohl jetzt schon gespannt, welcher von den Jungstörche wohl im nächsten Frühjahr in die Region zurückkehrt. Gleiches gilt übrigens für die Alttiere, die gleichfalls sehr standorttreu sind und deren freudiges Geklapper wohl in gut acht Monaten wieder über die Kisselwiesen beziehungsweise die Innenstadt von Hockenheim tönen wird.
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