Wassernotstand am Kriegbach - BUND Ortsgruppe Hockenheimer Rheinbogen lädt Bürgermeister und Landtagsabgeordnete zum Austausch ein

Wassernotstand am Kriegbach: „Brauchen eine Niedrigwasserstrategie“

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Andreas Wühler
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Bei dem Treffen an der Steinernen Brücke wurde von Andre Baumann (oben, li. dann im Uhrzeigersinn), Peter Geng, Bürgermeister Grempels, Dieter Rösch, Andreas Sturm und Bürgermeister Weisbrod rege diskutiert. © Wolfgang Schwindtner

Altlußheim/Reilingen. „Wo ist das Wasser geblieben?“ Eine Frage, die nicht nur den Landtagsabgeordneten der Grünen Andre Baumann angesichts des trockengefallenen Kriegbachs beschäftigt. Einen Hauptschuldigen hat er schon im Visier, den Klimawandel, denn der stehe in der Region nicht mehr vor der Tür – „er hat sie längst eingetreten“.

Auch für die BUND-Ortsgruppe Hockenheimer Rheinebene, die angesichts des Fischsterbens das Thema vehement gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe zur Sprache bringt und die gemeinsam mit Anglern aus Reilingen und Altlußheim am vergangenen Wochenende für eine groß angelegte Aktion zur Rettung der Fische in dem versiegenden Gewässer sorgte, ist brennend an einer Antwort interessiert.

Weshalb BUND-Ortschef Dieter Rösch zusammen mit seinen Stellvertretern Uwe Heidenreich und Thomas Kuppinger zu einem Vor-Ort-Termin an die Steinerne Brücke in die Lußhardt eingeladen hatte. Die Landtagsabgeordneten Andre Baumann, Grüne, und Andreas Sturm, CDU, waren dabei ebenso Gesprächspartner wie die Bürgermeister Uwe Grempels, Altlußheim, und Stefan Weisbrod, Reilingen – der Kriegbach fließt auf der Gemarkung beider Gemeinden – sowie Thomas Kirchgäßner vom SFC Rheinsalm Altlußheim und Oliver Bender und Dominik Mattern vom Angelsportverein Reilingen. Der Rhein-Neckar-Kreis wurde obendrein durch den Naturschutzbeauftragten Peter Geng vertreten.

Diesmal wurde gehandelt

Rösch eröffnete das Treffen mit einem kurzen Abriss des Geschehens seit dem 1. August, als er erstmals von Bürgern auf ein Trockenfallen des Gewässers zwischen der Steinernen Brücke und der Einmündung des Duttlacher Grabens aufmerksam gemacht wurde. Danach habe sich die Situation etwas beruhigt, bevor die Lage Ende vergangener Woche eskalierte, der Bach komplett trockenfiel und ein massives Fischsterben drohte. Zusammen mit Mitgliedern der Angelsportvereine aus Altlußheim und Reilingen habe er eine Rettungsaktion gestartet.

Wie Peter Geng anmerkte, waren zu diesem Zeitpunkt schon die Gewerbepolizei und Mitarbeiter des Betriebshofs Ketsch des Regierungspräsidiums vor Ort. Letztere hätten sich gleichfalls um die Rettung der Fische bemüht. Wohl nicht in ausreichendem Maß, wie Rheinsalm-Vorsitzender Thomas Kirchgäßner angesichts der kapitalen Fische, die er noch aus dem Wasser holte, vermutet. Bürgermeister Grempels, der gleichfalls vor Ort war, zusammen mit der Feuerwehr, lobte die gesamte Aktion, zumal diesmal, im Gegensatz zum Trockenfallen im vergangenen September, das Regierungspräsidium (RP) reagiert habe und gehandelt wurde. Auch wenn, merkte Grempels kritisch an, insgesamt die Manpower gefehlt habe.

Ein Punkt, den Baumann aufgriff, der sich beim für den Kriegbach zuständigen RP in Karlsruhe beziehungsweise dem untergeordneten Landesbetrieb Gewässer (LBG) nach der Vorgehensweise erkundigt hatte. Demnach hatte der Landesbetrieb das Gewässer seit der ersten Meldung Anfang August auf dem Schirm, habe es insgesamt drei Einsätze an dem Bach gegeben.

Wie das RP am Dienstag, 17. August, kurz vor Beginn des Treffens in der Lußhardt per Mail mitteilte, soll, um für „weitere Niedrigwasserphasen gut gewappnet zu sein“ und die Aktionen besser koordinieren zu können, „der LBG einen Organisations- und Einsatzplan unter Beteiligung der örtlichen Akteure erstellen“. Was von den Anwesenden zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, war es doch die bisher fehlende Kommunikation, die am meisten auf Kritik stieß.

Auch die Analyse des RPs war unumstritten: „Am Kraichbach herrscht aufgrund der seit Anfang August sehr geringen Niederschläge eine Niedrigwassersituation. So waren am Kraichbachpegel in Ubstadt-Weiher beispielsweise in den letzten Tagen, Abflüsse von weniger als 600 Liter pro Sekunde zu beobachten. Das entspricht einem geringeren Abfluss als dem Mittelwert niedrigster jährlicher Abflüsse. Der normale mittlere Abfluss liegt bei fast dem Doppelten. Daher erhält der Kriegbach derzeit wenig bis keinen Zufluss über den am Schneidmühlenwehr installierten Fischpass und ist mittlerweile abschnittsweise, bis auf einige Tiefstellen, trockengefallen. Für die Fische und wirbellose Kleinstlebewesen ist der Kriegbach deshalb aktuell nicht vollständig durchgängig.“

Eine Einschätzung, die von Baumann geteilt wurde. Der Kriegbach zweigt vom Kraichbach ab und das RP musste eine Entscheidung treffen, wohin das meiste Wasser geleitet wird. Womit Baumann wieder bei der Gretchenfrage angelangt war – wohin ist das Wasser verschwunden. Immerhin habe es in den vergangenen Tagen und Wochen nicht gerade wenig geregnet.

Seine Vermutung geht in Richtung legale und illegale Wasserentnahmen, meist zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen. Wie Thomas Kuppinger anmerkt, gibt es kaum noch legale Entnahmen, da die entsprechenden Anträge in der Regel nicht bewilligt würden.

Kuppinger führte noch einen anderen Grund ins Feld: Durch den Reichsarbeitsdienst sei im vergangenen Jahrhundert die Region entwässert worden, man habe Ackerland gewinnen wollen. Dazu seien jede Menge Gräben gezogen worden, um Oberflächenwasser möglichst schnell in den Rhein zu transportieren. Darunter leide die Gegend in Zeiten fehlender Niederschläge besonders, das wenige Wasser verteile sich auf zu viele Läufe.

Ein Punkt, an dem Baumann einhakte. Längst, so seine Einschätzung, sei die Region ein Wassermangelgebiet, müsse man nicht nur ein Hochwasser-, sondern auch ein Niedrigwassermanagement betreiben. „Wir sind eine der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen“, stellte der Landtagsabgeordnete fest und verwies auf den trockenen Bach ebenso wie auf den sterbenden Hardtwald.

Künftig, schwant ihm, müsse die Wasserentnahme stark eingeschränkt werden, müsse sich die Landwirtschaft umorientieren. Es könne nicht mehr angehen, auf staubtrockenen Böden Sorten anzupflanzen, die hier nichts verloren haben, forderte er einen Paradigmenwechsel.

Bürgermeister Stefan Weisbrod hinterfragte die Abschlagsituation am Schneidmühlenwehr. Eventuell könne man die Wasserzuteilung neu regeln, wollte er an den Stellschrauben gedreht sehen. Eine Meinung, der Kuppinger zustimmte, der darauf aufmerksam machte, dass das entsprechende Wasserrecht aus dem vergangenen Jahrhundert stammt und angesichts des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß sei.

Natürlich stand auch die Frage im Raum, ob die Renaturierung des Kriegbachs in Teilbereichen zu dessen Austrocknen geführt habe. Wie es der Naturschutzbeauftragte Peter Geng auf den Punkt brachte, sei das Gewässer wie ein Wildwasserbach umgebaut wurde, was völlig überdimensioniert sei.

Hier wurde eine Richtlinie der EU umgesetzt, die die Durchlässigkeit des Wassers auch gegen die Fließrichtung für Lebewesen sicherstellen soll. Dabei, so Kuppinger, seien auch Querbauwerke entfernt worden, die bisher das Wasser stauten. Eine Maßnahme, die wohl etwas nach hinten losging, wie das BUND-Mitglied vermutet. Doch ursächlich sei dies für das Trockenfallen nicht, so Kuppinger, der von zahlreichen Wasserläufen im Landkreis Karlsruhe zu berichten weiß, die kein Wasser mehr hätten.

Analyse der Ursache notwendig

Landtagsabgeordneter Andreas Sturm brachte die Diskussion nochmals auf die Wasserentnahmen, die genau analysiert werden sollten. Es müsse geschaut werden, welche Mengen entnommen werden und wo, wobei der Blick auch in die Gegend oberhalb von Ubstadt-Weiher gehen müsse. Nur – „wir dürfen das nicht auf die lange Bank schieben.“

Einig war sich die Runde, dass eine Niedrigwasserstrategie im Land kommen müsse, ein runder Tisch in Sachen Kriegbach, wie vom RP angekündigt, sinnvoll sei und man die Augen vor dem Klimawandel nicht mehr verschließen dürfe. Zum Schluss der Gesprächsrunde skizzierte Baumann die weitere Vorgehensweise: Dringend muss eine Ursachenanalyse her, dann über Maßnahmen gesprochen werden. Wasserverteilung und -entnahme seien dabei wichtige Eckpunkte.

Der Neulußheimer Gemeinderat Hanspeter Rausch sah sich durch die Entwicklung bestätigt. Seit vielen Jahrzehnten habe man vor dem Klimawandel gewarnt, nun könne man ihn am eigenen Leib erleben. Diesen als Panikmache zu bezeichnen, dagegen wehrte er sich entschieden, momentan gehe es um die Vorsorge für kommende Generationen.

Kriegbach fällt trocken

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