Christmette - Gottesdienste und Familienvesper kommen an den Feiertagen über Youtube in die Wohnzimmer / Licht der Hoffnung im Pandemiejahr / Keine heile Welt bei Maria und Josef

Zaiss: Ein improvisiertes Weihnachtsfest ist besser als nichts

Von 
Marion Brandenburger
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Altlußheim. Jedes Jahr am Heiligen Abend erwartet die Gottesdienstbesucher der evangelischen Christmette gegen 22.30 Uhr eine abgedunkelte Kirche. Still, heimelig und voller Musik neigt sich dann der Abend des 24. Dezembers seinem Ende zu. Nach und nach, im Laufe des Gottesdienstes erhellen zahllose Kerzen und Lichter die Kirche, bis die Krippe und der Weihnachtsbaum erstrahlen.

Dieses Jahr war alles anders, aber, und das war ganz wichtig, die Christmette fand statt. In der katholischen Kirche St. Nepomuk, da die evangelische Kirche noch nicht ganz fertig renoviert ist – online auf Youtube um 22 Uhr. Wie schon seit März ging auch die „gesamte Weihnacht“ über das Internet und fand – laut Zuschauerzahlen – ihren Weg in sehr zahlreiche Wohnzimmer. Sowohl die Familienvesper um 17 Uhr, wo statt Krippenspiel die Bauchrednerpuppe Ronja die Großen und Kleinen mit der Weihnachtsbotschaft unterhielt, wie auch die Christmette am Abend und der Gottesdienst zum Ersten Weihnachtstag.

Das Dunkel der Christnacht war eine echte Herausforderung für das Filmteam, denn ohne oder mit so wenig Licht wie möglich, ist das technisch nicht so einfach. Kameramann Bernhard Brandenburger nahm ein lichtstärkeres Objektiv, das extra für wenig Scheinwerferlicht in seiner Ausrüstung vorrätig ist, und es hieß erst einmal ausprobieren. Was hatte Pfarrer Matthias Zaiss im Regieplan vorgesehen und wie konnte man es umsetzen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen? Filmtechniker Anton Wietstock schaute sich auch gleich die erste Kameraeinstellung auf dem Laptop an und alle entschieden, so wird es gehen. Also konnte die nach und nach heller werdende Kirche auch dieses Mal dargestellt werden und vom Friedenslicht im dunklen Kirchenraum bis zur hell erleuchteten Krippe am Schluss der Christmette war es fast wie immer. Aber nur fast.

Worte des Propheten Jesaja

Trotz viel Musik und einfühlsamer Predigt fehlte letztendlich doch das erhabene Flair der Kirche in dieser besonderen Nacht, das man per Video einfach nicht wirklich transportieren kann. Pfarrer Matthias Zaiss bediente sich der Worte des Propheten Jesaja für die Christnacht. „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ Auch las er die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium, unterbrochen von Liedern wie „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ oder „Hört der Engel helle Lieder“.

In seiner Predigt erzählte er von einem Kollegen, der vor vielen Jahren seine Gemeinde in der Kirche fragte, ob angesichts der Probleme und Katastrophen der vorangegangenen Tage man Weihnachten nicht besser ausfallen lassen sollte. Es herrschte betroffenes Schweigen im Kirchenschiff. Aus dem Halbdunkel der Kirche rief ein kleines Kind laut und deutlich: „Nein.“ Die Erwachsenen äußerten sich mit einem leisen aber auch erleichterten Lachen. Mit dem „Nein“ rückte das Kind alles wieder zurecht, was in Frage gestellt wurde. „Nehmt uns Weihnachten nicht weg.“ Auch bei Maria und Josef war vor 2020 Jahren nicht alles heile Welt. Ganz im Gegenteil. Aber es gab ein Licht und eine Hoffnung. Vielleicht brauchen es die Menschen nach dem Pandemiejahr auch dringender als jemals zuvor, dieses Licht der Hoffnung.

Gerade herrschen Unsicherheit und Zukunftsangst und in gewisser Weise auch Orientierungslosigkeit. Was hilft da mehr, als die Weihnachtsbotschaft? Das Licht der ersten Weihnacht hat das Dunkel der Welt erleuchtet. Pfarrer Zaiss merkte an, dass wohl auch das erste Weihnachten mehr oder weniger improvisiert war. So wie aktuell – und eine Improvisation ist immer noch viel besser als nichts. Alle mussten sich diese Weihnachten umstellen, die Pfarrer und ihre Mitarbeiter für die Gottesdienste, die Familien mit ihren Zusammenkünften.

An Herausforderung wachsen

Aber war es wirklich so viel schlechter? Sicherlich war es für viele eine Herausforderung, aber womöglich sind ja auch alle ein wenig daran gewachsen. Die Christmette neigte sich mit den Liedern „Stille Nacht, heilige Nacht“ und „O du fröhliche“ ihrem Ende entgegen und stimmte auf den ersten Weihnachtstag ein. Pfarrer Matthias Zaiss, das Filmteam und Organist Klaus Wörner drehten mehrere Stunden, um die drei Gottesdienste rechtzeitig online zu stellen. Durchaus auch ein mentaler Kraftakt, der sich aber lohnte, weil so den Menschen eine Beständigkeit geboten werden konnte. In Summe schauten mehrere hundert Menschen auf Youtube zu und das ist doch eine richtig frohe Weihnachtsbotschaft.

Freie Autorin Marion Brandenburger ist seit 2004 freie Mitarbeiterin der SZ/HTZ für Altlußheim und Umgebung sowie für die Bereiche Kultur, Vereine und Kirche.

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