Ortsgeschichte

Älteste Straße in Brühl: Hauptstraße wird 225 Jahre alt

Die Hauptstraße in Brühl darf ein Jubiläum feiern, denn vor 225 Jahren erhielt sie ihren heutigen Namen. Zuvor hatte sie mal den Namen „Dorfgaß“ getragen.

Von 
Ralf Strauch
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Anfang des 20. Jahrhunderts entstand diese Aufnahme von Brühl. Der Fotograf schwebte dabei im Luftschiff über den Schwetzinger Wiesen. In der Mitte erkennt man die Schutzengelkirche und kann so den Verlauf der Hauptstraße von links nach rechts erkennen. © vhbp

Das Wichtigste in Kürze

Die Hauptstraße in Brühl darf ein Jubiläum feiern, denn vor 225 Jahren erhielt sie ihren heutigen Namen. Zuvor hatte sie mal den Namen „Gemeine Gaß“, dann „Dorfgaß“ oder „Ortsgaß“ getragen. Doch 1800 wurde sie zur Brühler Hauptstraße befördert.

Brühl. Die Hauptstraße in Brühl darf ein Jubiläum feiern, denn vor 225 Jahren erhielt sie ihren heutigen Namen. Zuvor hatte sie mal den Namen „Gemeine Gaß“, dann „Dorfgaß“ oder „Ortsgaß“ getragen. Doch 1800 wurde sie zur Brühler Hauptstraße befördert.

Diese wichtige Brühler Verkehrsachse verlief und verläuft noch heute entlang des Rhein-Hochufers und spielt damit schon früh in der Ortsgeschichte eine bedeutende Rolle. Die Hauptstraße dürfte – so heißt es im „Brühler Heimatbuch“ –wohl schon in der Römerzeit eine bedeutende Verkehrsader gewesen sein, In ihrer Verlängerung über die heutigen Ortsgrenzen hinaus verband sie vermutlich das Wagbachkastell bei Waghäusel mit dem Rheinübergang zum Kastell Alta Ripa, also dem heutigen Altrip, beziehungsweise nach Lopodunum, inzwischen Ladenburg.

Name „Dorfgaß“ ist in Brühl Programm

Später wurde aus dem Brühler Teilstück – das zeigt eine Karte von 1770 – die „Dorfgaß“. Und dieser Name war Programm, denn zwischen der Kreuzung am Knotenpunkt mit der Mannheimer, Schwetzinger und Hockenheimer Straße – der heutigen Ketscher Straße – und dem Treffpunkt mit der Neugasse war die heutige Hauptstraße schlichtweg auch das komplette Dorf.

Die Brühler Hauptstraße im Jahr 1917. Der Fotograf steht etwa auf Höhe der heutigen Sparkasse und hat seine Kamera in Richtung Ketsch ausgerichtet. © Heimatverein Brühl

Rechts und links von ihr fanden sich in der 220-Seelen-Gemeinde bereits 1770 die wichtigsten Gebäude der Dorfgemeinschaft - beispielsweise die einst von beiden Konfessionen gemeinsam genutzte Kirche, die dann den Evangelischen zugeschlagen wurde. Sie fand sich etwa im Chorbereich der heutigen Schutzengelkirche und die kleine katholische Barockkirche, die 1747 ohne entsprechende landesherrliche Genehmigung so gebaut wurde, dass dieses Kirchlein zur Hälfte in die Dorfstraße hineinragte.

Kurfürst Carl Theodor spendete für den Bau der Kirche in Brühl 15.000 Steine

Der Kurfürst – inzwischen der katholische Carl Theodor – nahm diese Eigenmächtigkeit nicht nur hin, er spendete sogar für den Bau der Kirche 15.000 Steine. In diesem Gebäude fanden allerdings erst ab 1779 regelmäßige Gottesdienste durch die Franziskaner aus Schwetzingen statt.

Um 1825 wurde das kleine evangelische Gotteshaus abgerissen, weil es baufällig war. Seine Steine fanden für den Neubau des evangelischen Schulhauses in der heutigen Mühlgasse Verwendung. Trotz einiger Initiativen sollte es bis zum Jahr 1888 dauern, bis die ständig wachsende evangelische Gemeinde wieder ein eigenes Gotteshaus in der Kirchenstraße hatte.

Die alte katholische Barockkirche stand bis Ende des 19. Jahrhundert zur Hälte auf der Fahrbahn der Brühler Hauptstraße. © heimatverein Brühl

Durch den Abriss sollte aber später genug Platz sein, um auch eine neue katholische Kirche im historischen Ortskern zwischen Haupt- und Kirchenstraße zu errichten, denn der alte Barockbau war marode. Die Schutzengelkirche, die noch heute das Bild der Hauptstraße prägt, wurde zwischen 1894 und 1897 im neugotischen Stil erbaut.

Die dreischiffige Kirche ist ein, wie Baugeschichtler es ausdrücken, Sichtbacksteinbau im neugotischen Stil. Im Westen, also direkt an der Hauptstraße, befindet sich der rechteckige, 51 Meter hohe Turm mit dem Hauptportal und im Osten der Chor. Der Innenraum, der bei der Eröffnung 1.240 Plätze bot, wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgestaltet.

Im Frühjahr 1883 begannen die Vorarbeiten und etwas mehr als ein Jahr später war das erste kommunale Schulhaus fertig - das Alte Schulhaus in der Hauptstraße. © Ralf Strauch

Vor über 140 Jahren erhielt die Gemeinde ihr erstes kommunales Schulhaus. Und das wurde natürlich für die Hauptstraße geplant. Obwohl – so natürlich war das nicht, denn zunächst wurde für den kommunalen Schulbau ein Grundstück in der Karpfengasse erworben. Erst nach einigem Hin und Her wurde der Standort direkt neben der Schutzengelkirche in der Hauptstraße beschlossen.

Schulhaus in Brühl im Frühjahr 1883 fertiggestellt

Im Frühjahr 1883 begannen die Vorarbeiten und etwas mehr als ein Jahr später war das erste kommunale Schulhaus fertig – konfessionelle Schulen gab es wie erwähnt schon früher, aber die sind mit der damals neuen Bildungsstätte der politischen Gemeinde nicht zu vergleichen. 1884 waren 280 Kinder in Brühl schulpflichtig. Den Unterricht im Schulhaus an der Hauptstraße erteilten die Hauptlehrer Ludwig Brehm, Friedrich Becker und Unterlehrer Jakob Bender. Eine Schulvisitation berichtet zwar, dass die Leistungen der Kinder in „einem allgemein ziemlich guten Stand seien“, doch „zwei Klassen sind nur als hinlänglich zu bezeichnen“.

Die Gemeinde wuchs weiter an Einwohnern und damit die Zahl der schulpflichtigen Kinder. Bereits 1896 sah sich die Gemeinde genötigt, den Bau eines weiteren Schulhauses in die Wege zu leiten. Das – so sollte es später genannt werden - Mittlere Schulhaus wurde in direkter Nachbarschaft zum Alten Schulhaus errichtete. Dafür hat die Gemeinde immerhin rund 50.000 Mark bezahlen müssen.

Das Gasthaus "Zum Ochsen" steht seit 1734 am Beginn der Hauptstraße - heute heißt es "Ratsstube". Das Bild stammt aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. © Heimatverein Brühl

Aber zurück ins 18. Jahrhundert. Damals fanden sich auf den 50 bebauten Grundstücke auch alle weiteren Einrichtungen, die für eine Dorfgemeinschaft wichtig waren: Ein „gemeines Wachthauß mit Gefängnis“ und immerhin fünf Wirtshäuser. Das weist das „Laager Buch der Gemarckung Brühl verfertigt Anno 1771“ bis heute schwarz auf weiß aus.

Einziges bauliches Überbleibsel aus diesem 18. Jahrhundert, als Brühl ab 1709 nicht mehr anteilig dem Speyerer Bischof und dem Kurfürsten in Heidelberg gehörte, sondern komplett in den Besitz der Kurpfalz übergegangen war, ist das ehemalige Gasthaus „Zum Karpfen“. 1702 erbaut, steht es heute noch an der Ecke Haupt- und Schwetzinger Straße und ist das älteste erhaltene Gebäude von Brühl.

1800 erhält die Brühler Hauptstraße ihren heutigen Namen

Wohl im Zusammenhang mit dem Ausbau der Neugasse und der Görngasse im Jahr 1800 erhielt die Hauptstraße dann ihren aktuellen Namen. Schließlich fanden sich inzwischen schon einige Gassen mehr in Brühl, so dass wegen der wichtigen Bedeutung der bisherigen Dorfgasse die Beförderung nicht nur zur Straße, sondern sogar zur Hauptstraße, eigentlich eine Selbstverständlichkeit gewesen sein sollte – Cui honorem, honorem, also Ehre, wem Ehre gebührt.

Die Schaltzentrale einer Gemeinde ist das Rathaus – und das findet sich in Brühl damit ebenfalls in der Hauptstraße. 1866 – Brühl war da schon seit über 60 Jahren Teil des Großherzogtums Baden – wurde der Verwaltungssitz eingeweiht. Zuvor hatten die Brühler Schultheißen, deren Liste sich bis 1606 zu Balthasar „Barthel“ Schirmer zurückverfolgen lässt, ihre Amtszimmer in ihren Privathäusern – zumeist standen die entlang der heutigen Hauptstraße.

Übrigens: Bezieht man diese Liste in die Reihe der Gemeindeoberhäupter ein, dann ist nicht mehr der aktuell amtierende Bürgermeister Dr. Ralf Göck derjenige mit den meisten Amtsjahren, sondern Hans Georg Schirmer, der von 1617 bis 1652 Schultheiß war. An diesen Rekord wird Göck erst zum Ende seiner derzeit laufenden Amtszeit nahe herankommen, reißen wird er ihn nicht mehr.

Das Brühler Rathaus in der Hauptstraße wurde 1866 gebaut und seitdem immer wieder erweitert, doch der Altbau ist bis heute erkennbar. © Heimatverein Brühl

Im Bezirksamt nahm man 1865 die Planung eines eigenen Rathauses für die rund 900 Einwohner von Brühl „mit großem Vergnügen“ zur Kenntnis. Also wurde im Folgejahr schon mit dem Bau begonnen. Und bis heute sind Teile dieses ersten Rathauses rund um den Haupteingang des aktuellen Verwaltungsgebäudes zu finden, auch wenn es im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrfach umgebaut wurde und – zuletzt 1991 - immer weiter in Richtung Kirchenstraße wuchs.

Und natürlich fand sich einst auch der Brühler Mess- oder Festplatz in der Hauptstraße. Zwischen den Gasthäusern „Zum Ochsen“ - das 1734 eingeweihte Haus trägt heute den Namen „Ratsstube“ - und „Zum Karpfen“ waren noch bis 1930 die „Reitschul“ und die „Gutselstände“ zur Brühler Kerwe aufgebaut.

Die Brühler Hauptstraße ist also ein Zeugnis für die Entwicklungsgeschichte Brühls und die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu verschiedenen Zeiten. Dort wird seit Jahrhunderten gelebt, gebetet, gefeiert und verwaltet. Demnach: Glückwunsch zur Beförderung vor 225 Jahren.

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