Brühl. Im Real-Markt muss man am Montag durch lange Reihen abgesperrter und durchweg leerer Regale laufen, um im Bereich, der bislang frischer Ware vorbehalten war, endlich auf letzte Angebote zu stoßen. „Alles muss raus“ heißt es seitens des Unternehmens, das den Supermarkt im Norden der Gemeinden nun endgültig schließt. „Eigentlich soll an diesem Dienstag unser letzter Verkaufstag sein, aber es ist die Frage, ob wir dann überhaupt noch öffnen – wir haben einfach keine Ware mehr“, sagt eine Mitarbeiterin am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung.
Der Abgesang auf den Supermarkt sorgt für viel negative Stimmung – nicht nur bei den Kunden, die sich bisher auf „einmal hin – alles drin“ verlassen haben. Viele Mitarbeiter des Marktes kämpfen mit den Tränen, wenn man sie auf ihre persönliche Zukunft anspricht. Offensichtlich mehr als die Hälfte von ihnen hat – auch laut Auskunft des Betriebsrats – keine neue Beschäftigung gefunden. Diese Mitarbeiter hängen nach wie vor beruflich in der Luft.
„Ich bin froh, dass ich jetzt noch rechtzeitig meine Rente durchbekommen habe“, sagt eine frühere Mitarbeiterin, die unter den verschiedenen Arbeitgebern des Einkaufszentrums seit Jahrzehnten dort beschäftigt war – aber die Emotionen bleiben auch bei der Abschiedstour bei den früheren Kollegen nicht ungesehen. Sie fällt vielen früheren Kollegen, die noch nicht wissen, wohin die Reise geht, in den Arm. Auch zu den Mitarbeitern der bisherigen Mall verabschiedet sie sich auf diese herzliche Weise.
Eine deutlich jüngere Kollegin neben ihr zeigt da sich nur noch deprimiert. „Ich versuche, jetzt aus dem Einzelhandel rauszukommen“, meint sie, denn in den vergangenen Wochen, seit die Rabatte für den Real in Brühl beworben worden seien, wären die meisten Kunden unerträglich geworden. Aber die Stellen im Einzelhandel sind knapp.
Der Job mache keinen Spaß mehr, betont sie. Viele sogenannte Schnäppchenjäger hätten seit Anfang Mai schlichtweg auf Prozente von 80 Prozent bestanden. Selbst wenn man sie darauf hingewiesen hätte, dass die deutlich niedrigeren Reduzierungen der Ware im Einzelnen zum Ausverkauf von der Metro-Zentrale auf den Cent genau festgelegt worden seien, habe man als Real-Mitarbeiter oft heftigste Beschimpfungen gehört. So hieß es, dass man nun tatsächlich verstehe, warum man mit diesem Personal Pleite gemacht habe. „Ich hoffe, dass ihr mit dieser Einstellung keine neuen Jobs bekommt“, sei in den vergangenen Wochen immer wieder zu hören gewesen, berichtete eine weitere Mitarbeitern mit dem blau-roten Kittel. Kolleginnen nebenan nicken zustimmend.
„Wir wurden von zahlreichen Kunden seit der Rabattaktion zum Ausverkauf wie der letzte Dreck behandelt“, sagt eine Kassiererin im Gespräch mit unserer Zeitung, „ich bin eigentlich schon froh, dass diese Zeit vorbei ist, auch wenn ich noch nicht weiß, wie es weitergeht – so aber jedenfalls nicht.“
Jedes Mal habe man als Mitarbeiter den einzelnen Schnäppchenjägern erklären müssen, dass die Rabatte durch das Computersystem automatisch und erst beim Endbetrag erfasst würden. „Wir wurden dann immer wie der letzte Dreck behandelt“, sagt eine erfahrene Real-Mitarbeiterin, für die jetzt der letzte Tag in der Beschäftigung an einer der Kassen war.
„Stammkunden haben sich ganz anders verhalten“, sagt eine weitere Kassiererin, „aber die anderen, die rücksichtslosen Leichenfledderer, die die Mehrheit bilden und nur nach günstiger Ware gieren, die sind wirklich das Letzte gewesen“, sagt sie frustriert – für sie sei man lediglich der Fußabtreter des Abverkaufs gewesen. Habe man im Preis nicht unter den von der Zentrale vorgegebenen Rabatt gehen können, wären oft Sätze zu hören gewesen, wie, dass man den Mitarbeitern bei dieser Arbeitseinstellung keinen neuen Arbeitsvertrag gönne. „Wir mussten hier die Entscheidungen der Zentrale vor Ort austragen – in einer Situation, in der wir selber nicht wussten, wie es für uns persönlich weitergeht – das ist einfach nicht mehr erträglich, sagt eine Mitarbeiterin, „diese Kunden sind derzeit wie Hyänen“.
Und auch die Unternehmer, die teilweise schon Jahrzehnte in der Einkaufsmall ihre Geschäfte haben, kämpfen mit den Tränen der Wut. „Das ist so frustrierend, dass irgendeine Mitarbeiterin des Vermieters kommt und ohne jede Beziehung zu uns sagt, was alles noch unbedingt renoviert werden muss – da gibt es kein Wort des Dankes für die ewig lange Zusammenarbeit, da geht es nur um Zahlen “, berichtet exemplarisch eine Unternehmerin, die dort bislang Pächterin eines Geschäfts war. Dann bricht sie das Gespräch mit unserer Zeitung ab – die Gefühle suchen Ausbruch in Tränen.
„Das ist einfach alles scheiße“, zeigt sich ein anderer Pächter erzürnt. „Ich habe vor wenigen Jahren hier bei der Übernahme des Ladens viel Geld investiert – und jetzt? Nix mehr!“ Andere Geschäftsinhaber in der Mall haben zwar eine Perspektive, weil sie umziehen, „aber unsere Stammkunden haben wir verloren“, prognostizieren sie.
Keine Frage: Die Schließung des Real-Marktes sorgt nicht nur für emotionale Probleme. Auch wirtschaftlich haben viele Familien am Beschluss des Metro-Konzerns, die Supermarktkette zu schließen, zu knabbern. „Wir sind zwar mit Kind und Kegel zu einer großen Abschiedsfeier ins benachbarte Zirkuszelt eingeladen worden“, sagt eine Mitarbeiterin mit bebender Stimme, „aber das bringt uns doch nachhaltig absolut nichts, rein gar nichts – wir sind den Konzernen schlichtweg egal.“
Der neue Pächter, der Edeka-Konzern, sagt auf unsere Nachfrage, er stehe mit dem Vermieter im Austausch und prüfe gegebenenfalls ob man das Einkaufszentrum auch etwas früher anmieten können“, berichtet Florian Heitzmann, Pressesprecher der Edeka Handelsgesellschaft Südwest auf unsere Nachfrage. „Ab Start des Mietverhältnisses werden wir den Markt in einer Schließ- und Umbauphase umfassend modernisieren, auf den aktuellen Stand der Technik bringen sowie in Bezug auf Aspekte der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zeitgemäß ausrichten“, zeigt er die weitere Planung auf.
„Wie für jeden Standort planen wir auch für Brühl ein individuelles Konzept, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Kunden vor Ort mit umfangreichem Sortiment und zeitgemäßen Einkaufserlebnissen. Damit werden wir alle Stärken des Edeka-Vollsortiments entfalten: Angefangen bei der großen Auswahl frischer Lebensmittel über bekannte Marken, beliebte Edeka-Eigenmarken und Artikel auf Discount-Preisniveau bis hin zu kompetenter Beratung an den Bedientheken für Fleisch, Wurst, Käse und Fisch. Schwerpunkte legen wir auf Bioprodukte, hausgemachte Spezialitäten und eine Vielzahl an regionalen Erzeugnissen.
„Wir bitten Sie jedoch um Verständnis, dass wir Ihnen hierzu sowie zum Zeitplan derzeit keine detaillierteren Informationen geben können“, so Heitzmann abschließend.
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