Brühl. Inklusion und Barrierefreiheit im Ort – geht das? Aber ja! Rudi Bamberger, Behindertenbeauftragter der Gemeinde Brühl, zeigt zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen an diesem Samstag, 3. Dezember, dass mit Kleinigkeiten allen auch lokal demonstriert werden kann, dass sie willkommen sind. Sei es durch einen speziellen Lift am Beckenrand von Frei- und Hallenbad oder die öffentliche Behindertentoilette am Messplatz.
In Deutschland hat jeder Mensch das Recht, dabei zu sein – egal, ob auf der Arbeit, beim Sport oder im Theater. Ob alt oder jung, behindert oder nicht, jeder darf und soll am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Das ist sogar im Grundgesetz festgeschrieben, in Artikel drei heißt es: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.
Bamberger will vor Ort zeigen, welche Möglichkeiten fast überall bestehen, legt allerdings bei diesem Rundgang mit unserer Zeitung den Fokus auf den Ortsteil Rohrhof, der einige positive Überraschungen bereithält. In der Optikerfiliale von Brillen Meyer in Rohrhof ist von Thomas Stauffer vor drei Jahren die eine Stufe, die zum Laden führt, durch eine Rampe aus Metall auch für Rollstuhlfahrer überwindbar geworden. Das schätzt Bamberger als Kunde besonders. Stauffer hatte überlegt, wie die Stufe umgangen werden kann. Von Bamberger hatte er dann erfahren, wo es entsprechende Hilfsmittel gibt, und hat sie prompt umgesetzt.
Inklusion bedeutet nicht, bestimmten Menschen oder Gruppen Vorteile oder besondere Leistungen einzuräumen. Vielmehr bedeutet es, dass jeder an der Gesellschaft teilnehmen kann und jeder etwas davon hat, wenn Inklusion weiter vorangebracht wird. Wenn – wie in diesem Beispiel – Treppen leichter überwunden werden können, haben Menschen mit Kinderwagen, ältere Mitbürger oder Personen mit Behinderungen die Chance, viel besser am sozialen Leben teilnehmen.
Barrierefreiheit muss dabei gar nicht teuer sein, freut sich Bamberger. Das Brühler Unternehmen Giese Metallbau fertigte damals für Optiker Stauffer die entsprechende Rampe für unter 150 Euro an. Heute müsse man zwar durch die steigenden Rohstoffpreise vom Doppelten ausgehen – doch auch das sei deutlich vertretbar. Es sei ein einfach, aber effektives Mittel, das die Kunden, die darauf angewiesen sind und von denen es in Rohrhof einige gibt, sehr schätzen.
Abhilfe muss nicht viel kosten
Die Rampe in der Optikerfiliale kann einfach abgebaut werden, damit sie nicht die Einfahrt blockiert. Ein entsprechendes Schild zeigt den Kunden aber immer, dass das Hilfsmittel existiert. Die meisten Rollstuhlfahrer wüssten aber schon von der Rampe und meldeten sich laut Stauffer vorher an.
Seit 15 Jahren muss Deutschland barrierefrei sein und es sei wichtig, dass dies auch in kleineren Ortschaften geschehe, so Bamberger. Auch vor der Bäckerei Utz lässt sich eine Rampe finden. Im Rahmen des Umbaus wurde der Boden vor dem Eingang angehoben und so der Zutritt für alle erleichtert. Die Rampe kommt durch die Pflasterung ganz unauffällig daher.
Neben der Bäckerei befindet sich die Rohrhof-Apotheke. Seit über 20 Jahren hat Besitzer Klaus Renkert eine Klingel für Rollstuhlfahrer am Eingang seines Geschäftsraumes. Da es bei Renkert nur eine Stufe gibt, hilft das Personal, wenn geklingelt wird, diese Barriere zu überwinden. Ist das zu kompliziert, werden die Medikamente nach draußen gebracht. Ein Service, den es auch braucht, da seine Medikamente für Menschen lebensnotwendig sein können. Er war mit dieser Klingel einer der Ersten. „Und auch das ist gar nicht teuer, bietet sich bei unüberwindbaren Stufen aber bestens an“, ist Bamberger überzeugt.
Die Menschen im Ort zeigten sich hilfsbereit. Sie hielten oft an und fragten, ob sie helfen können. Das alltägliche Leben sollte so barrierefrei wie möglich sein, deshalb sei laut Bamberger wichtig, das solche essenziell wichtigen Läden dies ermöglichen.
Neben der Apotheke schließt sich auch die Sparkasse an. Diese empfängt alle Kunden mit automatischen Türen und Tresen sowie Geldautomaten, die auch für Rollstuhlfahrer auf Augenhöhe sind, was noch nicht überall selbstverständlich sei, meint der Behindertenbeauftragte. Die Sessel seien ebenfalls so angebracht, dass ein Mensch im Rollstuhl nicht das Gefühl bekomme, dass man auf ihn herabschaue.
Gibt es dennoch Barrieren wie bei vielen alten Häusern, gilt es zu lernen, damit umzugehen und diese mit kleinen technischen Ideen zu entschärfen. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise auch Videoklingeln, falls das Personal einen nicht direkt sehen könne, findet Bamberger.
Machen, einbringen, ändern
Ein positives Praxisbeispiel im Bereich Wohnen, zeigt Wolfgang Eppel in der Wormser Straße. Wegen seiner Multiple-Sklerose-Erkrankung (MS), ist er auf den Fahrstuhl angewiesen, doch um ihn zu erreichen sind zunächst einige Treppen zu überwinden. Also ließ er sich 2011 einen Treppenlifter einbauen, mit dem er zum Fahrstuhlzugang im Keller kommen kann. Diesen hatte er bei der Rentenversicherung beantragt und auch bezahlt bekommen. Normalerweise kosten diese etwa 16 000 Euro, erzählt er Bamberger, den er seit zehn Jahren kennt.
Echte Erfolgsgeschichten
Am Auf- und Abgang gibt es Rufstationen für den Lifter. „Dessen Einbau und die Umrüstung meines Autos haben es mir ermöglicht, sieben Jahre länger zu arbeiten. Ich bin sehr froh, dass es das gibt“, zeigt Eppel sich dankbar. Außer Eppel nutzt noch eine Familie mit einem behinderten Sohn den Aufzug. Die Metallrampe, die derzeit noch die erste Stufe ins Haus zu überwinden hilft, soll bald entfernt und der Zugang angepasst werden, denn im Zuge von Sanierungsarbeiten müssen Gebäude barrierefrei umgebaut werden.
Bei Netto im Rohrhof könne ohne Probleme eingekauft werden, lobt Bamberger. Interessant ist für ihn auch das McDonalds, das damals erste behindertengerechte Geschäft in Brühl. Bambergers Arbeit zahlt sich aus, er ist bekannt, aktiv und bewirkt etwas. Er hält Vorträge, klärt auf und ist mittlerweile ein echtes Vorbild, wie man mit kleinen Mitteln viel erreichen kann. Bamberger will die Menschen ermutigen. „Ihr könnt etwas machen, bringt euch ein, ändert etwas“, gibt er uns mit auf den Weg.
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