Brühl. Wenn der meteorologische Frühling naht, nimmt alljährlich die vom Land Baden-Württemberg betriebene Kollerfähre, die zwischen den beiden Brühler Rheinufern und der Kollerinsel verkehrt, ihren Betrieb wieder auf. „Derzeit wird viel zum Thema Kollerfähre und deren Ende des Jahres 2021 auslaufende Finanzierung durch das Land Baden-Württemberg spekuliert“, heißt es in einer Pressemitteilung des Rhein-Neckar-Kreises. Darin wird auch festgestellt, dass der Fährbetrieb nach Ansicht von Landrat Stefan Dallinger auch in Zukunft in Regie des Landes beibehalten werden müsse. „Denn die als hoheitlich-öffentlich-allgemein zu sehende Rheinquerung hat sie nicht nur eine vielhundertjährige Geschichte, vielmehr war die heutige Landesstraße L 630 mit der zugehörigen Kollerfähre immer eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen zwei Ländern“, wird der Landrat zitiert.
Für eine geschichtliche Untersuchung hat das Kreisarchiv eine große Menge an relevanten Quellen und Literatur eingesehen, sowohl im Landesarchiv Baden-Württemberg, als auch im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Landesarchiv Speyer. Wie diese historische Nachforschungen des Kreisarchivs Rhein-Neckar-Kreis ergaben, dürfe nämlich die Kollerfähre heute nicht nur als alleiniges Fahrmittel zur Kollerinsel gesehen werden, sondern „sie war und ist immer Teil beziehungsweise Glied eines länderübergreifenden Verkehrsweges“, wird in der Mitteilung unterstrichen.
Einst fuhr sie bei Ketsch
Dabei befand sich die Rheinquerung ursprünglich gar nicht an der heutigen Stelle. Sie entstand erst durch die Verlegung des seit mehreren Jahrhunderten bestehenden Rheinübergangs zwischen den Gemeinden Ketsch und Otterstadt als unmittelbare Folge der Rheinbegradigung von 1833. Die Rheinkorrektion durch Johann Gottfried Tulla veränderte die Wegebeziehungen und es war, nachdem Ketsch nun zu weit vom regulären Flussbett entfernt lag, notwendig, die topographisch-infrastrukturellen Bedingungen dem neuen Flusslauf anzupassen, heißt es aus dem Landratsamt.
Verlegung der Überfahrt
Dazu seien auf badischer Seite intensive Voruntersuchungen und Gutachten der Behörden von Kreisregierung Mannheim, Bezirksamt Schwetzingen, Hofdomänenkammer Karlsruhe, Domänenverwaltung Mannheim, Domänenverwaltung Heidelberg, Wasser- und Straßenbauinspektion Mannheim bis hin zur Oberdirektion Wasser- und Straßenbau Karlsruhe notwendig gewesen. Andererseits brauchte es die Übereinkunft mit der bayerischen Regierung des Rheinkreises in Speyer – die Pfalz gehörte damals zum weiß-blauen Königreich – die sich auf Grundlage der Abkommen mit Baden zur Rheinbegradigung am 10. Juli 1834 offiziell verpflichtet hatte, einen Verbindungs- beziehungsweise Fahrweg von Otterstadt zur Rheinüberfahrt anzulegen, „um durch zweckmäßige Verlegung der besagten Ketscher Überfahrt nach Brühl die Communication der zwischen Speyer und Mannheim gelegenen Orte herzustellen und für die Folge zu sichern.“
Auf dieser Grundlage sei der knappe Erlass des großherzoglichen Ministeriums der Finanzen vom 5. August 1834 erfolgt, mit dem es die nachgeordnete Hofdomänenkammer zur Verlegung der „aerarischen Rheinüberfahrt“ anwies. So heißt es in den vom Landkreis ans Tageslicht geholten Dokumenten aus jener Zeit: „Gr[oßherzoglicher] Hofdomainenkammer unter Wiederanschluß der Acten zu erwidern: Die als notwendig erkannte Verlegung der seither bei Ketsch bestandenen ärarischen Rheinüberfahrt nach Brühl wurde genehmigt und zugleich dorthin überlassen, zur Ausführung derselben in der angetragenen Weise die nötige Einleitung zu treffen.“
Bis die Rheinüberfahrt, in den Quellen immer wieder als „fliegende Brücke“ bezeichnet, reibungslos funktionierte, seien weitere Jahre ins Land gegangen, stellen die Mitarbeiter des Kreisarchivs fest. Auf badischer Seite sei ein Weg zum Überfahrtspunkt herzurichten, die Wiesenbesitzer – nicht alles für die Straße benötigte Land gehörte dem Staat – seien zu entschädigen gewesen, das „Geschirr“, also die zur Überfahrt notwendigen Nachen und Seile und ähnliche Ausrüstungsgegenstände, mussten vom alten Ketscher Übergang nach Brühl transferiert und neue Pächter für die Inbetriebnahme „der Fahrt“ gefunden werden.
Viele Güter passieren den Fluss
Auf bayerischer Seite verzögerte sich die zugesagte Einrichtung des Fahrweges von Otterstadt an den Überfahrtspunkt aus verschiedenen Gründen immer wieder. Doch sollte die Rheinüberfahrt mittelfristig dazu dienen, den Warenverkehr zwischen Bayern und Baden nach der Gründung des Zollvereins, der die bis dahin bestehenden Binnengrenzen abschaffte, zu beleben. Gleichfalls war aber das Interesse der Domänenverwaltung, die die Kollerinsel bewirtschaftete, groß, kurze Wege zu links- und rechtsrheinischen Absatzmärkten offenzuhalten.
Zwar verlagerten sich später die Güterverkehre teils auf die neuen Rhein-Dampfschiffe sowie die Eisenbahn, auch über die Wege von Brühl an die Überfahrtsstelle gab es auseinandergehende Ansichten. Trotzdem hielt das badische Finanzministerium 1863 in einer Art Kompromiss fest, dass zwar der ursprüngliche Weg kein öffentlicher mehr war, aber „die fliegende Fähre über den Rheindurchschnitt weiterhin eine öffentliche Überfahrtsanstalt“ blieb, zu der hin alle anderen vorhandenen Feldwege frei von allen genutzt werden konnten, die auf das rheinbayerische Ufer übersetzen wollten.
Interessanterweise wurde in der Folge seitdem oft nur noch verkürzend von der Kollerfähre gesprochen. Der lange Zeit gebräuchliche Terminus der „fliegenden Brücke“ trat in den Hintergrund, besonders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitere leichte Bedeutungswechsel infolge neu hinzukommender Nutzungen vorkamen. Die Forst- und Domänendirektion als Nachfolgerin der Hofdomänenkammer gründete 1903 mit drei Brühler Ziegeleibesitzern vertraglich eine Fährgenossenschaft, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bestand.
Bestandteil der Wegeverbindung
Überwiegend wurde die Fähre zu der Zeit zum Transport von Ton genutzt. Die Domänenverwaltung hatte aber nach wie vor das Eigentum an der Fähre, zahlte notwendige Reparaturen und die großherzogliche Regierung erließ den wirtschaftlich darniederliegenden Firmen gegen Ende des Krieges die anteiligen Kostenverpflichtungen. Gleichwohl war die uneingeschränkte, allgemeine Rheinüberfahrt für Dritte nach Tarif noch immer möglich. Gleiches gilt auch für die Zeit während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit bis heute.
„Bereits durch die Inbetriebnahme der neuen Kollerüberfahrt im Dezember 1835, die auf der Grundlage und in Umsetzung des Erlasses vom 5. August 1834 erfolgte, wurde diese neue Kollerüberfahrt schlüssig als Bestandteil der Wegeverbindung von Otterstadt nach Brühl und weiter nach Schwetzingen gewidmet“, stellen die Historiker des Kreises eindeutig fest.
Auf dieser Verbindung verlaufe inzwischen die Landesstraße L 630. Die Zuständigkeit für die Unterhaltung der Kollerüberfahrt lag im Jahr 1835 und danach stets bei der öffentlichen Hand. „Daher war die Kollerfähre schon vor dem Inkrafttreten des baden-württembergischen Straßengesetzes am 1. Juli 1964 Bestandteil der Straßenverbindung im Zuge der jetzigen L 630“, lautet die Schlussfolgerung in der Presseerklärung, „hieran hat sich bis heute nichts geändert“.
So sei es nur folgerichtig, dass in der zentralen Bauwerksdatenbank der Straßenbauverwaltung die Fähre mit einer eigenen Bauwerksnummer verzeichnet und dort das Land Baden-Württemberg als Baulastträger aufgeführt sei, heißt es aus der Heidelberger Behörde, die damit das Land in Pflicht sieht, auch künftig die Kosten für die Kollerfähre alleine zu tragen und nicht, wie manchmal vorgeschlagen, Anteil von Kommune oder Landkreis zu fordern.
Pendeldienst wird wieder aufgenommen
Es geht für die Kollerfähre wieder hin und her. Ab Mittwoch, 17. März, bis Ende Oktober verkehrt die Kollerfähre zwischen dem rechts- und dem linksrheinischen Gemarkungsteil von Brühl. Während der Hauptsaison – das ist von Anfang April bis Ende September – setzt der Fährmann von 10 bis 19.30 Uhr über.
In der Vor- beziehungsweise der Nachsaison, also im März und Oktober, sind die Betriebszeiten der Kollerfähre von 10.30 bis 15 Uhr. Je nach Witterung wird an ausgewählten Tagen der Fährbetrieb in den Abendstunden auch spontan verlängert, heißt es in einer Pressemitteilung. Montags und dienstags findet kein Fährbetrieb statt. Ausnahmen dieser Regeln sind die Feiertage, die auf Montag oder Dienstag fallen, beispielsweise der Ostermontag. Dann gelten die ansonsten üblichen Zeiten. Die Mittagspause für das Team des Bootes ist jeweils zwischen 12 und 12.30 Uhr. Die Fährtarife –1 Euro für Fußgänger, 1,50 für Radler und 4,50 Euro für Autos - bleiben unverändert.
Das Amt Mannheim und Heidelberg des Landesbetriebes Vermögen und Bau Baden-Württemberg hat die Fähre über die Winterzeit auf einer Werft verschiedenen Wartungsarbeiten unterzogen, so dass sie jetzt voll einsatzfähig ist. ras
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