Brühl. Das Bundesverfassungsgericht hat die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen der Bundesregierung vom Frühjahr dieses Jahres als verhältnismäßig bewertet. Beschwerden gegen die Bundesnotbremse wurden zurückgewiesen. Zugleich haben die neue und die alte Regierungsspitze zusammen mit den Ministerpräsidenten über die Verschärfung der geltenden Vorgaben zur Einschränkung von Corona gesprochen.
Der Brühler Veranstaltungskalender ist derzeit entsprechend von vielen Terminverschiebungen beherrscht. Und mittenrein beginnt der Vorverkauf für die Kleinkunstevents zu Anfang des nächsten Jahres. Ob das ein Widerspruch ist, darüber sprechen wir mit dem Brühler Kulturverantwortlichen Jochen Ungerer.
Sie haben bereit vor einigen Tagen die geplanten Dezember-Veranstaltungen verschoben, obwohl sie eigentlich zu diesem Zeitpunkt laut geltender Verordnung hätten stattfinden dürfen . . .
Jochen Ungerer: Jein. Die schon geltende Vorschrift hätte neben 2Gplus zudem eine nur 50-prozentige Auslastung der Hallenkapazität erlaubt. Das war nach den bereits verkauften Karten nicht möglich, denn ich möchte nicht aussortieren müssen, wer zum ursprünglich angesetzten Termin kommen darf und wer nicht. 2Gplus hätten wir auch noch mitgetragen – wir haben ja schon früh 2G propagiert, als es noch nicht gefordert wurde. Aber bei 50 Prozent Auslastung? Wenn ich etwa wie bei Lars Reichow 300 Karten verkauft habe, hätten wir 100 Gästen sagen müssen, dass sie nicht kommen dürfen. Und das geht einfach nicht.
Deswegen haben Sie die Termine verschoben – war das schwierig?
Ungerer: Mit den meisten potenziellen Besuchern überhaupt nicht. Wir haben alle angerufen oder per E-Mail kontaktiert. Die Resonanz auf die Verschiebung war durchweg positiv. Viele fanden es sogar gut, dass wir ihnen die Entscheidung abgenommen haben, ob sie die Karten wegen des Gesundheitsrisikos zurückgeben sollen.
Die gekauften Karten behalten also ihre Gültigkeit?
Ungerer: Ja. Und das war den Menschen auch lieber, wenn die Ersatztermine noch im ersten Halbjahr 2022 stattfinden. So wissen sie, dass sie auch dann im Frühjahr ihre guten Sitzplätze behalten werden. Aber es gab natürlich auch manche, die gesagt haben, dass sie wegen Terminüberschneidungen ihre Karten lieber zurückgeben wollen – auch das ist kein Problem.
Sie scheinen mit den Beschlüssen wegen Corona nicht unbedingt zu hadern – warum?
Ungerer: Es geht uns schon immer vorrangig um die Sicherheit aller an den Veranstaltungen Beteiligten – vom Besucher und vom Personal bei der Eingangskontrolle über die Technik bis hin zum Thekendienst. Das steht ganz eindeutig an Nummer eins. Gesunderhaltung steht vor allen anderen Aspekten. Was nützt es mir, wenn ich wirtschaftlich einen Ertrag habe und am Ende sind alle Beteiligten krank – das brauche ich nun wirklich nicht. Und das sehen auch die Künstler so. Lars Reichow beispielsweise hat sich über unsere Veranstaltungsseite auf Facebook zu Wort gemeldet und hat seinerseits um Verständnis gebeten, dass seine Veranstaltung abgesagt worden ist. Er jedenfalls freut sich demnach auf den Zusatztermin.
Im Frühjahr war bereits bei viel niedrigeren Werten ein Stopp für Veranstaltungen verkündet worden – ist man jetzt zu spät dran?
Ungerer: Im Frühjahr ist man noch von ganz anderen Daten ausgegangen. Und bis vor Kurzem hat man gedacht, dass uns der Status „geimpft“ weiterhilft. Weil uns 30 Prozent der Bevölkerung aber nun einen Riegel davorschieben, weil sie sich nicht impfen lassen, müssen nun alle drunter leiden. Das zeigt mir, dass da irgendwas nicht mehr stimmt. 70 Prozent zeigen durch die Impfung, dass sie solidarisch sind, viele andere haben vielfach irgendwelche kruden Vorstellungen. Und gerät nun die ganze Bevölkerung in Mitleidenschaft. Hätten wir durch eine höhere Impfquote die sogenannte Herdenimmunität, müssten wir uns hier und jetzt keine Gedanken mehr machen – auch wenn der Impfstoff früher als ursprünglich angedacht wieder geboostert werden muss. Es geht mir auf den Keks, dass immer noch die Probleme der „armen Nichtgeimpften“ im Mittelpunkt stehen – das wird auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt.
Ist es trotzdem sinnvoll, in dieser Phase der Verschiebungen in den Vorverkauf fürs nächst Jahr zu gehen?
Ungerer: Ja. Ich kann zwar nicht garantieren, dass die Veranstaltungen an diesem Termin stattfinden. Aber: Sie werden irgendwann stattfinden. Man muss schließlich positiv in die Zukunft schauen. Wenn es dann vielleicht wieder losgeht, wird eventuell die Vorverkaufsfrist zu kurz und ich muss dem Künstler wegen zu wenig im Vorfeld verkaufter Karten absagen. So kann ich feststellen, dass etwa bei Tobias Mann im Januar viel Interesse da ist, weil viele Karten reserviert worden sind. Ob es dann auch tatsächlich stattfinden kann, sehen wir dann.
Was heißt, dass man Karten reservieren kann?
Ungerer: Man kann sich seinen Platz reservieren ohne die Karte auch wirklich schon im Vorfeld bezahlen zu müssen. Die Plätze sind dann bis zu einem festen Termin vorgeplant und wenn es ernst wird, rufen wir die Leute an und teilen ihnen mit, dass sie sich jetzt entscheiden müssen, ob sie kommen wollen oder nicht. Wir können dadurch die Besucherzahlen frühzeitig abschätzen. Mit dem Kartenkauf können die Gäste die Künstler unterstützen, denn letztlich geht es darum, dass die ihr Geld verdienen können. Deswegen nehmen wir – mein Team und ich – die Mehrarbeit in Kauf. Wir wollen mit Vorverkauf und Kulturkalender auch ein Zeichen setzten, dass bessere Zeiten kommen. Und wenn unsere Planung bis in den Sommer nicht aufgeht, haben wir zumindest alles Mögliche getan, um einen Ausgleich zwischen Wünschenswertem und Sinnvollen zu schaffen.
Und Sie haben offensichtlich nicht weniger geplant als in vorherigen Jahren, oder?
Ungerer: Nein, überhaupt nicht. Vor allem, weil sich das Verschobene immer mehr ballt. Es gibt jede Menge in der Festhalle und in der Villa Meixner zu erleben.
Ist es schwierig, mit den Künstlern einen Ausweichtermin zu finden?
Ungerer: Ja. Die bundesweit bekannten Künstler warten nicht unbedingt darauf, was in Brühl passiert. Aber sie wissen, was wir versuchen, möglich zu machen. Da findet sich dann irgendwie ein Termin. Nicht unbedingt ein Donnerstag, wie in Brühl üblich – aber das ist dann letztlich egal. Hauptsache ist, dass die Künstler nicht eine Woche vorher in einer Nachbarkommune aufgetreten sind. Dann geht es darum: Kann man das Programm überhaupt noch spielen. Das Weihnachtsprogramm von Christian Habekost läuft sicher nicht an Ostern überzeugend. Liese-Lotte Lübke wird bei uns bereits das dritte Mal verschoben. Aber wir wollen trotzdem positiv in die Zukunft schauen und diesen Künstlern zeigen, dass wir sie da haben wollen, auch, weil sie letztlich auf die Einnahmen angewiesen sind. Ohne eine Perspektive hängen diese Künstler in der Luft. Und ohne sie wird die Vielfalt der Kleinkunst der große Verlierer der Pandemie sein.
Kulturkalender
In der Festhalle soll am Donnerstag, 27. Januar, Tobias Mann auftreten. Am Donnerstag, 17. Februar, ist Bernhard Hoëcker dort zu Gast. Ingo Oschmann will am Donnerstag, 17. März, in der Festhalle das Publikum begeistern. Jörg Knörr tritt dort voraussichtlich am Donnerstag, 31. März, auf. Katie Freudenschuss will am Donnerstag, 7. April, in der Festhalle auftreten und Pe Werner am Donnerstag, 5. Mai. Thomas Borchert singt am Dienstag, 31. Mai.
Vier Künstler möchten im ersten Halbjahr 2022 in der Villa Meixner auftreten. Liese-Lotte Lübke am Donnerstag, 3. Februar, Murzarella am Donnerstag, 10. März, Heinz Gröning am Donnerstag, 28. April, und Lucy van Kuhl am Mittwoch, 18. Mai.
Karten gibt es im Vorverkauf an der Rathauspforte, Telefon 06202/2 00 30, und – zuzüglich Vorverkaufsgebühr – in der Geschäftsstelle unserer Zeitung, Telefon 06202/20 52 05.
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