Im Interview

Brühler Pfarrerin Melanie Börnig zur Karwoche: „Das ist für mich wahre Liebe“

Die evangelische Pfarrerin Melanie Börnig sieht hinter dem Kreuz das Licht des Ostermorgens schimmern. Im Interview mit dieser Zeitung spricht sie über das Osterfest und die Karwoche.

Von 
Ralf Strauch
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Die Pfarrerin Melanie Börnig erkennt in Judas, der Jesus im Garten Getsemani verrät, eine tragische und zugleich spannende Figur in der Passionsgeschichte. © ekg

Brühl. Die letzte Woche vor Ostern ist als Karwoche bekannt. Sie beginnt mit dem Palmsonntag und endet mit Karsamstag. In dieser Zeit bereiten sich die Gläubigen auf das Osterfest vor – das älteste und höchste Fest der Christenheit. Gläubige gedenken dann dem Leiden und Sterben Jesu sowie der Auferstehung Christi von den Toten. Die Tage sind jeweils einem anderen Teil der biblischen Geschichte gewidmet. An Karfreitag erinnern die Gläubigen an den Tod Christi am Kreuz.

Wir sprachen darüber mit der evangelischen Pfarrerin Melanie Börnig aus Brühl.

Was ist für Sie das wichtigere christliche Fest – Weihnachten oder Ostern?

Melanie Börnig: Als Theologin ist für mich Ostern das wichtigere Fest, denn ohne Ostern würden wir vermutlich auch Weihnachten nicht feiern. Erst durch die Auferstehung Jesu wurde den Menschen bewusst, dass er der Messias ist, den sie erwarteten. Ohne das Wunder der Auferstehung wäre Jesus ein Prophet und Prediger unter vielen gewesen. So wurde deutlich, dass er mehr war als nur ein Mensch. Dass er tatsächlich Gottes Sohn ist.

Warum heißt Karfreitag so, wie er heißt?

Börnig: Dafür muss man sich die Herkunft des Wortes ansehen. Das Wort „Kara“ kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet übersetzt „Kummer“ oder „Trauer“ – weil man sich an Karfreitag an den Kreuzestod Jesu erinnert, der mit viel Kummer und Traurigkeit unter seinen Anhängern einherging, wählte man diese Bezeichnung.

Das Christentum spricht stets von der Liebe – warum muss Christus dann nach vielfältiger Folter einen so qualvollen Tod am Kreuz sterben?

Börnig: Besonders als Jugendliche hat mich diese Fragen stark beschäftigt: Warum musste Christus leiden? Warum gibt es überhaupt Leid in unserer Welt? Warum lässt Gott das zu? Je länger ich mich dann im Studium und später im Berufsleben mit dem Karfreitag beschäftigte, desto deutlicher wurde mir, warum Gottes Liebe für uns auch am Kreuz sichtbar werden kann. Für mich zeigt Jesu Tod am Kreuz, dass es keinen Ort und keine Situation in unserem menschlichen Leben gibt, die Gott fremd wäre. Gott kennt unser Leid, weil er selbst in Jesus Christus am Kreuz gelitten hat. Gott sind unsere Leiden, ist unser Kummer im Leben nicht fremd – er leidet mit. Das ist für mich wahre Liebe. Eine Liebe, die bis in die letzten Dunkelheiten des menschlichen Lebens mit hineingeht und genau dort neue Hoffnung sät.

Wofür steht dabei das Kreuz?

Börnig: Das Kreuzesgeschehen steht für mich für das Leid. Im Kreuz sehe ich das Leid Jesu, aber auch das Leid so vieler Menschen heute. Als Christin leuchtet hinter dem Kreuz aber auch immer das Licht des Ostermorgens, das mir Hoffnung schenkt.

Wird Judas nicht fälschlicherweise als bösartiger Verräter gesehen – immerhin ist er doch ein Werkzeug Gottes, um die Passion und damit letztlich die Auferstehung zu starten?

Börnig: Judas ist in der Tat eine tragische und zugleich eine spannende Figur in der Passionsgeschichte. Jemand hat ihn mal als „tragischen Held“ bezeichnet. Wenn man mit Kindern die Passionsgeschichte entdeckt, dann ist die Szene des Verrats eine, die viele Kinder am meisten beschäftigt. Sie empören sich über Judas: Er verrät seinen Freund Jesus! Das macht man nicht! Das ist falsch! Und ich glaube dieses Urteil der Kinder würde ich auch erst mal teilen: Der Verrat, den er begeht, ist schlimm! Ich finde die Figur des Judas aber auch spannend, weil mich seine Beweggründe interessieren. Warum verrät er Jesus? Ist es Geldgier? Andrew Lloyd Webber stellt die Figur des Judas in seinem Musical „Jesus Christ Superstar“ in ein anderes Licht. Da beschäftigt Judas der Personenkult, der um Jesus entstanden ist, und er hat Angst, dass die Botschaft der Liebe Gottes darin untergeht. Er versteht nicht, dass Jesus die Botschaft ist. Er ringt mit Jesus und letztlich mit sich um die Wahrheit. Steht Judas also vielleicht für die Momente in meinem Leben, in denen ich auch mit mir ringe, mit meinem Gott?

Warum werden in der Nacht auf Sonntag an vielen Orten die Osterfeuer entfacht?

Börnig: Für die Herkunft der Tradition der Osterfeuer gibt es verschiedene Theorien. Ich schließe mich der Deutung an, dass das Osterfeuer mit seinem Licht und seiner Wärme auf Jesus Christus weist, der einmal von sich selbst sagte: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben!“ (Johannes 8,12). Das wird erleb- und erfahrbar am Osterfeuer in der Nacht, das knistert und wärmt, die Dunkelheit erhellt und an dem wir das Licht der Osterkerze entzünden und ihrem Schein, dem Licht der Auferstehung, in unsere Kirchen folgen.

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