Brühl. Die Frauenrunde der evangelischen Gemeinde kommt zweimal im Monat zusammen, um Vorträge aus den Bereichen Literatur, Musik und Geschichte sowie Reiseberichte zu hören. Annegret Wunschmann begrüßte im Gemeindezentrum dieses Mal Kirchenrat i.R. Wolfgang Burkhardt aus Oftersheim, der in seinem mit Bildern und Videos unterlegten Vortrag über die Zeit um 1500 referierte.
Die Gründung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit der Krönung von Otto I. zum Kaiser am 2. Februar 962 stellte er an den Anfang seiner Ausführungen. Die Zeit kurz vor und nach der Jahrhundertwende zeigt außerordentlich große Veränderungen. „Die Erde ist keine Scheibe, aber alles dreht sich um die Erdkugel“, präsentierte der Referent ein Bild des „Behaimschen Erdapfels“ von etwa 1492, dem ältesten erhaltenen Erdglobus der Welt, der heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg ausgestellt ist.
Ab 1490 gibt es im Reich feste Wegestrecken für den Postkutschenverkehr. Verkehr und Buchdruck gehören zusammen. Ohne den Ausbau der Wege gibt es keine schnelle Verbreitung von Flugblättern. Gutenberg erfindet den Buchdruck und entwickelt die Druckerschwärze aus Leinöl, Ruß und Harz. Bankier Jakob Fugger verwendet arabische Zahlen und führt die Null ein. Sein Vermögen steigt bald ins Unermessliche.
Danach kommt der Neubau der Peterskirche in Rom. Die „schönste und größte Kirche der Christenheit“, so Papst Julius II., wird über den Verkauf von Ablassbriefen finanziert. Es gibt die „unglaubliche Angst vor dem Fegefeuer“, erklärte Burkhardt den Reliquienkult und den Ablasshandel. Mit Papst Leo X. beginnt die Reformation. Albrecht von Brandenburg (1490 bis 1545), ein Bruder von Kurfürst Joachim I., wird zum wichtigsten und bekanntesten Gegenspieler Martin Luthers. Kurfürst Friedrich der Weise gründet 1502 die Universität Wittenberg.
Kaiser Maximilian I. baut den Herrschaftsbereich der Habsburger beträchtlich aus. Der Wormser Reichstag von 1495 ist ein Wendepunkt in der europäischen Geschichte. Der Fehdehandschuh zählt nicht mehr. Für Streitigkeiten unter den Fürsten ist das Reichskammergericht zuständig. 1519 stirbt Maximilian. Sein Enkel Karl V. wird von den sieben Kurfürsten zum neuen Kaiser gewählt. Er will in seinem Reich nur eine Kirche. Luthers 95 Thesen spalten das Land, Papst Leo X. droht mit dem Kirchenbann. 1520 beginnt Luthers „produktivste Zeit“, schilderte Burkhardt. Luther verfasst seine drei reformatorischen Hauptschriften. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ sei schließlich der „große Hammer“ gewesen, so der Pfarrer i.R. weiter: „Das brachte das Fass zum Überlaufen.“
Martin Luther kommt am 16. April 1521 nach Worms zum Reichstag. Nach zehn Tagen reist er als freier Mann wieder ab. Seine Hauptschriften beenden das Mittelalter und eröffnen die Neuzeit: „Entscheidend ist, dass die Menschen die Angst vor der Hölle verloren. Gott wird als liebend und verzeihend dargestellt. Gott will keine Höllenstrafen.“
Die Runde dankte mit viel Applaus für den interessanten Vortrag. Burkhardt schenkte den Frauen noch einen kleinen Zusatzvortrag über eine „neue Zeitenwende“ durch das World Wide Web. „500 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks leben die Menschen wieder in einer bedeutenden Zeitenwende“, schloss Burkhardt. vw
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