Brühl. Beim Auftritt der „Schönen Mannheims“ in der Festhalle klatschte das Publikum frenetisch schon nach dem ersten Lied „Es hätte ganz anders kommen können“. Nicht umsonst – das Damenquartett auf der Bühne hat echt was drauf. Mit viel Gespür für Komik zeigte es auf, wie man alltägliche Themen sehr unterhaltsam auf die Bühne bringen kann.
Das Publikum genoss die Gute-Laune-Musik, den Witz und die Ironie, mit denen Anna Krämer, Susanne Back, Smaida Platais und Stefanie Titus bei ihrem Programm „Entfaltung“ in unterschiedliche Rollen schlüpften und Ungereimtheiten des Alltags offenlegten. Und Kulturamtsleiter Jochen Ungerer stand die Freude ins Gesicht geschrieben, nicht nur, weil er mit dem Frauenquartett alte Bekannte in der frisch renovierten Festhalle begrüßen durfte, sondern auch, weil „es endlich wieder Kultur gibt, endlich wieder etwas passiert, die Leute wieder rauskommen und etwas erleben“, wie er sagte.
Das Publikum zum Lachen bringen ist eines, hier fängt Kabarett an, sarkastisch, respektlos, ironisch. Gut aber wird es erst, wenn sich die Witze in Bereiche vorwagen, wo man seine eigenen Schwächen, Macken, Ängste und Phobien erkennt und trotzdem – oder besser gerade deswegen – lacht. Genau dahin führen die Kabarettistinnen aus der Quadratestadt ihr Publikum gelegentlich mit absurden Albernheiten. Denn das Thema „Entfaltung“ spielt nicht nur auf Knitterfrei und Faltenlos an, sondern auch auf „fehlende Hirnwindungen“ mancher Zeitgenossen. Eines ist für sie aber klar: Ein Leben ohne Sünden, ohne Scheitern und Grenzverletzungen ist langweilig und öde.
Auf köstlich amüsante Weise ironisierten sie den von der Werbung ausgelösten Schönheitswahn, das Problem des Älterwerdens, der Datings. Mit ihrem unglaublich vielseitigen Talent als Sängerinnen, Schauspielerinnen und Komödiantinnen schafften es die „Schönen Mannheims“ fließend („Alles ist im Flow“) von Gesangseinlagen zu Spielszenen zu wechseln, bekannten Liedern und Opernarien sowie den semantischen Kreis mancher Wörter zu erweitern.
Verrenkungen und Balanceakte
Besonders gut kam das in der Szene zum Ausdruck, in der Anna Krämer im Ton einer automatischen Ansagerin Anweisungen zu Yogaübungen gab, während Smeida Plaitas und Susanne Bach sich bemühten, in enge Leggins zu schlüpfen. Weil ihnen dafür die passende Figur fehlte, holten sie überdimensionale Jogginghosen hervor, in die sie problemlos einstiegen, „nach innen schauen und sanft in sich hineinlächeln“ konnten.
Die waghalsigen Verrenkungen und Balanceakte, die sie vollbrachten, um die Anweisungen Krämers genau umzusetzen, lösten im Saal wahre Lachsalven aus, vor allem am Schluss, als die Trainerin bekannt gab, dass alle Übungen im Liegen auszuführen sind.
Kabarettistisches Potenzial barg auch die Therapiesitzung einer Selbsthilfegruppe. Da sollten Phobien behandelt werden, aber die Phobie der einen löste bei den anderen ihre Phobien erst aus. Zum Höhepunkt geriet die Verkaufsshow für BHs „als passende Unter-Putz-Stütze“, die sich die Damen über ihre Glitzerkleider zogen und das Lied „You raise me up“ (Du baust mich auf) eine neue Bedeutung bekam.
Einen fulminanten Auftritt legten die Schönen mit ihren Betrachtungen über die zehn vergangenen Jahre hin, wie sie sich kennengelernt haben und was wichtig war in ihrem Leben: „Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen“, wobei sie auf ihre Figur anspielten, auf den Heißhunger und den Italiener.
Im Zentrum dieser Comedyshow lag aber die Musik. Mit beeindruckender Interpretation von Opernarien, Pop- und Rocksongs oder Liedern aus eigener Feder lösten die vier Musikerinnen im Publikum Jubelrufe und Begeisterungsstürme aus. Sie sangen auf Hochdeutsch, Italienisch oder Schwedisch, erfreuten aber auch mit ihrer „Mannemer Gosch“. Zu den Höhepunkten gehörten das a cappella gesungene „Halleluja“ von Händel, die „Rachearie“ der Königin der Nacht oder „Gabriellas Lied“ aus dem Film „Wie im Himmel“. Mit ihrer virtuosen Klavierbegleitung, dem trockenen Humor und den ironischen Kommentaren sorgte die hervorragende Pianistin Stefanie Titus zusätzlich für Glanzpunkte sowie herrlich gewitzte Momente.
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