Naturschutzgebiet - Bei der Reise durch die Auenlandschaft wird sogar ein prächtiger Eisvogel entdeckt / Referenten weisen bei Expedition auf die vielen Besonderheiten der Wiesen hin

Füchse durchstöbern immer häufiger Müll im Ort

Von 
Volker Widdrat
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Brühl. Der bei vielen Naturliebhabern beliebte „Tag der Artenvielfalt“ fand am Wochenende – wegen der Einschränkungen der Corona-Krise – nur in einer eingeschränkten Form statt – dennoch stieß die Aktion in den Wiesen rund um Brühl auf reges Interesse bei den Besuchern. Im Gegensatz zu den Vorjahren hatten die Verantwortlichen diesmal nicht groß für die Aktion geworben und dennoch über ein Dutzend Interessenten für die Aktionen zum Themen Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit gewinnen können.

Letztlich waren am Ende dann doch zahllose Besucher von den spannenden Exkursionsthemen in die Wiesen bei Rohrhof gelockt worden, wie sich die örtlichen Jäger aus diesem Areal in einer Pressemitteilung freuen.

Carolina Metz – sie ist im Fachbereich Klima, Natur und Umwelt der Stadt Mannheim zuständig – begrüßte beim Yachtclub Kurpfalz zwei Gruppen, in denen sich viele Brühler fanden, die mit den Jägern und Naturschützern Dr. Norbert Sälzler und Heinrich Koch drei Stunden lang durch die einmalige Auenlandschaft im Naturschutzgebiet Backofen-Riedwiesen bei Rohrhof wanderten. Die Safari in den Rheinauen begann bei Rheinkilometer 412.

Eigenarten des Gebiets

Bei dem Rundgang durch das im Grenzgebiet von Rohrhofer und Mannheimer Gemarkung gelegene Gebiet, ging es vor allem um die Eigenarten der dort ansässigen Tiere und Pflanzen, die in dieser ganz besonderen Auenlandschaft leben. Altrheinarme, Auwald und Verlandungsbereiche sowie ehemalige Tongruben zeigen bei dem gemeinsamen Spaziergang verschiedenste Biotope.

Der nördliche Teil des Gebietes liege innerhalb des regelmäßigen Überschwemmungsbereichs des Rheins bei Hochwasser, erläuterte Dr. Norbert Sälzler. Nach seiner Ausweisung als Natur- und Landschaftsschutzgebiet solle der Bereich möglichst naturnah gestaltet werden.

Dort existieren, wie er berichtet, sogar noch Reste des ursprünglichen Auwaldes, der den Rhein seit Urzeiten begleitet hat. Flora und Fauna treten an dieser Stelle insgesamt vielfältig auf. Silberweiden funkeln in der Sonne, unzählige gebänderte Prachtlibellen flattern umher und in der Weichholzaue ist keinerlei Nadelholz, das zwischenzeitlich vielerorts als schnellwachsende Baumart gepflanzt wurde, zu sehen.

Greifvögel als Indikator

Ein Schwarzmilan gleitet während der Wanderung der Gruppe ohne erkennbaren Flügelschlag über die Wiesen. Der Greifvogel ist zu diesem Zeitpunkt ganz offensichtlich auf Nahrungssuche.

In den Hecken brüten so seltene Vogelarten wie Neuntöter und Dorngrasmücke, Pirol und Mittelspecht. Sie sind mit dem Fernglas auszumachen. Die Wasserflächen ziehen Enten, Kormorane und Haubentaucher an. Eine Schicht Wasserlinsen liegt obenauf. Der Laubfrosch quakt nach einem Weibchen. Die Knoblauchkröte vergräbt sich lieber im Erdboden.

Der Auwald wird vom fließenden Wasser ständig neu geformt, heißt es bei diesem Rundgang der Gruppe Interessierter. Die Teilnehmer um Dr. Norbert Sälzler haben Glück. Auf einem aus dem Wasser ragenden Baumstamm lässt sich kurz ein Eisvogel nieder. Der bunt schillernde Eisvogel ist unverwechselbar. Er ist etwas größer als ein Sperling, wirkt gedrungen, ist auffallend kurzschwänzig und besitzt einen geraden kräftigen Schnabel. Je nach Lichteinfall wirkt sein Gefieder kobaltblau bis türkisfarben.

Der erfahrene Jäger sieht auch oft Füchse mit ihren Jungen: „Meistens frühmorgens oder spätabends, wenn sie auf Beutezug gehen.“ Reineke schlägt auch schon mal ein Rehkitz oder einen Hasen. Dachs, Marder und anderes Raubwild müssen in diesem Bereich in Zaum gehalten werden, meint Guido Moch von der Jägervereinigung Mannheim. Der Naturpädagoge hat sein „Lernort Natur“-Infomobil auf einer Wiese aufgebaut, um anhand von Präparaten und Ansichtsmaterial die Tierwelt der Auenlandschaft näherzubringen.

Rehkitz keinesfalls anfassen

Das leckere Schnitzel komme, wie er den Teilnehmern nachdrücklich erklärt, nämlich nicht aus der Kühltruhe und das Reh sei auch nicht die Frau vom Hirsch, räumt er mit falschen Annahmen vieler Menschen auf. „Ein Rehkitz sollte man auf keinen Fall anfassen, sonst nimmt es die Mutter nicht mehr an“, warnt Moch die Teilnehmer. Die Kitze tagsüber allein zu lassen, sei beim Reh „Teil der Überlebensstrategie“.

Mit dieser Initiative „Lernort Natur“ bietet die Jägervereinigung Mannheim, zu der er gehört, vor allem Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, die Natur mit allen Sinnen zu „begreifen“. Da können die Kleinen schon mal einen Dachs oder einen Frischling streicheln. Und auch der Jagdhund Mochs, ein Deutsch Drahthaar mit Namen „Aragon“, lässt sich gerne anfassen. Der Obmann für Jugendarbeit erläutert den Gästen die Bedeutung der Jagd für die Natur. Auf den Wiesen sind Silberreiher bei der Nahrungssuche zu beobachten. Ein Bauer wendet mit seinem Traktor gerade das Heu. Sofort landen einige Störche, die sehen wollen, ob nicht ein Frosch oder eine Heuschrecke abfällt. „Aragon“ ist derweil schon ganz aufgeregt.

Backofenwörth mit Abtstab

In den Niederungswiesen und Gehölzen sind seltene Insekten zu Hause. Abends fliegen Fledermäuse durch das Gebiet. Feldhasen bauen Gruben. Im Industriegebiet bei Rheinau nisten Uhus, erzählt Moch und zeigt das Präparat eines Habichtkauzes. Ein Sperber, der kleine Bruder des Habichts, zieht am Himmel seine Kreise. Sein Flugbild unterscheidet sich deutlich vom Milan.

„Der Kühlschrank des Fuchses ist die Stadt“, erläutert Jäger Moch, dass die schlauen Tiere immer öfter bewohnte Gebiete durchstreifen und sich von Essensresten aus Mülltonnen ernähren.

Das Gebiet „Backofen-Riedwiesen“ ist ein Teil einer 650 Hektar großen Fläche der Rheinniederung. Bei Hochwasser sind weite Areale der Naturschutzgebiete überflutet. Bei Niedrigwasser geben die Altrheinarme und die Gewässer der ehemaligen Tongruben Kies- und Schlammbänke frei. Auf dem Rückweg von der dreistündigen Exkursion zeigt Dr. Sälzler der Gruppe noch einen steinernen Zeugen. Über ein Dutzend Grenzsteine in dem Gebiet weisen auf die frühere landwirtschaftliche Nutzung hin. Auf dem Stein mit dem Abtstab des Klosters Schönau prangt die Jahreszahl 1782.

Info: Weitere Bilder gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de

Brühl

Tag der Artenvielfalt in den Rheinauen

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