Tierreich - Wilde Halsbandsittiche können am Brühler Friedhof, im Steffi-Graf-Park und in den Rohrhofer Rheinauen beobachtet werden

Grüne Gesellen fühlen sich wohl

Von 
Ralf Strauch
Lesedauer: 
Ein Halsbandsittich im Flug – die Vögel mit dem auffälligen Auftreten haben sich in der Kurpfalz gut eingelebt und erobern in drei Kolonien den Luftraum über der Hufeisengemeinde. © dpa

Brühl. Zuerst hört man nur ihre lauten, durchdringenden Rufe, dann landen die Vögel in den Platanen am Brühler Eisenbahnweg. In der gesamten Rheinebene leben mittlerweile Tausende solcher wilden Halsbandsittiche. Es sind die Nachfahren entflohener Käfigtiere, die trotz ihrer exotischen Herkunft mit dem deutschen Klima gut zurechtkommen und das Leben in Freiheit genießen. „Sie fühlen sich auch bei uns hier wohl“, weiß Christian Stohl zu berichten. Der begeisterte Hobbyornithologe sagt, dass die quietschgrünen Vögel seit knapp über zehn Jahren die Bäume in der Hufeisengemeinde bevölkern. Beim Brühler Friedhof, im Steffi-Graf-Park und vor allem in den Rheinauen bei Rohrhof, haben sich die Exoten eingerichtet. Sie fallen vor allem auf, wenn sie mit lautem Gezeter den Luftraum erobern.

Halsbandsittiche sind die am weitesten verbreitete Papageienart weltweit. Mit Ausnahme der Antarktis hat der Mensch sie mittlerweile auf allen anderen Kontinenten angesiedelt – zumeist unfreiwillig. Ursprünglich auf dem indischen Subkontinent und in den Savannengebieten Afrikas beheimatet, konnten sich Halsbandsittiche mangels natürlicher Feinde rasant in Europa verbreiten. Und so gelten sie seit einiger Zeit sogar ganz offiziell als einheimische Wildvogelart.

Seit 1967 in Deutschland

Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die fast elsterngroßen Tiere mit ihrem grünen Gefieder, dem knallroten Schnabel und dem namengebenden dunklen Band, das den Hals der Männchen ziert, weltweit als Volierenvögel in Zoos und privaten Käfigen beliebt. 1855 – so ist überliefert – flüchteten die ersten Tiere aus ihren Volieren im englischen Norfolk. Und sie vermehrten sich prächtig. Denn im Gegensatz zu anderen „Gefangenschaftsflüchtlingen“ wie Wellensittichen, die in Europa außerhalb von Käfigen nur kurze Zeit überleben, fühlten sich die Halsbandsittiche in der Freiheit wohl.

In Deutschland wurde das erste freilebende Brutpaar 1967 in Köln entdeckt – es stammte vermutlich aus dem Zoo der rheinischen Domstadt. Dann ging es Schlag auf Schlag. „In der Kurpfalz traten sie erstmals im Schlosspark in Edingen-Neckarhausen in Erscheinung“, berichtet Stohl. Und von da eroberten die Halsbandsittiche die Region schwallweise. Die Vögel sind nämlich sehr soziale Tiere, die gerne in Gruppen unterwegs sind. „Es ist immer so, dass sie Kolonien bilden – haben die dann eine gewisse Größe erreicht, ziehen einzelne weg und gründen neue Kolonien“, beschreibt der Ornithologe die Ausbreitung. So kamen die ersten Vögel in den Schwetzinger Schlossgarten und machten von dort aus immer wieder auch Streifzüge nach Brühl. Inzwischen haben sie dort die drei kleineren „Filialen“ mit jeweils einer Hand voll Vögel aufgebaut. „Inwieweit sie dort auch brüten, kann man nicht sagen“, räumt Stohl ein.

Und genau da liegt das Problem mit den exotischen Zuwanderern. Denn sie leben eigentlich in Baumhöhlen, gerne benutzen sie verlassene Spechtbauten. „Nach jetzigem Stand existieren einheimische Vogelarten und Halsbandsittiche gut nebeneinander. Dass sie andere, heimische Arten verdrängen, ist bislang nicht nachgewiesen“, verteidigt der Vogelfreund die Sittiche und betont: „Sie stellen also keine Gefahr für heimischen Arten dar.“

Tiefe Löcher in Fassaden

Doch anderorts – beispielsweise bei die riesigen Kolonien von Heidelberg und Mannheim – erweiterten sie Löcher in Styroporisolierungen von Hausfassaden und bauen bis zu eineinhalb Meter lange Gänge in den Kunststoff. „In Brühl ist das bislang noch nicht gemeldet worden“, weiß Stohl, der beruflich Leiter des kommunalen Ordnungsamtes ist. Doch an einzelnen Fassaden haben die Vögel scheinbar doch schon angefangen, die Löcher im Putz zu vergrößern – wie man bei einem Spaziergang durch den Ort erkennen kann. Doch Nisthöhlen wurden dort nicht angelegt. Warum auch? Noch finden die kleinen Schwärme ausreichend Baumhöhlen in der Natur.

Selbst die früher kalten Winter konnten den Exoten kaum etwas anhaben. „In Indien leben sie in den verschiedensten Höhenlagen und sind mit Frost vertraut“, berichtet Stohl im Gespräch mit unserer Zeitung. Lediglich wenn die Minusgrade zweistellig werden, erleiden viele der Sittiche Erfrierungen an den Füßen. „Aber die milden Winter der vergangenen Jahre stecken die Vögel problemlos weg.“

Sie lieben lockeren Baumbestand

Die Kurpfalz zählt ja auch klimatisch gesehen mit zu den wärmeren Ecken in Deutschland. Das mögen die Tiere. Außerdem gibt es zwischen Rhein und Neckar Siedlungen und Parks mit lockeren Baumbeständen. Dort finden sie nicht nur Nahrung, sondern auch Nistplätze.

Die Vögel fressen alles, was ihnen vor den Schnabel kommt: Knospen, Blüten, Früchte, Sämereien – und im Winter machen sie sich über die Vogelhäuschen her, erbeuten Meisenknödel und andere Leckereien.

Fotostrecke

Halsbandsittiche in der Region

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
9
Mehr erfahren

Redaktion

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung