Brühl. Ein möglicher Umzug der Johanniter-Rettungswache aus den Ketscher Containern in den Brühler Norden beschäftigt an diesem Montag, 10. November, ab 18.30 Uhr den Gemeinderatsausschuss für Technik und Umwelt in der Hufeisengemeinde. Diese Planung sorgt bei manchen Beteiligten für ein massives Stirnrunzeln, denn die Verlegung der Rettungswagen nach Brühl könne zwar Vorteile bringen, aber auch zu Problemen beim Einsatz des Notarzteinsatzfahrzeuges führen, sagen Kritiker.
Einer von ihnen ist Heinrich Horst Hellweg. Die Verlegung des Notarztstandorts von Ketsch nach Brühl „hätte gravierende negative Folgen für die Notfallversorgung im südwestlichen Rhein-Neckar-Kreis“. Der Mann, der das sagt, müsste eigentlichen wissen, wovon er spricht, denn Hellweg ist freiberuflicher Notfallmediziner und sitzt seit April 2019 regelmäßig für die Unfallhilfe als Notarzt in dem aktuell in Ketsch stationierten Kleinbus der Johanniter, der bei Einsätzen die Rettungswagen in der Region notfallmedizinisch unterstützt.
Der geplante Umzug der Rettungswache Ketsch nach Brühl-Nord kann aus seiner Sicht den Rettungsdienst im südwestlichen Rhein-Neckar-Kreis bezüglich der Rettungstransportwagen in Teilen verbessern. Insbesondere für die Gemeinden Brühl, Schwetzingen und Plankstadt sei durch die Verlegung der Rettungswagen, also der großen Fahrzeuge, in denen die Patienten sofort behandelt und transportiert werden, eine schnellere Versorgung möglich, urteilt der Mediziner. Die Verlegung des Notarzteinsatzfahrzeugs von Ketsch nach Brühl hätte hingegen aus seiner Sicht jedoch deutliche Nachteile.
Klinikschließungen sorgen wohl für weitere Probleme
Aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Mannheimer Stadtgrenze wäre zu erwarten, dass das Fahrzeug mit dem Notarzt sehr regelmäßig zur Unterstützung in der direkten Nachbarstadt angefordert werde, denn dort ist die Versorgung mit Notärzten seiner Erfahrung nach eher dünn gesät. Weil die angedachte Wache in Brühl nur wenige hundert Meter von der Mannheimer Stadtgrenze entfernt liegt, würde das Notarzteinsatzfahrzeug der Johanniter und der von der GRN gestellte Notarzt damit häufiger „das als nächstes erreichbare Team“ für die südlichen Teile der Quadratestadt gelten; dieses übliche Verfahren in Baden-Württemberg zwischen benachbarten Leitstellengebieten ist zwar übliche Praxis, allerdings stünde das NEF damit der Region Ketsch, den HoRAN-Gemeinden sowie dem südwestlichen Rhein-Neckar-Kreis seltener zur Verfügung, wodurch sich die Eintreffzeiten des Notarztes in dieser Region spürbar verlängern und die Versorgung verschlechtern würden, blickt Hellweg in die Zukunft.
Dabei sei zu bedenken, so der Notfallmediziner, dass das höchstwertige Einsatzmittel, nämlich das NEF, stets zentral in seinem Einsatzgebiet verfügbar sein sollte und eben nicht an einer relativen Randlage, wie eben in Brühl an der Mannheimer Stadtgrenze. Dank der hervorragenden Ausbildung der Notfallsanitäter, sind die Besatzungen der Rettungswagen (RTW) natürlich in der Lage, selbstständig qualifizierte notfallmedizinische Maßnahmen durchzuführen, allerdings gibt es immer wieder Einsätze, bei der auch die fachärztliche Kompetenz eines Notarztes für intensivmedizinische Maßnahmen vor Ort gebraucht wird.
Hellweg erwähnt da Wiederbelebungen und Notfallnarkosen sowie weitere invasive medizinische Maßnahmen. Bereits jetzt befinde sich der Standort des NEF rund 4 Kilometer nördlicher – und somit näher der Mannheimer Stadtgrenze als ursprünglich vorgesehen: Statt in Hockenheim, wie bei der Planung im Jahr 2018 vorgesehen, ist es seit April 2019 im Süden von Ketsch stationiert – rund zwei Kilometer vom ursprünglich geplanten Standort entfernt.
Der Standort Brühl-Nord läge dann sogar nur noch etwa 400 Meter Luftlinie von der Mannheimer Stadtgrenze entfernt. Dadurch würde dieses Fahrzeug faktisch ein völlig anderes Einsatzgebiet betreuen als ursprünglich geplant, sagt Hellweg.
Unter dem Strich bedeutet das: Obwohl Mannheim mit vier Notarztstandorten bei seiner Einwohnerzahl gut versorgt erscheint, ist dennoch die rettungsdienstliche Infrastruktur im Südwesten der Stadt aus verschiedenen Gründen suboptimal.
Die aktuell Rahmenbedingungen durch Klinikschließungen wie beim Theresienkrankenhaus sowie der geplanten Verlegung des Herzkatheterlabors von Schwetzingen nach Sinsheim – verstärkten seine Bedenken erheblich. Sie bedeuteten längere Transportwege, insbesondere in Mannheim. Der für die Region im Rhein-Neckar-Kreis zuständige Notarzt sei in dieser Zeit nicht mehr für sein eigentliches Einsatzgebiet zu erreichen. Sein Standortwechsel nach Brühl-Nord würde somit faktisch bedeuten, dass Mannheim ein weiteres arztbesetztes Rettungsmittel erhält – finanziert vom Rhein-Neckar-Kreis und zulasten der regionalen Versorgung, fasst Hellweg die Situation zusammen.
Entwicklung würde weiter verschärft werden
Darüber hinaus sei bereits jetzt zu beobachten, dass die bisher über Jahre praktizierte, erfolgreiche gebietsübergreifende Unterstützung bei lebensbedrohlichen Notfällen – beispielsweise in Speyer oder Oberhausen-Rheinhausen – zunehmend eingeschränkt oder ganz eingestellt werden müsste. „Eine Verlegung des Notarztfahrzeuges nach Brühl würde diese Entwicklung weiter verschärfen“, so der Mediziner.
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