Bläserakademie

Platzkonzert in Brühl: Beschwingt und frech

Das sinfonische Orchester überzeugt beim sommerlichen Platzkonzert im Steffi-Graf-Park.

Von 
Ralf Strauch
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Die Bestuhlung für das Platzkonzert mitten auf der Rollschuhbahn bleibt fast komplett ungenutzt – nur hartgesottene Kulturmacher nehmen dort Platz. Das übrige Publikum hört sich die tolle Darbietung des Sinfonischen Blasorchesters unter Leitung von Tobias Nessel lieber von den schattigen Randbereichen aus an. © Wolfgang Schwindtner

Brühl. Ein Hauch von „Last Night Of The Proms“ und Ascot wehte über die Rollschuhbahn im Steffi-Graf-Park, als der Musikverein – Bläserakademie zum sommerlichen Platzkonzert eingeladen hatte. Die Veranstalter hatten durchweg Gute-Laune-Musik versprochen – und dieses Versprechen gehalten. Das Hütetragen wie auf der britischen Galopprennbahn war allerdings weniger der Etikette als vielmehr in der brennenden Sonne geschuldet.

Doch diejenigen, die vom Rand des Platzes als Schattengestalten den Musikvorträgen lauschten, wurden für das schweißtreibende Ausharren wirklich entlohnt. Schon die ersten Töne beim musikalischen Auftakt des Sinfonischen Orchesters mit „A Musical Fantasy“ von Ennio Salvere sorgten für beschwingte Stimmung. In dieser Komposition kamen unterschiedliche Musikstile an die Reihe – so wie diese oft bei Musicals eingesetzt werden. Nach einer spritzigen Ouvertüre folgte ein fröhliches Allegro, das an einen bekannten Entertainmentstil denken ließ. Danach folgt eine romantische Popballade als ruhiges Mittelstück. Die Komposition endet swingend, mit einem Augenzwinkern Richtung Jazz. Gekonnte führte Dirigent Tobias Nessel seine vor Spielfreude überschäumenden Musiker durch diesen Mix.

© Schwindtner

Den belebenden Schwung nahm auch das Medley „Golden Swing Time“ auf, das eine Auswahl berühmter Hits dieser Zeit wie „Hello Dolly“, „Mackie Messer“, „Bei mir bist Du schön“ und „In der Straße wohnst du“ umfasst und von den Bläsern, Schlagwerkern und dem Bassisten flott umgesetzt wurde.

Die durchweg runde Ensembleleistung – nur vereinzelt waren die Holzbläser einen Hauch zu dominant – ist umso überzeugender, wenn man weiß, dass Krankheiten für Ausfälle auf den Musiker-stühlen geführt hatten, die durch den flexiblen und engagierten Einsatz der verbliebenen Instrumentalisten meisterlich aufgefangen wurde. Kompliment dafür.

Erfrischend frech die Interpretation von „Soul Bossa Nova“, das spätestens als Titelmelodie der James-Bond-Parodie Austin Powers unsterblich wurde. Mit diesem Stück bewiesen die Aktiven der Bläserakademie gekonnt, dass man luftig-leichte Bossa Novas auch mit einem großen sinfonischen Orchester spielen kann.

Diese temperamentvolle Leichtigkeit trug auch der Song aus dem Musical „In the Heights“ und „Latin Gold“ – erneut ein Medley, diesmal mit den lateinamerikanischen Gassenhauern „Tequila“, „Oye Como Va“ und „La Bamba“, bei dessen ersten Teil das Publikum als Ein-Wort-Chor mitmachte.

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zg/gch
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Apropos Chor: Den bildeten die Zuhörer auch beim berühmten neapolitanischen Volkslied über die Seilbahn am Vesuv „Funiculì, Funiculà“ – allerdings nicht im italienischen Original, sondern in den deutschen Textversionen vom toten Fisch im Wasser und dem Ausflug einer Etablissementmannschaft in die katalanische Metropole Barcelona. Letztere wurde weniger kraftvoll als in so manchem Bierzelt angestimmt, immerhin saß man ja in einem Kulturevent.

Quer durch die Welt berühmter Kinderlieder und Titelmelodien führte das Orchester mit „Hurra, hurra“, bei dem von Pippi Langstrumpf über Pinocchio und die Biene Maja bis zu den Schlümpfen alles aufgeboten wurde, was auch dem älteren Publikum ein Kinderlächeln ins Gesicht zauberte.

Gekonnt interpretierte das Sinfonische Blasorchester die Hommage an Amy Winehouse mit den Songs „You Know I’m No Good“, „Rehab“, „Valerie“ und „Back to Black“, die in dieser Form ungewohnt, aber technisch ausgereift erklangen.

Das alte Walfängerlied „Wellerman“, das ja erst vor wenigen Jahren eine Renaissance erlebte, war mit seinem schwermütigen Start ein Kontrapunkt zu den ansonsten sommerlichen Liedern des Platzkonzerts. Dabei bildeten die Musiker – nur vom Schlagwerk und dem tiefen Blech begleitet – einen Chor, was dem Vortrag das gewisse Extra gab. Als viel beklatschte Zugabe erklang „Zoot Suit Riot“.

Vor dem Konzert hatte der Verein um den neuen Vorsitzenden Jonathan Wüst in Zusammenarbeit mit der Jugendmusikschule und deren Leiterin Birgit Drath die Kinder zu einer Instrumentenvorstellung eingeladen. Trotz des Freibadwetters nutzten 15 Jungen und Mädchn diese Möglichkeit. Und es tat sich gleich ein „Skandal“ auf, denn die Tochter einer Holzbläserin des Sinfonischen Orchesters entdeckte dabei ihre Liebe zu einem Blechblasinstrument.

Redaktion

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