Brühl. Es war ein Desaster vor zwei Jahren. Beim ersten bundesweiten Warntag wurde die Bevölkerung in der Region – insbesondere aber in Brühl – durch den Probealarm nicht erreicht. Sirenen gab es damals keine mehr in der Gemeinde und die Warnmeldungen über die gängigen Warn-Apps auf dem Handy erreichten die Menschen erst mit stundenlanger Verspätung – wenn überhaupt. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) nannte damals als Grund für die verzögerten Warnungen „eine teilweise Überlastung des Systems“. Sirenen gab es in Brühl da gar keine mehr. Der Bund und die Länder beschlossen daraufhin, alljährlich an jedem zweiten Donnerstag im September einen bundesweiten Warntag in Abstimmung mit kommunalen Vertretern zu organisieren.
Am Donnerstag, 14. September, wird deshalb ab 11 Uhr eine Probewarnung vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe abgesetzt, die in die Mobilfunknetze, an Fernseh- und Radiosender geht sowie über die neuen Sirene weitergeben wird. Gegen 11.45 Uhr erfolgt eine Entwarnung. Auf den Knopf drückt in beiden Fällen übrigens nicht die Gemeindeverwaltung. Die Alarmierung – im Probe- wie im Ernstfall – erfolgt vonseiten der Leitstelle in Ladenburg oder von den zuständigen Landesbehörden.
Infos zum Warntag
Der Probealarm wird bundesweit am Donnerstag, 14. September, ab 11 Uhr ausgelöst. Gegen 11.45 Uhr erfolgt eine Entwarnung.
Bei einigen Menschen – älteren Einwohnern, Geflüchteten aus Kriegsgebieten oder bei Kindern – können die lauten Warnsignale Angst oder auch belastende Erinnerungen auslösen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt, vorab das Gespräch mit diesen Menschen zu suchen und diese auf die Situation vorzubereiten.
Wichtig sei dabei der Hinweis, dass keine reale Bedrohung vorliege.
Auch Tiere können auf die ungewohnten Geräusche des Probealarms verängstigt reagieren – Halter sollten entsprechend Vorsorge treffen. ras
Im vergangenen Jahr wurde der Termin allerdings in den Dezember verschoben, da der damals neue Warnkanal „Cell Broadcast“ im September noch nicht fertig eingerichtet war. Vor zehn Monaten zeigte man sich in der Gemeinde mit der Übung zufrieden – nicht nur mit dem Alarm per Mobilfunk, sondern es heulten auch wieder Sirenen auf.
Wie kam es dazu, dass es zuvor keine funktionierenden Sirenen mehr gab? Das einzige Relikt steht noch abgeklemmt auf dem Dach der Sparkasse. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte sich der Bund nämlich entschieden, den Betrieb der einstigen Luftschutzsirenen, die auch zur Alarmierung der Feuerwehr gedient hatten, aufzugeben. Die Kommunen durften die Anlagen gern kostenfrei in ihrer Verantwortung übernehmen.
Komplette Abdeckung des Ortes
„Eine Notwendigkeit zur Übernahme seitens der Gemeinde wird nicht gesehen“, hieß es damals aus dem Rathaus. Die Sirenen verschwanden bis auf die einzige museumsreife.
Doch die Ansichten änderten sich nach immer häufigeren Katastrophenmeldungen aus dem Bundesgebiet – etwa der Flut im Ahrtal. Und so sollten im Verlauf des vergangenen Jahres vier neue Sirenen übers gesamte Gemeindegebiet hinzugefügt werden, um im Ernstfall die Bevölkerung zu warnen – allerdings heulen sie nicht für die „üblichen“ Einsätze der Feuerwehr. Die Investition hat sich trotzdem gelohnt, denn „wir können eine flächendeckende Abdeckung der Alarmierung feststellen“, so Bürgermeister Dr. Ralf Göck im vergangenen Jahr.
2022 wurde der Termin des bundesweiten Alarmtages allerdings noch auf Donnerstag, 8. Dezember, verschoben. Der Grund für den Aufschub war technischer Art, denn man wollte erstmals eine Probemeldung auf dem neuen Warnkanal „Cell Broadcast“ ausgeben. Und genau dafür war die Software im September noch nicht bereit.
Doch der Teufel steckt noch immer im Detail. Das zeigte sich erst vor wenigen Tagen, denn Katwarn legte einen Früh- beziehungsweise Fehlstart hin. Bereits am Montag gab sie eine Hochwasserwarnung für die Region heraus – bei tatsächlich sinkenden Rheinpegeln. Auf die Nachfrage unserer Zeitung räumte die zuständige Behörde ein, es eine Falschmeldung gewesen sei. Der Grund dafür sei eine Umstellung im Computerprogramm, heißt es als Begründung. Doch Hochwasser ist ein Stichwort, denn für den Fall, dass Wohngebiete gefährdet wären, würde in Brühl die Alarmierung sofort erfolgen.
Solange keine Dämme brechen, ist der Ortsetter allerdings laut der für die Auswertung von Daten zum Thema zuständigen Landesanstalt für Umwelt selbst bei einem 100-jährlichen Hochwasser nicht gefährdet. Nur die Wiesen in Richtung Rhein würden dann überflutet – so wie es beispielsweise vor zwei Jahren war, allerdings läge der Pegel noch etwas höher.
Es gibt aber noch eine Hochwassermarke darüber hinaus: HQ-Extrem. Einen solchen Pegelstand erwarten die Experten statistisch höchstens alle 200 Jahre. Dann wurde das Hochwasser über die Dämme schwappen und laut Berechnung der Behörde in die westlichsten Teile Rohrhofs bis rund um die Brühler Straße laufen, den Bereich des alten Rheinbogens von der Schillerschule am Schrankenbuckel weiter Richtung Süden zwischen Karlsbader Ring und Hambacher Weg erfassen, über die Fasanerie bis fast zur Hauptstraße und dann weiter bis zur Realschule. Dort würde es sich mit den errechneten Fluten des Leimbachs verbinden.
Hochwasserfibel für Bauherren
Doch von diesem Fließgewässer aus dürfte demnach keine Gefahr für bebautes Gebiet ausgehen. Selbst die Häuser der Bachstraße stünden bei einem solchen Extremhochwasser den Berechnungen zufolge nicht im Wasser, heißt es seitens der Behörde. Bei dem berechneten Szenario würde Mannheim zwischen Rhein und Neckar fast komplett unter Wasser stehen – nur das Schloss würde als Insel aus den Wassermassen ragen.
„Deswegen gibt es bei uns eine Hochwasserfibel, die alle Bauherren, die ihre Häuser in diesen theoretischen Überflutungsflächen errichten wollen, beim Bauantrag erhalten“, erklärt der Brühler Ortsbaumeister Reiner Haas auf Anfrage. In dieser Informationsschrift werden beispielsweise Abschottungsmöglichkeiten von Türen und Fenstern vorgestellt.
Aber Wasser droht nicht nur von Rhein und Leimbach, sondern auch von oben. Eine Folge des Klimawandels in Deutschland ist die Zunahme von Starkregenereignissen. Wie ist das Kanalnetz von Brühl für solche Wetterthemen vorbereitet? Haas versichert, dass beim statistisch zweijährlichen Starkregen der Niederschlag ganz normal über die Kanäle abfließen würde. „Aber die Kapazitäten der Kanäle sind darüber hinaus deutlich leistungsfähiger – selbst unter dem Druck eines zehn- bis 20-jährlichen Starkregens, würde das Wasser über die Kanäle abfließen“, betont der kommunale Ortsbaumeister auf Nachfrage unserer Zeitung.
Seine Erkenntnisse beruhen auf den bisherigen Daten bevor die Abwassergebühr aufgesplittet wurde in Abwasser aus den Haushalten und dem Niederschlagsabfluss. Da ging man von einer Versiegelung von rund 65 Prozent aus. Durch die Gebührenänderung wurden aber viele versiegelte Flächen vom Kanalnetz abgeklemmt oder aufgebrochen. Daher erwartet der Ortsbaumeister, dass die Kanäle angesichts der neuen Zahlen deutlich stärker entlastet sind und ihre Aufgabe noch besser als bisher berechnet erfüllen.
Gemeinde sieht Kanäle gerüstet
Im Fall einer starken Belastung durch Regenwasser transportieren die Kanäle das Wasser auch nicht mehr zum Klärwerk. Bei zwei Entlastungsbauwerken am Leimbach würde das Wasser über eine Schwelle treten und sofort in den Leimbach geleitet, wodurch die Kanäle weiter entlastet würden. Diese Sicherheitsmaßnahme wird übrigens zurzeit nahe der Ketscher Straße komplett saniert.
Erst, wenn der Regen so extrem stark wäre, dass eine Entwässerung der Straßen nicht mehr über die Gullys funktioniert, würde das Wasser in den Straßen fließen, sagt Haas. Doch das wäre dann ein wirklicher Jahrhundertregen, meint er noch.
Dass dennoch auch bei „einfachen“ Starkregen die Keller vollaufen, hänge zumeist damit zusammen, dass die Häuser nicht über die üblichen Sicherungsmaßnahmen verfügen und sich das Wasser durch den Rückstau den Weg in die Häuser bahne.
Viele Gründe für die Warnungen
Doch nicht nur bei Naturkatastrophen wird gewarnt. Auch wenn durch einen Großbrand beispielsweise die Luftbelastung gefährlich werden könnte, heulen die Sirenen und die Warn-Apps lösen Alarm aus. Und auch eine Warnung im Kriegsfall wird nicht mehr so kategorisch wie vor wenigen Jahren bei der Abschaffung der alten Sirenen ausgeschlossen.
„Am besten ist, wenn wir die Sirenen nur einmal im Jahr beim bundesweiten Warntag hören“, sagt Ordnungs- und Hauptamtsleiter Jochen Ungerer. In sein Verwaltungsressort fallen die sogenannten Warnmittel, „es geht nicht um Panikmache in der Bevölkerung, man muss aber über die möglichen Gefahren aufklären und genau das soll der Warntag neben der Belastungsprobe für die Warninfrastruktur auch bringen.“
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