Eppelheim. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause können wieder Lesungen vor Publikum stattfinden. Darüber freut sich natürlich Elisabeth Klett, die Leiterin der Eppelheimer Stadtbibliothek. Sie konnte somit eine befriedigende Anzahl von Besuchern willkommen heißen: „An so einem sonnigen Abend ist es nicht selbstverständlich, dass sich Leute zu Literatur einladen lassen“, sagte sie zur Begrüßung, „und noch weniger selbstverständlich ist es, wenn es keine Krimi-, sondern eine andere Art von Lesung ist. Aber es ist uns wichtig, in Eppelheim nicht nur regionale Krimiautoren zu unterstützen, sondern auch lokale wie den Eppelheimer Andreas F. Cornelius“, betonte sie.
An diesem Abend stellte er seinen Roman „Veltenhöfer spricht ab fünf“ vor, der von einem 84-jährigen Verhaltensforscher handelt. Dieser sitzt täglich bis zu elf Stunden auf einer Parkbank und beobachtet die vorübereilenden Menschen. Im fiktiven Gespräch mit einem Studenten, der sich zu ihm auf die Bank setzt, lässt er seinen Gedanken freien Lauf. Der Monolog endet abrupt, als er etwas bemerkt, das ihn zwingt, eine Entscheidung zu treffen.
Und Andreas F. Cornelius begann die Lesung nicht mit dem Anfang des Romans, sondern mit vier typischen Veltenhöfer-Fragen, die auch im Roman auftauchen und die er so den Zuhörern in der Stadtbibliothek stellen könnte, falls sie neben ihm auf der Bank säßen. Der Autor erwähnte sie einerseits, damit sich das Publikum vorab ein Bild vom Protagonisten des Romans machen können, und andererseits, damit es sozusagen motiviert gemeinsam mit ihm in den Abend startet.
Mit jeder Seite mitten in der Story
„Haben Sie sich einmal angesehen, wie gekrümmt und voneinander abgewandt die meisten Leute über die Bürgersteige hasten? Wie friedlich und in sich selbst versunken sie auf den Straßen unterwegs sind?“, lautete die erste der Fragen, der solche folgten wie: „Wer liest denn heute noch: ,Wer hat Angst vor Virginia Woolf?‘“, „Hat die heutige Jugend eine Leitfigur? – Welche Bücher lesen sie?“, „Wann und in welchen Momenten ist unser Vorhandensein bedeutend und wann bestürmt uns eine Art von Wohlbehagen?“
Aus dem ersten Kapitel erfuhren die Anwesenden, dass der Zeitpunkt des Geschehens Freitag, der 2. Oktober 2009, 14.19 Uhr, ist und der Ort eine Parkbank in der Schwanenteichanlage nahe der Stadtbücherei Heidelberg. Hier verbringt der Professor und Verhaltensforscher Veltenhöfer viele Stunden. Ein Student, der die milde Herbstsonne genießen möchte, setzt sich zu ihm und sie kommen ins Gespräch. Eigentlich ist es kein Dialog. In einem schier endlosen Monolog denkt Veltenhöfer laut über sein Leben, aber auch über die Welt im Allgemeinen nach.
In den weiteren Kapiteln, die Cornelius zum Vorlesen auswählte, kamen Veltenhöfers alltägliche Gelüste zur Sprache oder wie er zum Rolling-Stones-Experte wurde. Auch über die Liebe, über Bier, Großväter und das Spülen denkt er nach sowie über das Telefonieren mit dem Handy, über Politiker oder andere Persönlichkeiten, denen man prinzipiell misstrauen sollte. Erinnerungen an seine Zwillingsschwestern, an seinen Vater, der Arzt war, an den Landbriefträger runden das Bild einer Kindheit ab, die ihn schon früh mit kritischer Beobachtungsgabe ausgestattet hat. So hinterfragt Veltenhöfer manches, was die Moderne, vor allem in der Medizin, in Wissenschaft und Forschung, hervorgebracht hat. Daher stellte eine Zuhörerin die berechtigte Frage, wie viel vom Autor Cornelius selbst in Veltenhöfer steckt. „Meine Meinung ist die, dass im jeden Buch etwas Autobiografisches steckt“, erwiderte er, „und viele von Veltenhöfers Ansichten sind ansatzweise auch meine. Als Autor kann man ja nur über Dinge schreiben, die man selbst erlebt, von Dritten oder aus gelesenen Büchern erfahren hat.“ Er selbst hat keine Zeit auf Parkbänken verbracht, verrät der Autor noch, aber durch das Bild eines fixen Mittelpunkts, um den sich alles andere bewegt, diente seiner Absicht, den Reflexionen Veltenhöfers glaubwürdig Gestalt zu verleihen.
Und zum Schluss ergänzte er, was seiner Meinung nach so besonders an dem Buch ist: „Sein Nutzen ist weltweit einzigartig. Im Wartezimmer einer Arztpraxis zum Beispiel können Sie jede beliebige Seite aufschlagen und Sie sind, ganz anders als bei einem Krimi, wo der Handlungsstrang wichtig ist, mittendrin in der Story.“
Das Buch: „Veltenhöfer spricht ab fünf“, Andreas F. Cornelius, Leipziger Literaturverlag, 220 Seiten, ISBN 978-3866602588, 19,95 Euro.
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