Eppelheim. Endlich nach langer Corona-Pause waren sie wieder live zu erleben: Die „Young Vocals“, der ambitionierte Kammerchor des Sängerbundes Germania.
Der Chor entstand 2001 aus der musikpädagogischen Arbeit ihrer Gründerin und Leiterin, Dr. Valerie Schnitzer, am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Eppelheim. In Kooperation mit dem Sängerbund Germania wurde eine Plattform für anspruchsvolle Ensemblearbeit gefunden.
Zum Erhalt des Chores leistete Schnitzer in den zurückliegenden Jahren und bis heute zeitaufwendige Mosaikarbeit: Sie fügt die begabtesten Schülerinnen und Schüler der Schule immer wieder neu zu einem harmonischen Ensemble zusammen. So bleiben die „Vocals“ durch Schülerinnen und Schüler, die nachkommen und ins Ensemble hineinwachsen ein sich immer wieder neu und natürlich verjüngender Kammerchor, der bei seinen Konzerten im Publikum große Begeisterung erzeugt.
In der nahezu vollbesetzten Josephskirche gab das vielfach gelobte und hochgeachtete Ensemble ein fulminantes Zeugnis ab, dass sie die schwierige Phase der Corona-Pandemie höchst lebendig und vital überstanden haben. Unter der wohltuenden Leitung von Dr. Valerie Schnitzer präsentierte der 24-köpfige Chor gemäß dem Konzertmotto „Canticum Novum“ (Neue Lieder) einen bunten Strauß von A-cappella-Chorstücken quer durch die Welt und die Musikgeschichte.
Schon beim Einzug in den Kirchenraum kam Gänsehautfeeling auf: Die Sängerinnen und Sänger intonierten eine Cluster-Improvisation, die sich schließlich mit dem Motto gebenden „Canticum Novum“ zum gregorianischen „Alleluja“ verdichtete. Der Chorleiterin war die Freude über den lang ersehnten Auftritt vor Publikum und die Vorfreude auf das exquisite Programm anzumerken.
Mit Blick auf die Tonsilben „Do, re, mi, fa, so, la, ti, do“, die das Konzertplakat schmückten und charakteristisches Sinnbild der musikpädagogischen Arbeit am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium sind, ging sie auf die Gründung der „Young Vocals“ ein, die ohne die musikpädagogische Arbeit am Eppelheimer Gymnasium ebenso wenig möglich gewesen wäre, wie die seit Jahrzehnten erfolgreiche Kooperation zwischen der Schule und dem Sängerbund Germania.
Dass Komponist Arvo Pärt genau diese Tonsilben in seinem Stück „Solfeggio“ zu einer Cluster-Komposition zusammenfügt, passte wunderbar ins „Vocals-Programm“. Die jungen Sängerinnen und Sänger wussten mit dieser Komposition in wunderbarer Weise den Kirchenraum förmlich auszumalen.
Empathisch und lebendig
Statt eines Programmheftes wurde jedes Gesangsstück anmoderiert. Die Chormitglieder verstanden es, empathisch und lebendig zu jedem Stück hin- und einzuführen. An jeder Stelle war der eigene Bezug, die Liebe zum Stück spürbar. Ob Moses Hogans jubilierendes „I want to thank you, Lord“ oder Dimitri Bortnjanskis meditativ-intensives „Tebe pojem“, das haitianische „Wangol“ oder Johannes Brahms’ romantisch-empfindsames „In stiller Nacht“ oder Randall Thompsons großbogig schwebendes „Alleluja“ mit seiner genialen Schlusssteigerung: Jedes der höchst unterschiedlichen Stücke erklang im Kirchenraum in solch perfekter Intonation und Präzision, mit derart starker Dynamik zwischen klangstrahlender Wucht und bis ins kaum mehr Hörbare gesteigertem Pianissimo, dass mit jedem Stück neue, betörende Atmosphäre und kaum zu steigernde Ausdruckskraft auf die Hörer strömte, der sich niemand entziehen konnte – und wollte.
Faszinierend für die Zuhörenden und Zuschauenden war nicht nur der berührend harmonische Klang des jungen Kammerchores, sondern auch die sichtbare Interaktion zwischen freundlich fordernder und warmherzig lobender Chorleiterin und ihren hellwachen Sängerinnen und Sängern. Auf leiseste Winke wurde reagiert, Tempi aufgenommen, große Bögen ausmusiziert, Schlüsse bis fast zur Unendlichkeit ausgestaltet. Man fragte sich als Zuschauender mehr als nur einmal: „Wann atmen die Chormitglieder eigentlich?“
Nie besser als an diesem Abend
Wer die „Young Vocals“ von Konzerten der Jahre zuvor kannte, hat es nicht übersehen: Corona und seine lange Singpause hat den Kammerchor etwas verkleinert. Keineswegs gelitten hat jedoch die Qualität. Nie waren die Vocals besser „drauf“ als an diesem Abend. Und waren es keine einfachen Lieder, die von der Chorleiterin gefordert wurden, sondern hochanspruchsvolle Chormusik, die auch Profichöre sehr herausfordern würde.
Das Konzert war eine großartige Leistung – zumal ein guter Teil der Chormitglieder noch Schülerinnen und Schüler des Bonhoeffer-Gymnasiums sind oder junge Ehemalige. „Chapeau an Chor und Chorleiterin“, hörte man eine Besucherin nach dem Konzertgenuss sagen. Andere waren zutiefst dankbar, ein solches Ensemble, eine „echte Kostbarkeit“, in Eppelheim zu haben.
Es verwunderte nicht, dass das junge Ensemble am Ende des fast anderthalbstündigen Konzerts minutenlang stehende Ovationen bekam und sich dafür beim Publikum mit einer schlichten, aber herzberührenden Zugabe bedankte: Dem nachdenklich-ernsten Kanon „Hashi venu“, der hebräischen Bitte Israels um Frieden. Die Zuhörerinnen und Zuhörer waren gerührt und berührt. Eine Dame meinte am Ausgang ganz beseelt: „Wieviel Kraft und Trost haben diese jungen Menschen mir heute gegeben…“
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