Eppelheim. Der Widerspruch könnte größer kaum sein. Überall wird beschworen, wie wichtig fair verteilte Startchancen beim Thema Bildung seien und wie verheerend sich hier Ungleichheit auswirke, auf den Einzelnen wie auf das ganze Land. Nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch im Bildungssystem sollten die Menschen gleich sein, zumindest so weit als möglich und in Bezug auf die Bedingungen am Anfang.
Schon Politphilosoph John Rawls schrieb 1979: „Eine funktionierende Demokratie basiert auf Gerechtigkeit, die größtmögliche Freiheit für alle und besondere Unterstützung für die Schwächsten sichert.“ Dieser Grundsatz könnte durch vom Land geplanten Kürzung der Mittel für die Schulsozialarbeit gefährdet sein.
Und die Herausforderungen in diesem Bereich seien laut SPD-Fraktionssprecherin Renate Schmidt evident. Beide Elternteile werktätig, die institutionelle Ganztagsbetreuung nimmt zu und so fände immer mehr Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen in Schulen statt. Auch der digitale Kontext verändere den Erlebensraum von Kindern und Jugendlichen massiv und dann bevölkert heute eine deutlich vielfältigere Schülerschaft die Schule, was Chancen, aber eben auch Herausforderungen mit sich bringt.
Greifbar wurde dies in einer gemeinsamen Stellungnahme der Schulsozialarbeiter an den vier Schulen in Eppelheim, der Theodor-Heuss-Grundschule, der Friedrich-Ebert-Gemeinschaftsschule, der Humboldt-Realschule und dem Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. Die Schulsozialarbeit, so heißt, sei ein niederschwelliges Angebot, das schnelle Hilfe vor Ort biete.
Kürzungen könnten auch in Eppelheim zu sinkender Chancengerechtigkeit sorgen
„In einer zunehmend komplexen und schnelllebigen Gesellschaft nehmen psychosoziale Belastungen, familiäre Probleme und schulischer Druck, mit direkten Auswirkungen auf die jungen Menschen, zu.“ Und genau hier setze die Schulsozialarbeit an. Sie biete Orientierung, schaffe Vertrauen und baue Brücken. Nur so könne einer sinkenden Chancengerechtigkeit entgegengewirkt werden.
„Schulsozialarbeit ist daher nicht ,nice to have‘, sondern eine grundlegende Investition in die Zukunft der jungen Menschen.“ Und, möchte man hinzufügen, in die des Landes. Es ist eine Sicht, die das Land Baden-Württemberg offiziell zu teilen scheint. Schulsozialarbeit, so lässt das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration verlauten, trage zu einem gelingenden Alltag, zur Stabilisierung des Schulerfolgs, zur Eingliederung in die Arbeitswelt und zur gesellschaftlichen Integration bei.
Trotzdem stehen nun diese Kürzungspläne im Raum, die der Schulsozialarbeit einen schweren Schlag versetzen würde. Und darüber hinaus mittel- bis langfristig für höhere Kosten durch Schulabbrüche, Therapien und andere soziale Folgekosten sorgen könnte. Die gesellschaftliche Ungerechtigkeitslücke würde größer werden und das demokratische Legitimationsfundament kleiner.
Schulsozialarbeit in Eppelheim: Es gibt auch Förderungen
Zugeben muss man, dass das Land einiges investiert. Die Zahl der Schulsozialarbeiter hat sich von 2012 bis 2023 in Baden-Württemberg verdoppelt. Und die Förderung verdreifacht. Standen im Landeshaushalt 2012 noch 15 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit bereit, sind es aktuell rund 45 Millionen Euro. Für Eppelheim bedeutet das derzeit Fördermittel in Höhe von knapp 85.000 Euro für rechnerisch 5,08 Stellen. Gefördert wird die Schulsozialarbeit auch noch vom Rhein-Neckar-Kreis. Im laufenden Jahr mit knapp 124.000 Euro.
Die Pläne aus Stuttgart sehen hier eine Kürzung der Landesmittel auf etwas über 40.000 Euro vor, auf rechnerisch 2,4 Stellen. Auf Eppelheim käme damit eine Mehrbelastung von deutlich über 44.000 Euro zu. Und das sei vor dem Hintergrund der dramatisch schlechten Haushaltslage, so Bürgermeister Matthias Kutsch, keine gute Nachricht.
Aktuell kostet Schulsozialarbeit die Stadt an allen vier Schulen insgesamt, also die Förderung nicht berücksichtigt, rund 478.000 Euro im Jahr. Abzüglich der aktuell 209.000 Euro Förderung verbleiben bei Eppelheim Kosten von 269.000 Euro für die Schulsozialarbeit. Und für 2026 geht die Verwaltung davon aus, dass die Kosten weiter steigen. Allein die Lohnkosten werden um drei Prozent steigen. Allein das wäre ein Plus von 14.340 Euro.
Schulsozialarbeit: Eppelheimer Rektorin sieht großen Gewinn
Laut Schmidt stuft die Verwaltung das Risiko einer Reduzierung der Schulsozialarbeit daher hoch ein. Dabei lasse die gesellschaftliche Entwicklung keine Reduzierung in der Präsenz vor Ort zu. Eine Sicht, die die Rektorin der Friedrich-Ebert-Gemeinschaftsschule, Verena Wittemer, teilt. „Die Schulsozialarbeit ist an unserer Schule zum absolut unverzichtbaren Unterstützungssystem geworden, sie ist ein großer Gewinn, weswegen eine Kürzung der Mittel fatal wäre.“
In ihren Augen erscheint die gegenteilige Strategie zielführend. „Die Schulsozialarbeit muss weiter gestärkt und ausgebaut werden.“ Und das ist eine Sicht, der man an den Schulen Eppelheims überall begegnet. Schule, vor allem die erfolgreiche Version von ihr, fußt ganz grundsätzlich auf der Schulsozialarbeit.
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