Landgericht

Prozess zur Bierflaschenattacke in Eppelheim beginnt

Die Staatsanwaltschaft wirft einem 34-Jährigen aus Sri Lanka versuchten Mord in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung vor. Er soll alkoholisiert mit einer Flasche zugeschlagen und zugestochen haben.

Von 
Volker Widdrat
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Am Morgen nach der Tat sind Mitarbeiter des Bauhofes dabei, die Straße und den Gehweg von der Blutspur zu befreien. © PR-Video

Eppelheim/Heidelberg. Vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Heidelberg begann am Donnerstag der Prozess gegen einen 34-jährigen Mann aus Sri Lanka, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorwirft. Das Schwurgericht unter dem Vorsitzenden Richter Jochen Herkle will an fünf Verhandlungstagen klären, was sich am Morgen des 27. Juli vergangenen Jahres in und vor einer Gaststätte in Eppelheim ereignet hat. Dazu sind zahlreiche Zeugen geladen. Die Kammer wird auch Gutachten einer Rechtsmedizinerin und einer psychiatrischen Sachverständigen hören. Die Rechtsanwälte Kirsten Funk (Frankfurt) und Rüdiger Betz (Heidelberg) verteidigen den 34-Jährigen, der zur Hauptverhandlung aus der Haft vorgeführt wurde. Nebenklägervertreter ist Rechtsanwalt Thomas Franz aus Ketsch.

Staatsanwalt Florian Jost verlas die Tatvorwürfe. Ein Dolmetscher übersetzte die Anklageschrift. Der Beschuldigte soll in der Café-Bar in Eppelheim einem anderen Gast von hinten eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen haben, die dadurch zu Bruch gegangen sein soll. Anschließend soll er dem Geschädigten mit dem abgebrochenen Flaschenboden zunächst im Bereich der Niere und dann mit voller Wucht in die linke Gesichtshälfte gestochen haben. Bei einem Abwehrversuch soll das Opfer von einem Stich gegen die linke Hand getroffen worden sein. Andere Gäste des Lokals sollen den Angeklagten schließlich von weiteren Schlägen abgehalten haben.

An der Tür der Bar in der Hildastraße hängt ein Absperrband der Polizei – hier ist es in der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 2022 zum Streit zwischen zwei Männern gekommen. © PR-Video

Tat in Eppelheim mit 2,5 Promille

Der Geschädigte hatte durch den Angriff eine Kopfplatzwunde, eine große Schnittwunde entlang der gesamten linken Gesichtshälfte sowie eine etwa vier Zentimeter große Wunde in der Nierenregion erlitten. Der linke Daumen war ihm teilweise abgetrennt worden. Der damals 29-Jährige leidet bis heute körperlich und psychisch unter den Folgen des Angriffs. Der Angeklagte soll bei der Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit 2,5 Promille Alkohol im Blut gehabt haben.

Der 34-Jährige machte ausführliche Angaben zu seiner Person. Er habe in Sri Lanka die Schule besucht und ein IT-Studium absolviert. In Malaysia habe er eine Arbeitsstelle bekommen. Nach Problemen mit Kollegen sei er aber in sein Heimatland abgeschoben worden. Als sein Vater krank geworden sei, habe er die Stelle als Systemanalytiker bei einer Bank aufgeben und im väterlichen Geschäft aushelfen müssen. Nach dem Ende des Bürgerkriegs 2009 habe er das Land verlassen müssen und sei deshalb nach Europa geflüchtet. In Deutschland sei sein Asylantrag abgelehnt worden, in Frankreich sei ihm der Aufenthalt stattgeben worden. Der 34-Jährige hatte für verschiedene Restaurants in Paris gearbeitet und später dann mit seinem Schwager einen Gemüsehandel in Kelsterbach bei Frankfurt betrieben.

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Catharina Zelt
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Er habe zur Tatzeit „starken Liebeskummer“ gehabt, weil seine Verlobte in Malaysia auf Druck ihrer Familie einen anderen Mann hatte heiraten müssen, erzählte er dem Gericht. Er habe versucht, sich mit Schlaftabletten umzubringen, seine Schwester habe ihn aber gerettet. Er habe zu der Zeit Kontakt mit einem Freund in Heidelberg aufgenommen. Wenn ein Frachtflugzeug mit der Gemüselieferung in Kelsterbach Verspätung gehabt habe, sei er immer wieder in die Café-Bar gegangen und habe manchmal viel Bier getrunken. Der Lokalinhaber sei zu einem Freund geworden. Seine Verlobte habe ihm geschrieben, er solle „ein neues Leben beginnen“.

Verteidigerin Kirsten Funk verlas für ihren Mandanten eine von ihm verfasste Erklärung zum Tatvorwurf. Er sei an diesem Tag „ziemlich fertig“ gewesen. Schon um 14 Uhr habe er Hefeweizen getrunken. Nach einem Telefonat mit einem Mitbewerber habe er das Gefühl gehabt, hintergangen worden zu sein: „In der Bar brütete ich über meine Probleme. Dann sah ich den Geschädigten, wie er mit dem Besitzer stritt. Es ging wohl um eine nicht bezahlte Rechnung. Ich versuchte, zu schlichten.“

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Der Geschädigte habe ihn übel beleidigt und sei drohend auf ihn zugekommen. „Ich ergriff eine Flasche, weil ich Angst hatte“, so der 34-Jährige. An mehr könne er sich nicht erinnern. Auch von weiteren Schlägen wisse er nichts mehr. Als er später die Lichtbilder mit den Verletzungen seines Opfers gesehen habe, sei er „schockiert und über mich selbst entsetzt gewesen“. Später habe er noch erfahren, dass der Geschädigte in einem Chat gefordert habe, „ich möge lange im Gefängnis bleiben und danach abgeschoben werden“.

Das Gericht fragte nach. Der Angeklagte soll am Tattag in der Café-Bar gut 100 Euro verspielt haben. An den Abenden in Heidelberg will er immer etwa 1000 Euro im Geldbeutel gehabt haben. „Sechs oder mehr Hefeweizen“ habe er konsumiert. „Psychisch war ich nicht normal an dem Tag“, gab der 34-Jährige zu Protokoll: „Je später es wurde, desto mehr war ich betrunken.“ Die Kammer nahm Bilder vom Tatort in Augenschein und hörte erste Zeugen.

Der Prozess wird an diesem Freitag um 9 Uhr vor der Strafkammer des Landgerichts fortgesetzt.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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