Kleinkunst

Theaterensemble Wildfang in Eppelheim: Zwischen Genialität und Geisteskrankheit

Das Theaterensemble Wildfang spielt Dürrenmatts „Die Physiker“ im Franziskushof und die Premiere ist schon jetzt ausverkauft.

Von 
Sabine Geschwill
Lesedauer: 
Das Foto zeigt von links Regisseurin Meryem Riester sowie die Darsteller Gudrun Hagemeister, Sandra Linzmair, Lars Göbel, Elisabeth Klett, Markus Lotzenburger, Diana Spitznagel, Manuel Kahl, Mirko Stumpf, Florian Herrmann und Konrad Schubert bei den Proben in der Stadtbibliothek. © Geschwill

Eppelheim. Aktueller geht es mit Blick auf den Ukraine-Krieg und den Unfrieden an vielen Orten auf der Welt wohl kaum: In dem neuen Stück des Theaterensembles Wildfang geht es um böse Mächte, ihrem Streben nach Weltherrschaft und um Erfindungen der Wissenschaft samt ihrer Verantwortung gegenüber der Menschheit. Mit dem Zweiakter „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt feiert das Wildfang-Ensemble am Donnerstag, 3. November, um 20 Uhr im katholischen Gemeindezentrum Franziskushof Premiere. Darüber hinaus gibt es noch vier weitere Aufführungstermine.

Titelfiguren sind drei Personen, die sich als Physiker ausgeben und in einer psychiatrischen Klinik leben. Einer von ihnen, Möbius, hat mit der „Weltformel“ eine Entdeckung gemacht, die eine Gefahr darstellt und damit zur Grundfrage des Stücks – die Verantwortung der Wissenschaft für die Menschheit – führt. Doch Möbius verheimlicht die Formel, flieht in eine psychiatrische Anstalt und spielt den Irren. Er will die Menschheit vor seiner Entdeckung bewahren, denn die praktische Anwendung seiner Formel würde eine Katastrophe bedeuten.

Aufführungen

Das Theaterensemble Wildfang lädt am Donnerstag, 3. November, um 20 Uhr zur Premiere ihres neuen Stücks „Die Physiker“ ein (bereits ausverkauft). Weitere Aufführungen sind am Freitag, 4. November, 20 Uhr (nur noch wenige Restkarten), Samstag, 5. November, 16 und 20 Uhr (Karten erhältlich), sowie Sonntag, 6. November, um 17 Uhr (ausverkauft). Aufführungsort ist jeweils das katholische Gemeindezentrum St. Franziskus in der Blumenstraße 33.

Karten gibt es im Vorverkauf in der Stadtbibliothek auf www.eventim.de. oder an der Tageskasse. sge

Aber die Mächte der Welt sind an seinem Wissen brennend interessiert: Zwei Geheimdienstler, die sich ebenfalls als geisteskranke Physiker ausgeben, haben von ihrer jeweiligen Regierung den Auftrag erhalten, die Weltformel zu erlangen. Möbius gelingt es, seine beiden Mitinsassen auf eine verantwortungsvolle Haltung einzuschwören. Doch es tritt die schlimmstmögliche Wendung ein: Die Irrenärztin Mathilde von Zahnd, die einzig wirklich Verrückte in dem Stück, hat Möbius’ Formel kopiert und möchte die Weltherrschaft übernehmen …

Eine zufriedene Regisseurin

„Das Stück hatten wir immer mal wieder auf unserem Tableau“, erfährt man von Wildfang-Vorstand Manuel Kahl beim Probenbesuch in der Stadtbibliothek. „Es hing in der Vergangenheit aber immer davon ab, ob wir für die Komödie auch die entsprechenden Darsteller haben, um das Stück nah am Original von Dürrenmatt spielen zu können. Jetzt hat es super gepasst“, freut sich Kahl.

Wer die Regie übernimmt, stand von vorneherein fest: Meryem Riester. Für die Lehrerin an der Friedrich-Ebert-Gemeinschaftsschule, die als Zweifachmama gerade noch in Elternzeit ist und vielen Wildfang-Fans unter ihrem Mädchennamen Huyelmas sicher besser bekannt ist, ist es das siebte Wildfang-Stück, bei dem sie Regie führt. „Als Regisseurin eines Amateurtheaters hat man einen pädagogischen, künstlerischen und ästhetischen Anspruch an das Ensemble, den es zu erfüllen gilt“, erläutert sie.

Dass sie mit den Leistungen der Darsteller bislang hochzufrieden ist, gab sie unumwunden zu. Hervorgehoben wurde die gute Textsicherheit aller Schauspieler, die es ermögliche, den einzelnen Szenen frühzeitig den letzten Schliff zu geben. Die Regisseurin legt bei dem Dürrenmatt-Stück großen Wert auf sprachliche Feinheiten wie Ausdruck und Wortlaut. Kein Nuscheln oder Worte verschlucken sei erlaubt. Dürrenmatts Sprache und Worte sollen mit der vom Stückeschreiber gewünschten Wirkung, Tiefe und Ausdruck dem Publikum präsentiert werden.

Ein Thema, aktueller denn je

Dreizehn Rollen galt es zu besetzen. „Die Besetzung ging schnell vonstatten“, erinnert sich Riester. „Unsere Schauspieler können sich sehr gut selbst einschätzen und wünschten sich genau die Rollen, die zu ihnen passten. Es war ein sehr stimmiges Aufeinander zugehen.“ Bereits Anfang des Jahres habe man sich für die Aufführung der „Physiker“ entschieden, erfährt man von Kahl. Seit Februar probt Wildfang die verschiedenen Szenen im Untergeschoss des Jugendtreffs „Teestube“. Wenige Wochen vor der Premiere waren in der Stadtbibliothek Probewochenenden angesetzt – mit Mundschutzpflicht. „Es wäre sehr schwer für uns, wenn wir kurz vor der Premiere Hauptrollen aufgrund von Corona-Erkrankungen neu besetzen müssten.“

Die Themen und Gedanken der 1961 von Friedrich Dürrenmatt verfassten Komödie, die mit der Umkehrung von Wahnsinn und Vernunft spielt, erlangte durch den Ukraine-Krieg eine Aktualität, die bei der Auswahl des Stückes nicht vorhersehbar war. Denn vor dem Hintergrund des atomaren Wettrüstens der Großmächte stellt der Stückeschreiber die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft und kommt zu dem Schluss, dass es irrelevant ist, wie sich Wissenschaftler verhalten: Die Katastrophe nehme immer ihren Lauf. „Die Aktualität war fast schon gespenstig, aber die Diskussionen machten die Proben auch spannend“, erinnert sich Riester. 1962 wurde „Die Physiker“ im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Das Stück war sofort ein Erfolg. Es gehört heute zu den größten deutschsprachigen Theatererfolgen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Freie Autorin Ich bin seit 1995 als freie Journalistin und Fotografin für die Schwetzinger Zeitung im Einsatz und betreue dabei hauptsächlich den Lokalbereich Eppelheim.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung