Beim Fahren ohne Fahrerlaubnis handelt es sich nicht um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um einen Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe sanktioniert wird. Weil er sich ohne Fahrerlaubnis hinter das Steuer gesetzt hatte, war ein 54-jähriger Mann aus Grünstadt vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Schwetzingen angeklagt. Er wurde aus der Haft vorgeführt, weil er derzeit eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer nicht beglichenen Geldstrafe von 33 000 Euro absitzen muss. Erster Staatsanwalt Frank Stork listete insgesamt 20 Fälle auf, wonach der gelernte Stuckateur 2021 ohne gültige Erlaubnis Fahrten von seinem Wohnort zu einer Baustelle in Hockenheim unternommen haben soll.
Der 54-Jährige machte Angaben zu seiner Person. Er ist geschieden, hat zwei erwachsene Söhne und ist Vater eines vierjährigen Kindes aus einer anderen Beziehung. Er hat keinen Führerschein und hat schon als Jugendlicher etliche Trunkenheitsfahrten absolviert. Er sei fünf Wochen mit der Wohnungsrenovierung in Hockenheim beschäftigt gewesen. Sein Auftraggeber habe ihn weder kommen noch wegfahren gesehen, erklärte der gebürtige Mainzer.
Nach der hohen Geldstrafe habe er mit den Baustellen aufhören und einen Baumaschinenverleih betreiben wollen. Als er für einen polnischen Mitarbeiter eine Frau gesucht habe, sei er auf einen Zuhälterring gestoßen. Ein Prozess gegen zwei Männer, die minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen haben sollen, laufe gerade vor dem Landgericht Frankenthal. Dort müsse er auch als Zeuge aussagen, weil die Angeklagten ihn wegen seiner „Ermittlungen“ bedroht hätten. Deshalb habe er auch umziehen müssen. Einmal sei er sogar zusammengeschlagen worden.
„Ich war damals in einer finanziellen Zwangslage und habe unter Druck gestanden“, verteidigte der 54-Jährige die strafbaren Autofahrten. Verteidiger Kayahan Aydin räumte die Tatvorwürfe für ihn ein. Sein Mandant habe allerdings nur zwei bis drei Fahrten gemacht. Sonst sei er durch seine Bauhelfer oder Verlobte nach Hockenheim gebracht worden.
Der 51-jährige Wohnungsinhaber sagte aus. Der Angeklagte sei etwa zwölfmal vor Ort gewesen und habe Renovierungsarbeiten durchgeführt. Er habe ihn aber nur ein- oder zweimal am Steuer seines Transporters gesehen. Plötzlich sei der Handwerker aber nicht mehr aufgetaucht, weil er einen Unfall gehabt haben soll, so der Zeuge.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft sah das Gericht von der Verfolgung aller aufgeführten Taten ab und reduzierte den Vorwurf auf zwei Fahrten hin und zurück. Es blieben vier Fälle übrig. Fünf weitere Zeugen, unter ihnen die Verlobte und ein Kriminalbeamter, brauchten nicht angehört zu werden. Richterin Sarah Neuschl verfügte für die vielen Urkunden und vorangegangenen Urteile das Selbstleseverfahren. Die Einträge im Bundeszentralregister führte die Vorsitzende aus. Der 54-Jährige hat 30 Vorstrafen, meist wegen zigfachem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis, aber auch in Tateinheit wegen Schusswaffenbesitz, Hehlerei, Diebstahl, Urkundenfälschung, Trunkenheit und Unterschlagung. Der Mann hatte nie eine Bewährungsfrist durchgestanden und wegen seiner Delikte zusammengenommen mehrere Jahre hinter Gittern verbracht.
Kein Lerneffekt erkennbar
Erster Staatsanwalt Stork wertete die übriggebliebenen vier Taten. Die Angaben des Zeugen seien ohne Belastungstendenz gewesen. Der Angeklagte sei oft bewährungsbrüchig geworden. Auch die Hafterfahrung habe ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten. So forderte der Anklagevertreter eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten.
Die Verfehlungen seines Mandanten seien keine „Vergnügungsfahrten“, meinte Verteidiger Aydin. Er habe unter Alltagsstress gehandelt. „Er hat diese Dummheit gemacht, um Geld zu verdienen.“ Er sehe in seinem Mandanten „ein zartes Pflänzchen für die Zukunft“, vor allem weil er seinen Baumaschinenbetrieb weiterführen müsse, bat er um Bewährung. Das Schöffengericht urteilte auf ein Jahr und sechs Monate Gefängnis. Eine Führerscheinsperre wurde nicht auferlegt. „Wenn Sie wieder herauskommen, müssen Sie den Führerschein machen“, meinte die Vorsitzende. Der Angeklagte habe zwar gestanden und Reue gezeigt, aber das Vorstrafenregister sei „eine Katastrophe“. Der Haftbefehl bleibt aufrecht.
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