Landwirtschaft

Agrarbetriebe um Hockenheim stehen vor einer Zeitenwende

Die Landwirte Jürgen Schell und Rainer Hoffmann berichten von den Auswirkungen der aktuellen Trockenheit auf ihre Ernten und ihre Ausgaben.

Von 
Henrik Feth
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Jürgen Schell vor einem seiner Felder. Der Landwirt blickt mit gemischten Gefühlen in die Zukunft, in der sich der Klimawandel immer stärker bemerkbar macht – mit gravierenden Folgen für die Landwirtschaft. © Feth

Reilingen/Neulußheim. Die in diesem Jahr anhaltende Hitzewelle bereitet der Landwirtschaft deutschlandweit große Probleme. Felder müssen durchgehend bewässert werden, um der Trockenheit Herr zu werden. Gleichzeitig wird durch den ausbleibenden Regen das nötige Wasser immer knapper, Pegelstände von Flüssen und Bächen sinken, genau wie der Grundwasserspiegel, immer mehr. Ein Teufelskreis, der die Landwirte vor immer größere Herausforderungen stellt und Sorgen um die eigene Existenz hervorruft.

Der Neulußheimer Rainer Hoffmann gibt Einblick auf die Auswirkungen der Hitzewelle auf den Apfelanbau auf seinem Hof, während Kornbauer Jürgen Schell aus Reilingen von den Problemen und Herausforderungen bezüglich der Zukunft der hiesigen Landwirtschaft spricht.

Für Hoffmann stellt sich in erster Linie das Problem der Bewässerung seiner Apfelbäume: „Unsere sechs Hektar können wir mit Über-Krone-Beregnungen abdecken. Wir kommen als kleinerer Betrieb zwar damit klar, aber auch uns kostet dies enormen Aufwand und Geld. Die Trockenheit trifft uns, wie auch andere Betriebe, massiv.“

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Lukas Heylmann
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So seien durch die teilweise extrem heißen Tage vor allem im süd-westlichen Teil der Anlage zehn bis 15 Prozent Apfel vom Sonnenbrand betroffen. Diese könnten dann nicht mehr in den Verkauf und müssten zu Saft verarbeitet werden. „Gerade diese Früchte sind im Normalfall die schönsten, da sie durch die Sonneneinstrahlung ein optimales Äußeres entwickeln. Leider ist es in diesem Jahr zu viel.“

Vögel stillen Durst an Äpfeln

Ähnliche Probleme bereite in diesem Jahr der zunehmende Vogelfraß an den Äpfeln. Überwiegend Kohlmeisen fressen an den Früchten und decken so ihren Wasserbedarf. Die Hitze und Trockenheit mache sich auch im Hofladen bemerkbar, der an heißen Tagen nicht viele Kunden verzeichnet, so Hoffmann.

Der Apfelbauer hofft weiterhin auf einen Wetterumschwung und hat eine klare Meinung: „Ohne die künstliche Bewässerung wäre der Fortgang des Betriebs sicherlich nicht möglich.“

Auch sein Reilinger Berufskollege Jürgen Schell hat mit der Trockenheit zu kämpfen. Als Kornbauer muss er zusehen, wie seine Arbeit förmlich zu Staub zerfällt: „Wir hatten aufgrund unserer Sandböden schon immer mit Trockenheit zu kämpfen, aber in diesem Jahr ist es extrem. Alles an Wissen und Arbeit, das man in den Anbau steckt, wird zunichtegemacht. Wir hatten schöne Bestände, doch durch den seit Anfang Juli ausbleibenden Regen zerfallen diese förmlich. Es ist ein Trauerspiel.“

Durch die klimatische Veränderung werde das Bewässern, das sonst nur als gelegentliche Maßnahme genutzt wurde, zu einem Produktionsinhalt. „Das bringt nicht nur einen enormen Aufwand und hohe Kosten, es führt auch zu einem immensen Wasserverbrauch“, hält Schell fest.

Gleichzeitig warnt er davor, künstliche Beregnung zu einer langfristigen Lösung werden zu lassen: „Durch die Trockenheit sinken Pegelstände. Der Kraichbach wird beispielsweise nur noch durch Klärwasser gespeist. Wir dürfen auch das Grundwasser nicht weiter schröpfen, so nehmen wir den folgenden Generationen die Lebensgrundlage. Künstliche Beregnung ist aus meiner Sicht nicht nachhaltig.“

Tatsächlich gehe es um eine ausgewogene Verteilung des Grundwassers zwischen Bürgern, Industrie und Landwirtschaft. Hier müssten länderübergreifend einheitliche Regelungen getroffen werden. „Der Wasserverbrauch der Landwirtschaft ist im Vergleich zu den Privathaushalten und der Industrie der geringste. Sobald wir noch tiefer in das Grundwasser gehen, bedienen wir uns an den Reserven der Bäume und Wälder. Dies darf so nicht geschehen, denn wenn die Wälder austrocknen und die dortigen Bäume sterben, ist das der Anfang vom Ende.“

Als Teil der Marktgemeinschaft Kraichgaukorn, in der Bauern, Mühlbetriebe und Bäckereien vernetzt sind, merkt Schell bereits die Grenzen, die die Trockenheit zieht: „Die Region hat zu kämpfen, wir hatten das Glück, dass uns von Bauern aus dem Taubertal ausgeholfen wurde, sonst hätten die Bäcker nicht die nötige Menge an Getreide.“

Region hat zu kämpfen

Die Herausforderungen des Klimawandels seien nicht nur in oberflächlicher Betrachtung der Felder zu suchen. So sterbe mit der Trockenheit auch das gesamte Bodenleben aus. Pilze oder Würmer bräuchten als Teil des Biosystems ebenfalls Feuchtigkeit und Humus.

Durch den zu harten Boden verzögerten sich auch Produktionsvorgänge und der gesamte Ablauf gerate ins Wanken. Schell macht sich Sorgen über die weitere Entwicklung: „Ein Getreidefeld soll ein vollständiges Biotop sein. Die Wildkraut- und Insektenflora leidet ohne länger anhaltende Niederschläge. So bricht das Biosystem auf dem Feld zusammen. Wir müssen etwas für die Natur tun, denn sie ist unsere Grundlage.“

Die Auswege seien schwierig, regenerative Landwirtschaft zur Humusanreicherung stecke noch in den Kinderschuhen und das „AgriAdapt-Projekt“, das nachhaltige Anpassungsmaßnahmen zur Widerstandsfähigkeit der Agrarbetriebe erforscht, brauche noch Zeit.

Zeit, die die Landwirte eventuell nicht haben, sollten sich Dürrejahre wie dieses nun ständig wiederholen. Eine zunehmend belastende Situation für die Landwirte, die Schell beschreibt: „Wir sind auf die Natur und unsere Ernte angewiesen. Trockenheit und Dürre waren schon immer Teil unserer Branche, aber dieses Ausmaß nimmt beunruhigende Züge an. Es belastet auch mental extrem, schließlich hängt die eigene Existenz an dem Betrieb.“

„Es ist das reinste Glücksspiel“

Kosten für Saatgut, Pacht oder Treibstoff stiegen ebenfalls kontinuierlich und das finanzielle Risiko werde immer größer. In diesem Zusammenhang spricht Schell von einem „Zocken“, zu dem einige Landwirte gezwungen sind: „Man nimmt enorme finanzielle Mittel in die Hand, um Saatgut zu erwerben und dieses dann in der Hoffnung auf Regen auszusäen. Es ist das reinste Glücksspiel“. Zehn Prozent seiner Reilinger Felder dienen zum Weizenanbau, der Rest wird für Roggen und Mais genutzt. Allein beim Mais hätte er die Hälfte nicht ernten können, da sich keine richtigen Kolben bildeten, so Schell.

Für den Kornbauer ist als Fazit klar, dass nur Prävention und Anpassung helfen können. „Das Weltklima steckt mitten im Wandel und darauf muss die Landwirtschaft vorbereitet sein. Wir alle sollten uns mäßigen, mit Wasser vernünftig umgehen und auch gegebenenfalls unsere Angewohnheiten, ob bei der Ernährung oder Mobilität, ändern.“

Nur so könnten die kommenden Herausforderungen, nicht nur an die Landwirtschaft, gemeistert und die Zukunft gesichert werden, ist der Reilinger überzeugt.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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