Hockenheim. Wegen des Besitzes kinderpornografischer Inhalte in Tateinheit mit jugendpornografischen Dateien wurde ein 72-jähriger Hockenheimer vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Schwetzingen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Auf dem Laptop des Rentners waren bei einer Wohnungsdurchsuchung über 72 000 Bilder, die zum Teil den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern ab dem Säuglingsalter zeigen, entdeckt worden. Zudem waren 24 000 Dateien mit jugendpornografischem Inhalt gespeichert, auf denen sexuelle Handlungen von Männern an Mädchen unter 14 Jahren zu sehen sind.
Auf Fragen zu seiner Person teilte der Mann mit, noch nie eine feste Beziehung gehabt zu haben, nur „versuchte“ Beziehungen, „immer ohne Erfolg“. Dass er so viele Kinderpornografie-Dateien abgespeichert hatte, sei „ein langer Prozess“ gewesen: „Ich wollte immer mehr. Und plötzlich waren auch die ganzen russischen Seiten da.“ Die Bilder hätten ihn an seine Kindheit erinnert, als er sich mit einem Nachbarsmädchen zu „Doktorspielen“ verabredet habe. Er habe sich durchaus Gedanken gemacht über die missbrauchten Kinder.
Der 72-Jährige hatte sich für eine Therapie anmelden wollen, die Sache dann „aber doch schleifen lassen“, gab er zu. Dass es überhaupt zu diesem Verfahren kommen konnte, hat die Staatsanwaltschaft einer Aussage des Angeklagten in einem vorherigen Berufungsverfahren zu verdanken. Damals hatte der Mann während des Prozesses mitgeteilt, dass er noch einen Laptop in seinem Besitz hat. Die Polizei war daraufhin gleich nach dem Urteil zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung mit ihm zu seinem Haus gefahren und hatte das Gerät beschlagnahmt.
Download fördert Verbreitung
Verteidiger Ekkart Hinney beantragte die Einstellung des Verfahrens, weil in beiden Hauptverhandlungen ein identisches Thema behandelt werde. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab. Ein 35-jähriger Kriminalbeamter sagte zum Ursprungsverfahren aus. Die Ermittler hatten den bei der Durchsuchung übersehenen und erst später sichergestellten Laptop ausgewertet. Etwa 1000 Bilder seien identisch mit dem zuerst konfiszierten Laptop gewesen, der Rest aber neu.
Der letzte Zugriff auf kinderpornografische Dateien durch den Angeklagten sei kurz vor der ersten Verhandlung erfolgt. Die meisten Bilder zeigten sehr junge Personen, „eher im Säuglingsalter“ und „alles in allem Kleinkindpornografie“, schilderte der Beamte. Vor allem in Osteuropa gebe es einen riesigen Markt dafür. Mit dem Download solcher Bilder fördere man die Verbreitung immer weiter. Das Gericht nahm einige Bilder in Augenschein.
Der 72-Jährige ist nicht vorbestraft, weil das Urteil aus dem ersten Verfahren noch nicht rechtskräftig ist. Die Staatsanwältin sah den Tatvorwurf bestätigt. Das Verfahren sei in Gang gekommen, weil der Angeklagte noch einen Laptop hatte. Von über 72 000 Bilddateien seien rund 50 000 nicht gelöscht gewesen. Bei dem Mann lägen pädophile Neigungen vor. Er habe sein Problem zwar eingesehen, sei sich aber des Ernstes seiner Lage nicht bewusst. Sie forderte eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und elf Monaten auf Bewährung, dazu eine Geldauflage von 5000 Euro. Eine Therapie werde den Mann von weiteren Taten abhalten, meinte die Anklagevertreterin.
Kein Vergleich mit „Doktorspielen“
Verteidiger Ekkart Hinney monierte den Strafantrag der Staatsanwaltschaft nicht. Der 72-Jährige habe mit dem ersten Urteil „einen Tritt vors Schienbein bekommen“, sich die Schwere seiner Taten aber nicht bewusst gemacht: „Er hat sich ungeschickt verhalten.“ Eine Bewährungsstrafe sei zielführend. Jetzt müsse sein Mandant eine auf ihn zugeschnittene Therapie machen, stellte der Anwalt das Urteil in das Ermessen des Gerichts.
Der Tatvorwurf habe sich bewahrheitet, führte der Vorsitzende Richter Weimer nach dem Urteil des Schöffengerichts aus. Es sei „tatsächlich Kleinkindpornografie“ gewesen, das könne man nicht mit sogenannten „Doktorspielen“ in der Kindheit in Einklang bringen.
Einige Punkte sprächen zu Gunsten des Angeklagten, begründete der Richter das Urteil von einem Jahr und elf Monate auf Bewährung. Wenn er seinen Laptop weggeworfen hätte, wäre es nicht zu diesem Verfahren gekommen. Die Bewährung sei durch besondere Umstände gerechtfertigt, auch weil der Angeklagte mit seinen pädophilen Tendenzen zu einer Therapie bereit sei.
Der Hockenheimer muss 5000 Euro an den Kinderschutzbund Mannheim zahlen und sich für eine Therapie bei der Forensischen Ambulanz Baden vorstellen. Die Behandlungsinitiative Opferschutz Baden-Württemberg (BIOS-BW) beim Oberlandesgericht Karlsruhe bietet dort rückfallpräventive und deliktorientierte Therapien für bereits abgeurteilte Sexualstraftäter an.
Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre, für ein Jahr wird der 72-Jährige einem Bewährungshelfer unterstellt.
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