Corona - Hotels haben durch zweiten Lockdown endgültig Perspektiven verloren / Auf Ring als Besuchermagnet existenziell angewiesen / Kurzarbeit bis zu 100 Prozent

Buchungen brechen komplett ein

Von 
Benjamin Jungbluth
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Leere Ränge, während auf dem Ring die DTM ihren Saisonabschluss fährt: Hoteldirektor Richard Damian blickt auf der Tribüne direkt über dem Hotel Motodrom in eine ungewisse Zukunft – er kann in der aktuellen Lage nichts planen. © Jungbluth

Hockenheim. Zum DTM-Finale sah die Welt für Richard Damian, Chef im „Hotel Motodrom“, plötzlich noch einmal entspannt aus: Volles Haus, gute Stimmung bei Gästen und Personal und trotz Abstandhaltens, Masketragens und umfangreichem Hygienekonzept kam fast so etwas wie Normalität auf. Doch schon auf der großen Tribüne mit Blick auf die Rennstrecke, direkt über dem Hotel des Hockenheimrings, zeigte sich für Richard Damian die Krise überdeutlich: endlose leere Ränge, kein Fan weit und breit.

Während unten die Tourenwagen vorbeidonnerten, versuchte der Hotelchef oben die Lage seiner Branche zu ordnen. „Durch das Rennen sind wir noch einmal ausgebucht, natürlich ausschließlich mit Mitarbeitern der Rennställe. Doch den restlichen November über gibt es keine einzige Buchung mehr – das ist schon ein krasser Bruch“, sagte Damian.

„Können de facto nicht arbeiten“

Im September berichtete unsere Zeitung zuletzt über die Lage der Hoteliers in Hockenheim. Damals erholten sie sich gerade vom ersten Lockdown. Das Hotel am Hockenheimring, das zu 100 Prozent der Stadt gehört, freute sich über langsam steigende Gästezahlen. „Der Oktober lief dann wirklich gut, da konnten wir wieder 75 Prozent unseres normalen Umsatzes erwirtschaften. Aber dann kam der zweite Lockdown. Der ist zwar insgesamt weniger rigide als im Frühjahr, aber für unsere Branche macht es keinerlei Unterschied: Wir können de facto nicht arbeiten“, erklärt Damian.

Seine Mitarbeiter sind weiterhin in Kurzarbeit, im November feiern viele notgedrungen ihren Resturlaub ab. Auch mit Schulungen und Instandsetzungen versucht Richard Damian, seine Kollegen sinnvoll einzusetzen, soweit es eben geht. „Entlassen haben wir noch niemanden – weil wir aber frei werdende Stellen seit dem Frühjahr nicht mehr nachbesetzen, sind wir inzwischen nur noch 23 statt 27 Mitarbeiter“, erklärt der Hotelchef. In der Statistik schlage sich das nur begrenzt nieder.

Zulieferern geht’s schlimmer

Und die Lage bei den Zulieferern und Dienstleistern sei noch einmal deutlich schlimmer. „Die verkaufen teilweise ihr Equipment, um über die Runden zu kommen. Oder die ganzen Hockenheimer Vereine, die normalerweise ihr Geld mit Tätigkeiten am Ring verdienen: an den Kiosken, beim Tribünenreinigen, als Parkeinweiser oder bei der Ticketkontrolle – das alles fällt seit Monaten weg“, erinnert Richard Damian.

Besserung ist für die Branche nicht in Sicht: Für den Dezember wurden bereits reihenweise Weihnachtsfeiern und Firmenevents storniert. Niemand wisse, wie es im nächsten Jahr weitergehe. „Wir können schlicht nicht planen“, sagt der Fachmann.

Die gleichen Sorgen treiben auch Julian Blem um. Er betreibt mit dem „Hotel am Flugplatz“ seit 2007 das letzte inhabergeführte Hotel der Rennstadt. Im September lief es bei ihm nur schleppend wieder an, trotzdem gab er den Mut nicht auf: Er bot seinen bei Stammgästen äußerst beliebten Mittagstisch wieder an, um zumindest den Restaurantbetrieb als Standbein nutzen zu können. Mit den erneuten Einschränkungen endete dieser Hoffnungsschimmer jäh.

„Einen Lieferservice einzurichten, ist für mich als Ein-Mann-Betrieb nicht möglich. Und die Mitnahmeangebote sind auch ansonsten aus wirtschaftlicher Sicht kaum tragfähig: Wir Gastronomen verdienen, allen Vorurteilen zum Trotz, kaum etwas an unserem verkauften Essen, sondern fast ausschließlich an den Getränken. Gerade die werden bei Lieferessen aber kaum nachgefragt – eine kalte Cola hat man auch im eigenen Kühlschrank zu Hause. Damit geht die Gesamtkalkulation nicht auf“, fasst Blem die Zwickmühle der Gastronomen zusammen.

Weil Touristen nicht übernachten dürfen – und es ohne Aktivitäten am Ring auch kaum tun würden – kann er seine Zimmer nur an Geschäftsleute vermieten. Doch die sind derzeit zu einem Großteil im Homeoffice, Dienstreisen wurden fast überall eingestellt. „Wenn ich Glück habe, kommen vielleicht ein paar Arbeiter auf Montage vorbei, aber davon zu leben, ist kaum möglich. Umso mehr ärgert es mich, dass sich vonseiten der Stadtverwaltung weiterhin niemand bei mir nach der Lage erkundigt oder gar Unterstützung angeboten hat“, bedauert Blem.

Kaum besser sieht es beim „Taste Hotel“ in der Innenstadt aus. Für das restliche Jahr muss das Haus einen Rückgang der Buchungen von rund 90 Prozent verkraften. Voraussichtlich vom 14. Dezember an schließt das „Taste“ deshalb komplett, ab 10. Januar soll es weitergehen – je nach Entwicklung der Lage. „Unsere Mitarbeiter, die allesamt seit April in Kurzarbeit sind, nehmen in dieser Zeit ihren Resturlaub. Entlassen mussten wir noch niemanden, aber wir besetzen auch nicht nach. Das betrifft die Stellen von zwei Kolleginnen, die in Elternzeit sind, und vier Aushilfsstellen, die wir normalerweise den Sommer über beschäftigt hätten“, erklärt Hotelchef Mathias Cron.

Öffnungszeiten reduziert

Gleichzeitig wurden im „Taste“ die Öffnungszeiten reduziert. Die Kollegen aus Heidenheim übernehmen für das Hockenheimer Hotel inzwischen das Telefon. Und die Reservierungsabteilung der Hotelketten-Zentrale in Neu-Ulm arbeitet komplett von zu Hause aus.

Mathias Cron berichtet auch von Gesprächen mit Kollegen seiner Branche. „Durch den voraussichtlich kompletten Ausfall der Wintersaison – vor allem das Weihnachtsgeschäft – haben alle Sorge, wie lange sie noch durchhalten können. Denn bis 2022 rechnen wir mit dem Ausfall der wichtigen Umsätze von Reisegruppen“, schildert Mathias Cron die Lage. „Wir Hoteliers in Hockenheim sind außerdem von den Veranstaltungen am Ring abhängig. Sollte es dort im kommenden Jahr keine Events mit Zuschauern geben, sehe ich schwarz.“

Eine verlängerte Winterpause wird es auch beim Hotel „Achat“ in Talhaus geben. „Wir erweitern bereits jetzt die Kurzarbeit und werden sie wohl bald auf 100 Prozent hochschrauben“, erklärt Hotelchef Marcus Stumptner. „Wir kämpfen mit massiven Umsatzverlusten, da wir auch an der Hotelbar nichts ausschenken dürfen und auf Frühstücksboxen zu einem reduzierten Preis umstellen mussten.“

Als Hoffnungsschimmer sieht Marcus Stumptner die Zeit ab Ostern, dann könnte seiner Meinung nach das Geschäft wieder besser laufen. „Bis dahin müssen wir absolut kostenbewusst arbeiten. Als Hotelkette sehen wir aber positiv in die Zukunft: Der Zusammenhalt zwischen den Mitarbeitern ist in den letzten Monaten gewachsen und wir haben viele kreative Ideen geschnürt, um uns auf die Zukunft nach Corona zu konzentrieren“, versucht „Achat“-Hotelchef Marcus Stumptner seinen Optimismus zu bewahren.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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