Humanismus im Wasserturm

Die Endlichkeit drängt auf Antworten

Dr. Maura Zátonyi, Benediktinerin der Abtei St. Hildegard in Eibingen, referiert über „Hildegard von Bingen und die europäische Spiritualität“

Von 
Maria Herlo
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Werner H. Heussinger, Bestsellerautor und Vorstand der Heidelberger Gespräche-Gesellschaft, und Dr. Maura Zátonyi, Benediktinerin der Abtei St. Hildegard in Eibingen und Vorsitzende der St.-Hildegard-Akademie. © Lenhardt

Die Veranstaltungsreihe „Humanismus im Wasserturm“, die von den Stadtwerken in Zusammenarbeit mit dem Hockenheimer Marketing-Verein, der Heidelberger Gespräche-und der Goethe-Gesellschaft durchgeführt wird, fand am Samstag ihre Fortsetzung. Unter dem Motto „Auf den Spuren des europäischen Geistes“ laden die Humanismustage 2023 im denkmalgeschützten Wasserturm ein, Inhalte neu zu entdecken, Hintergründe auszuleuchten, den Horizont zu erweitern und in Gesprächen das Gehörte zu vertiefen.

Dabei treffen die Besucher auf spannende Persönlichkeiten, renommierte Experten und fachkundige Referenten. Gleichzeitig ermöglichen sie persönliche Begegnungen und Dialog. In das ausgesprochen stimmungsvolle Ambiente passen wunderbar die eindrücklichen Bilder der Künstlerin Gisela Späth, die in ihrer Vielfalt an Themen, Farben und Techniken die Diversität menschlichen Daseins erfahrbar machen.

Werte und Ideale kennenlernen

„Wir haben uns hier versammelt, um gemeinsam eine Reise in die Welt des Humanismus zu unternehmen, um an den drei Wochenenden die Werte und Ideale des Humanismus zu reflektieren und uns für eine bessere Welt einzusetzen“, begrüßte Martina Wilk, Leiterin der Stadtwerke, die Gäste und dankte allen, die zum Gelingen dieser erhellenden Abende beitragen. „Gerne gestalten wir diese Tage im Wasserturm, weil auch Sie, verehrtes Publikum, so reges Interesse bekunden“, fügte Ralph-Dieter Wilk vom Vorstand der Heidelberger Gespräche-Gesellschaft hinzu.

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Der Erfolg ist auch dem Format zu verdanken, zu dem ein Schlaglicht als Einführung gehört, ein Vortrag und die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sagte er. Neben geistiger Nahrung werden auch leibliche Genüsse angeboten in Form von edlen Getränken und köstlichen Häppchen. Wilk machte zudem auf den Büchertisch der Buchhandlung Gansler aufmerksam, wo unter anderen auch das im Frühjahr erschienene Buch „Revolution des Denkens“ auslag, das Beiträge der vergangenen Humanismustage enthält, sowie „Das große Hildegard von Bingen Lesebuch“ von Dr. Maura Zátonyi, Benediktinerin der Abtei St. Hildegard in Eibingen und Vorsitzende der St.-Hildegard-Akademie, Referentin des Abends.

Bevor sie über „Hildegard von Bingen und die europäische Spiritualität“ zu sprechen kam, warf Werner H. Heussinger, Bestsellerautor und Vorstand der Heidelberger Gespräche-Gesellschaft, ein kurzes Schlaglicht auf Hildegard von Bingen und Referentin. Es blieb fast unbemerkt, meinte er, dass die Päpste Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt der XVI. in den vergangenen vierzig Jahren vier große Frauen zu Kirchenlehrerinnen erhoben haben, darunter Hildegard von Bingen als Einzige aus dem mitteleuropäischen, deutschsprachigen Kulturraum, die zudem vor elf Jahren Papst Benedikt der XVI. heiliggesprochen hat.

„Bis heute zählt Hildegard von Bingen zu den bedeutendsten Frauen der Kirchengeschichte“, sagte Heussinger, „an der Erhöhung zur Kirchenlehrerin habe Dr. Maura Zátonyi maßgeblich mitgearbeitet. Wir dürfen uns heute sehr geehrt fühlen, sie hier in unserer Mitte zu haben“, so Heussinger und stellte die 1974 in Ungarn geborene Benediktinerin als eine komplexe Persönlichkeit vor, die in Budapest klassische Philologie studierte, in Mainz in Philosophie promovierte und in Frankfurt das Theologiestudium absolvierte.

In ihrem Vortrag „Hildegard von Bingen und die europäische Spiritualität“ bewies die Schwester die Gabe, anspruchsvollste philosophische Gedanken allgemein verständlich darzulegen, so dass er für die Zuhörer zu einem intellektuellen Vergnügen ersten Ranges wurde. Kenntnisreich schlug sie die Brücke zwischen Mittelalter und Gegenwart, um zu zeigen, wie der sinnsuchende Mensch auch heute Zuspruch in Hildegards Werk finden kann.

Und sie begann mit einem Zitat des Religionsphilosophen Romano Guardini, das auf den Punkt brachte, was die Menschen schon immer bewegte: ihre Endlichkeit. Das mündet in Sinnsuche und Sehnsucht nach Transzendenz. Zahlreiche Menschen wenden sich diesbezüglich spirituellen Praktiken aus der fernöstlichen Kultur zu und suchen darin ihre Erfüllung.

Akzeptanz der Vielfalt

Schwester Maura ermutigt, nach Spiritualität zu suchen, die in der europäischen Tradition verwurzelt ist. Fündig wird man, so die Referentin, in den Ordensregeln des Heiligen Benedikt, der in Kontemplation und Aktion keinen Widerspruch sah. Das Bedürfnis nach Sinn hängt mit der Logosbezogenheit zusammen, die den europäischen Geist seit der Antike durchzieht. Jenes göttliche Logos kommt dem Menschen als Jesus Christus entgegen und offenbart seinen eigentlichen Sinn – Lieben und Geliebt werden – so Schwester Maura.

Ihr Fazit: Gelingt es, die Gesellschaft mit einer europäischen Spiritualität zu durchdringen, dann würde Europa aktuell zu einer Akzeptanz der Vielfalt finden und über seine Grenzen hinaus an Bedeutung gewinnen.

Freie Autorin

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