Herrenteich - Elf Jahre nach Abfuhr der asbesthaltigen Abfälle ist die Zukunft des ehemaligen Ziegeleigeländes noch immer offen / Zuschüsse für Renaturierung prüfen

Die wohl schwierigste Altlast für den OB

Von 
Matthias Mühleisen
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Jeden Tag kommen Tausende Menschen daran vorbei – unterwegs in Richtung Nordwesten auf der Autobahn 61. Von der Hockenheimer Innenstadt ist das Herrenteichgelände dagegen weit entfernt. So werden die Verantwortlichen zumindest nicht ständig daran erinnert, dass auf dem ehemaligen Ziegeleigelände eine Aufgabe auf ihre Lösung wartet, die Oberbürgermeister Marcus Zeitler als eine seiner schwierigsten bezeichnet: Was passiert mit der stark belasteten Immobilie, ohne dass die Stadt finanziell zu sehr bluten muss?

Die Stadt hat das Areal am Rhein im August 2012 im Zwangsversteigerungsverfahren erworben und ist verantwortlich dafür, was dort passiert. Das riesige Fabrikgebäude wirkt auf viele Menschen, vor allem junge, anziehend. Davon zeugen unzählige Graffiti an den Mauern. „Der Bauhof ist zweimal die Woche da und kontrolliert die Absperrungen, auch die Polizei schaut regelmäßig vorbei“, berichtet Zeitler beim Ortstermin.

Wer hier unterwegs ist, vor allem bei unzureichender Beleuchtung, begibt sich in große Gefahr: Überall öffnen sich Schächte in die Tiefe, ungesichert. „Wenn jemand hineinstürzt und nicht mehr aus eigener Kraft herauskommt – den hört hier draußen kein Mensch“, beschreibt der OB, warum der Verwaltung so wichtig ist, dass das Betretungsverbot eingehalten wird.

Überall klappert und ächzt es

Das Hallendach ist löchrig, ein Brand vom Dezember 2012 hat deutliche Spuren hinterlassen, bei starkem Wind klappert und ächzt es überall – kein haltbarer Zustand. Doch klar ist auch: „Egal, was wir machen, von der Vermarktung bis zu Abriss und Renaturierung – wir müssen hier Millionen in die Hand nehmen.“

Denn trotz der Abfuhr der asbesthaltigen Abfälle, die im Oktober 2009 abgeschlossen wurde, und der anschließenden Reinigungsarbeiten: Altlasten liegen hier noch immer reichlich. Thorsten Utz, beim Fachbereich Bauen und Wohnen der Stadt für Liegenschaften zuständig, weist darauf hin: „In der Abschlussdokumentation nach der Sanierung ist festgehalten, dass in den Rohranlagen oder an nicht zugänglichen Stellen noch Belastungen vorzufinden sind.“

Der Abbruch der Faserzementplatten erfordere großen Aufwand: „Einfach runterreißen geht nicht, aber eine luftdichte Einhausung ist bei den Dimensionen schwierig“, ergänzt Utz. Da sei sehr viel Handarbeit nötig. In der einstigen Ziegelei waren viele Komponenten der Brenntechnik unter dem Hallenboden untergebracht. Das seien Altlasten ein ganz großes Thema.

Für eine Vermarktung des Geländes, selbst wenn es von den belasteten Gebäuden befreit sein sollte, sei zu bedenken, dass das Baufenster nur so groß wie die bestehende Halle ist – die Flächen im Außenbereich dürfen nicht genutzt werden, hat das Land verfügt. Wobei das reine Theorie ist, betont der OB: „Bei mir war noch kein Einziger, der sagte: ,Das ist genau das, was ich suche’.“

Kurz nachdem die Stadt die Immobilie ersteigert hatte, gab es eine Anfrage eines Unternehmens, das hier ein Silo mit Schiffsanlegestelle errichten wolle, um Zuckerrüben und Getreide abzufahren. Die Naturschutzbehörde war dagegen – schon die Umfahrung der Halle liege im Naturschutz- und Überschwemmungsgebiet, berichtet Fachbereichsleiter Christian Engel. „Die Kernaussage ist: Egal, was hier passiert, es ist besser für die Umwelt als der jetzige Zustand“, unterstreicht Marcus Zeitler. Aber die Stadt schaffe das nicht aus eigener Kraft.

Fördermittel kombinieren

Nachdem ein Verkauf mehr als unwahrscheinlich ist, gilt es, Möglichkeiten der Förderung zu erkunden. Dabei wird die Stadt von den lokalen Vertretern der Umweltverbände unterstützt. Naturschutzbund (Nabu) sowie Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) haben im Gespräch mit unserer Zeitung schon vor fünf Jahren festgestellt, dass die Renaturierung die einzig sinnvolle Zukunftslösung für das Gelände sei. Thomas Kuppinger vom BUND hält es am aussichtsreichsten, verschiedene Fördermittel zu kombinieren. Die Förderrichtlinien Altlasten des Landes Baden-Württemberg unterstützen Abbruch und fachgerechte Entsorgung belasteter Gebäude unter bestimmten Voraussetzungen, während das Förderprogramm Auen des Programm Blaues Band Deutschland vom Bundesamt für Naturschutz für anschließende Renaturierungsmaßnahmen Mittel beisteuern könnte.

Aus dem einen Topf könnten 50 bis 70 Prozent der Kosten bezuschusst werden, aus dem anderen bis zu 75 Prozent. Vorteil für die Stadt: Die Förderung durch das Blaue Band ist auf 30 Jahre angelegt, die Zeit drängt nicht. Doch die ersten elf nach der Asbestabfuhr gingen schon rasend schnell vorbei . . .

Info: Mehr Bilder vom Herrenteich: www.schwetzinger-zeitung.de

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Hockenheim: Die alte Ziegelei auf dem Herrenteich

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Nutzungen am Herrenteich

Die Vereinigte Speierer Ziegelwerke AG betrieb den Standort von 1889 bis 1968.

1968 bis 2000 stellte die Erlus Baustoffwerke AG hier Steinzeug und Kaminrohre, Mauersteine und Kaminformsteine her.

2001 bis 2006 hatte die MVG Mineralfaser-Verwertungs-Gesellschaft mbH einen Betrieb zum Recycling asbesthaltiger Faserzementplatten mit thermischer Aufbereitung für die Weiterverarbeitung in der Zementindustrie.

Nach Verstößen gegen die Auflagen der Genehmigung wurde die Anlage Ende 2006 stillgelegt. Der Betreiber konnte für die Entsorgung der rund 25 000 Tonnen asbesthaltiger Abfälle nicht mehr herangezogen werden.

Land und Stadt schlossen im August 2008 einen Vertrag zur Beseitigung der Abfälle. Kostenanteil der Stadt: 1,9 Millionen Euro. Das Geld sollte durch die Vermarktung des Grundstückes zurückkommen.

Im August 2012 erwarb die Stadt das Gelände im Zwangsversteigerungsverfahren. mm

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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