Karlsruher Straße - Hockenheim ist kein Einkaufsmekka / Geprägt von Tabakanbau und Zigarrenindustrie

Für eine individuelle Innenstadt

Von 
Franz Anton Bankuti
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Tristes Wetter, trister Anblick – in der Karlsruher Straße ist wenig los. © Schwierz

Die Zeiten ändern sich – die Straßen auch. Aber die Karlsruher Straße bleibt die Karlsruher Straße. Und das über viele Jahrzehnte hinweg. Bundesstraße oder Fußgängerzone? Ja, die B 36 führte mitten durch Hockenheim, die Karlsruher Straße war Bundesstraße. Von der Bundesstraße zur Fußgängerzone, eine erstaunliche Straßenkarriere. Gut, seither sind schließlich schon neun Jahrzehnte vergangen. Seit 1934 entlastet eine Umgehungsstraße die Karlsruher Straße, die natürlich längst keine Bundesstraße mehr ist.

Und künftig Fußgängerzone? Also ein Bummelparadies für Einkaufsbummler. Eine Optimierung der „Aufenthaltsqualität“. Das klingt gut und da möchte keiner nein sagen. Optimierte Aufenthaltsqualität. Skeptiker könnten vielleicht fragen: Werden sich dort viele aufhalten wollen? Na gut, dann sind es eben wenige, aber die finden Qualität des Aufenthaltes als solchen.

Finden sie auch eine Vielfalt an attraktiven Geschäften? Bei diesem Gedanken dürfte jetzt auch ein wenig Ehrlichkeit ins Spiel kommen. Zur Klarstellung: Es gibt eine Reihe attraktiver, leistungsfähiger und kompetenter Fachgeschäfte in Hockenheim, die mit ihrem guten Ruf auch Kunden von auswärts anlocken. Aber, so viel Fairness muss sein: Hockenheim ist kein Einkaufsmekka. Städte in der Größe Hockenheims haben bundesweit ein Problem: Nicht nur die viel zitierte „grüne Wiese“, nicht nur die Internet-Möglichkeit tragen die Schuld. Im Grunde genommen wir alle, weil wir einfach anspruchsvoller geworden sind. Kleinere Geschäfte als Bedarfsdecker boten früher vor Ort an, was man brauchte. Und das kaufte man auch.

Schnell in Mannheim und Speyer

Auswahl, Angebot, Vergleich, Individualität, Anregungen, Ideen – seien wir ehrlich: Wir wollen zumeist mehr, als in manchen Branchen hier angeboten werden kann. Und eines dürfen wir auch nicht vergessen: Hockenheim ist als Gewerbe- und Industriestandort so attraktiv gewesen und geblieben, weil man Hockenheim leicht erreichen konnte. Umkehrschluss: Man kommt auch gut weg, ist in kurzer Zeit in Speyer in der Maximilianstraße und in Mannheim auf den Planken, in der Kunststraße oder in der Fressgasse. Und mobil sind wir halt eh.

Das ist das Problem aller kleineren und auch mittelgroßen Städte. Nostalgie ist das eine, Fakten sind das andere.

Wenn man nun Poller an die Einfahrt in die Karlsruher Straße stellen würde, könnten ein paar Autos weniger reinfahren. Gebe sich aber bitteschön keiner der Illusion hin, dass dann reihenweise potente Investoren um die freistehenden Geschäftsräume buhlen würden. Als die Stadt vor Jahren für viel Geld unwichtige Studien erstellen ließ, kam außer einem Leerstandsmanagement und einem Vorschlag für einen idealen möglichen Branchenmix nix raus, auf interessierte Investoren wartet man bis heute.

Das soll natürlich nicht heißen, dass man sich keine Gedanken um eine sympathische Aufwertung der Innenstadt machen sollte. Tabakanbau und Zigarrenindustrie prägten die Stadt. Da würde es sich anbieten, dass das Figurenensemble mit den Zigarrenarbeiterinnen und dem fröhlichen Jungen am Fabrikfenster mitten in die Stadt käme. Schließlich ist die Landesgartenschau, auf deren ehemaligem Gelände die Skulptur steht, seit 29 Jahren beendet. Natürlich sieht man mitunter noch Menschen dort draußen, zumeist nicht alleine, sondern mit ihren Hunden.

Dem Speyerer Bildhauer Franz W. Müller-Steinfurth ist es auch hier wie bei anderen naturalistischen Figurenensembles gelungen, eindrucksvoll, lebendig und humorvoll-verschmitzt an alte Zeiten zu erinnern. In Schwetzingen steht beispielsweise seine „Spargelfrau“ und in Heddesheim sein „Tabakpflanzer“ jeweils mitten im Herzen der Stadt, keiner käme auf die Idee, die „Spargelfrau“ draußen auf einem Acker zu installieren. Dies ist nur ein Gedanke, es gibt sicherlich noch viel mehr, um die Innenstadt Hockenheims zu individualisieren, wahrscheinlich müssen es wirklich keine „abwehrenden“ Poller sein.

Probleme ähneln sich

Aber abschließend nochmals ganz kurz zu der 1934 dem Verkehr übergebenen Umgehungsstraße, die Hockenheims Innenstadt entlastete. Die Umgehungsstraße war nicht unumstritten, es gab lautstarke Widerstände. Vor allem fürchteten die Geschäftsleute, dass der künftig „abgeleitete Verkehr“ ihre Geschäfte schädigen werde. Irgendwie scheinen sich Probleme immer wieder zu ähneln ...

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