Region. Die jüngste Verschärfung der Corona-Regeln samt bundesweitem 2G-plus für Restaurants kann Mario Böhm, Inhaber vom „Güldenen Engel“ in der Innenstadt, nur noch ein müdes Lächeln abnötigen. „Diese Vorgabe haben wir in Baden-Württemberg doch schon seit Wochen. Das war am zweiten Adventswochenende ein richtiger Tiefschlag: Kaum hatte das Land die Regel verkündet, haben alle unsere Gäste sämtliche Reservierungen storniert. Die Leute waren schlichtweg verunsichert, was sie überhaupt noch dürfen“, erinnert sich Mario Böhm.
„Das geht mittlerweile schon an die Substanz. Bislang konnte ich mich dank meines tollen Teams und der vielen treuen Gäste über Wasser halten, aber dafür musste ich sieben Tage die Woche ranklotzen und viel privates Eigenkapital zuschießen – das eigentlich fürs Alter zurückgelegt war. So geht es derzeit vielen kleineren Unternehmern und Selbstständigen, auch wenn das wohl in keiner Statistik auftaucht“, sagt Mario Böhm nachdenklich.
Keine staatliche Hilfe für Neustart
Im Fall des „Güldenen Engel“ kam noch eine Besonderheit hinzu: Böhm übernahm das historische Wirtshaus kurz nach Beginn der Krise. „Die Verträge und Kredite waren schon unterschrieben, als Corona ausbrach, so eine Übernahme hat ja viel Vorlauf. Es gab also kein Zurück mehr. Ich bereue den Schritt auch nicht, aber es war natürlich kein idealer Zeitpunkt“, sagt der gebürtige Hockenheimer, der mit seinem eigenen Restaurant die lange Gastronomietradition seiner Familie würdig fortführen will.
Doch die Probleme zu Beginn gingen weiter: Weil sich die staatlichen Corona-Hilfen an den Vorjahresumsätzen betroffener Unternehmen orientierten, ging der neugegründete Betrieb leer aus, erzählt Mario Böhm. Auch Kurzarbeitergeld sei im ersten Jahr nicht möglich gewesen. „Also haben wir angepackt und geschaut, wie wir als junges und kreatives Team überleben können. Unser Außer-Haus-Service samt Lieferangeboten ist richtig gut angekommen und hält uns bis heute über Wasser. Im Sommer konnten wir dann dank der Lockerungen weiteren Boden gutmachen, bevor es mit dem Herbst wieder merklich schlechter wurde“, sagt Mario Böhm.
Seine sechs Angestellten und die mehreren Saisonaushilfen konnte der Gastronom bislang trotz aller Widrigkeiten halten. „Die Mitarbeiter sind in der Gastronomie das wichtigste Gut und wir kennen uns alle schon lange. Da bin ich als Chef verpflichtet, alles zu tun, um Lohnkürzungen oder gar Entlassungen zu verhindern. Auch wenn am Ende nur eine schwarze Null rauskommt“, erklärt Mario Böhm.
Er hofft, dass es Richtung Frühjahr wieder besser laufen wird, so- lange könnte er betriebswirtschaftlich noch durchhalten. Dann aber müsse es dringend eine Perspektive für seine Branche geben: Sonst sei es für viele Betriebe nicht mehr machbar.
Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jüngst die Gastronomie als „Problembereich“ der Corona-Pandemie bezeichnet hat, sei gerade vor diesem Hintergrund ein Schlag ins Gesicht – und inhaltlich ohnehin zweifelhaft. „Was passiert denn, wenn sich die Menschen nicht mehr in der Wirtschaft treffen dürfen? Sie verlagern sich ins Private, dorthin, wo niemand Abstände und Hygieneregeln kontrollieren kann“, gibt Mario Böhm zu bedenken.
Auch Harald Schlumpp vom Johanneshof sieht die Lage der Gastronomen düster. Seine beliebte und sonst das ganze Jahr über geöffnete Wirtschaft in der Seewaldsiedlung musste Schlumpp bereits im Oktober schließen und für seine festangestellten Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen. „Unsere Räumlichkeiten haben unter den Pandemievorgaben einfach keinen wirtschaftlichen Betrieb erlaubt. Im Sommer hatten wir noch viel zu tun und dank eines ausgeklügelten Hygienekonzepts und einer Zeitfenster-Regelung für die Tische gute Umsätze erzielen können. Daran war dann im Herbst nicht mehr zu denken“, erklärt Schlumpp.
Auch das Mitnahmeangebot für fertige Speisen, das der Johanneshof zunächst im Frühjahr 2020 als Notlösung aufgebaut hatte, konnte Schlumpp nicht fortführen: Der Personaleinsatz war zu groß und der Hof zu abgelegen, sodass nicht ausreichend Gäste extra zum Abholen vorbeikamen.
„Die Rettung war schließlich unser Stadtladen, wo wir unsere Hofprodukte verkaufen und wo auch einige Mitarbeiter aus der Gastwirtschaft unterkommen konnten. Wir haben deutlich gemerkt, dass die Kunden in der Pandemie wieder mehr zu Hause kochen und dafür hochwertige Lebensmittel suchen – und genau damit können wir ja dienen“, freut sich Harald Schlumpp. Entsprechend stiegen die Laden-Umsätze um bis zu 80 Prozent, zum Glück auch über den Sommer.
„Wie Wiederaufbau nach Sturm“
Für die Zukunft der Gastronomie-branche – und der Johanneshof-Wirtschaft – sind aus Sicht von Harald Schlumpp klare Regeln und Planungssicherheit wichtig. Aufgrund der Pandemieerfahrungen und der generell sehr harten Arbeit sei die Branche nicht sonderlich attraktiv – viele Köche und Servicemitarbeiter in Deutschland hätten sich in den vergangenen zwei Jahren deshalb andere Jobs gesucht. „Ich blicke mit großer Sorge in die Zukunft unserer Branche: Auch und gerade große Betriebe mit vielen Mitarbeitern werden noch massive Probleme bekommen. Vor den Herausforderungen, die die nächsten Jahre auf uns zukommen werden, habe ich großen Respekt. Für mich wirkt es jetzt schon wie ein Wiederaufbau nach einem verheerenden Sturm“, sagt Harald Schlumpp.
Ähnliche Befürchtungen für die Gastronomie hat auch Rainer Weiglein, Geschäftsführer der Stadthalle und des angeschlossenen Restaurants „Rondeau“. Zwar hat der städtische Betrieb im Gegensatz zu den inhabergeführten Gasthäusern die Kommune hinter sich – doch auch das „Rondeau“ muss betriebswirtschaftlich selbstständig über die Runden kommen. „Für Betriebe, die zu mehr als 50 Prozent öffentlich geführt werden, gibt es außerdem keine Überbrückungshilfen. Deshalb war es gut, dass wir in der Stadthalle das Impfzentrum einziehen lassen konnten, um ein wenig zusätzliche Einnahmen zu generieren“, erklärt Rainer Weiglein.
Die abgesagten Kulturveranstaltungen in der Halle führten gleichzeitig zu weniger Besuchern im Restaurant. Mit der 2Gplus-Regel wurden zusätzlich fast sämtliche Weihnachtsfeiern und größeren Tische storniert – rund 50 große Absagen gab es. „Zwischen den Jahren und bis zum Wochenende hatten wir dann Betriebsferien, weil ohnehin nicht viel zu erwarten gewesen wäre. Jetzt machen wir aber wieder ganz regulär auf und hoffen, dass wir im Pandemiemodus erfolgreich sein können. Man darf da wirklich nicht seinen Optimismus verlieren, sondern muss lernen, mit der Situation umzugehen“, sagt Rainer Weiglein. „Betriebswirtschaftlich sind wir trotz aller Probleme gut aufgestellt, das macht uns Hoffnung.“
Personal wird knapp
Entlassungen habe es durch die Corona-Pandemie keine gegeben, für seine Mitarbeiter sei die Lage dennoch nicht leicht. „Wir spüren, dass sich viele Beschäftigte in der Branche umorientieren, weil sie diese Krisenerfahrung nicht noch einmal mitmachen wollen. Das führt zu neuen Problemen: Wenn wir im Frühjahr wieder mehr Betrieb haben, wird das Personal knapp sein – egal ob im Restaurant oder im Kulturbereich. Das wird dann die nächste Herausforderung bringen“, blickt Rainer Weiglein in die Zukunft.
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