Pumpwerk

Gitarrennacht im Pumpwerk Hockenheim: In dieser Musik steckt Leben

Internationale Gitarrennacht mit Claus Boesser Ferrari, Alf Wilhelm Lundberg und Johannes Tonio Kreusch ist ein außergewöhnlicher Hörgenuss

Von 
Jakob Roth
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Gitarrenrevolutionär Claus Boesser Ferrari überzeugt im Pumpwerk mit seiner Hommage an den „Beat Club“ und Stars wie Jimi Hendrix, die für ihn „die Welt verändert haben“. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Bei der heutzutage überwältigenden Fülle an musikalischen Werken auf Streaming-Plattformen und im Radio stellt sich eine elementare Frage: Gibt es noch originelle Ideen? Es scheint oft, als seien alle Töne gespielt, alle Genres erkundet und alle Lieder schon geschrieben.

Bei der internationalen Gitarrennacht im Pumpwerk Hockenheim wurden viele eines Besseren belehrt. Der Gitarrenrevolutionär Claus Boesser Ferrari entführte seine Gäste zusammen mit Alf Wilhelm Lundberg und Johannes Tonio Kreusch in bislang unbekannte musikalische Sphären.

Gitarren von Claus Boesser Ferrari, Alf Wilhelm Lundberg und Johannes Tonio Kreusch verzaubern Pumpwerk Hockenheim

Das erste Set des Abends widmete Ferrari seinen musikalischen Idolen aus früheren Sendungen des legendären „Beat Club“. Gäste waren unter anderem „The Who“, die „Beatles“ oder Jimi Hendrix. Besonders Letzterer faszinierte den Gitarristen schon in seiner frühen Kindheit. „Wenn Personen wie Jimi Hendrix im Beat-Club aufgetreten sind, hat das die Welt verändert“, schwärmte er.

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In einem dicht angelegten musikalischen Themendschungel begann er, bekannte Motive von Rockgrößen wie Hendrix oder Pink Floyd in seiner einzigartigen Tonsprache zu verarbeiten. Claus Boesser Ferrari entlockte seinem Instrument zunächst sphärische, elektronische Klänge, die mit bissiger und mechanischer Textur in vibrierendes Bassdröhnen überleiteten. Die darauffolgenden akustischen Klangmalereien zeigten seine Virtuosität sowie sein einmaliges Verständnis für Phrasierung und Komposition.

Gitarrennacht im Pumpwerk Hockenheim: Vielseitig am Instrument

Trotz seiner zum Teil stark kontrastierenden klanglichen Ideen erschien das Gesamtbild als eine organische Masse. Zudem zeigte der Gitarrist, wie vielseitig man sein Instrument einsetzen kann. So spielte er beispielsweise Schlagzeug auf dem Korpus, verzerrte den Ton durch geschickte Effektketten an seinen Gitarrenpedalen hin zu wütend surrenden klanglichen Fratzen und ließ bunte Themenströme in akustischen Passagen fließen.

Boesser Ferraris erster Auftritt hinterließ zweifellos markante Spuren. Ein solches Klangerlebnis lässt sich nur schwer auf verbaler Ebene kommunizieren. Seine Musik ist unglaublich reichhaltig und bunt, in ihr steckt das Leben.

Johannes Tonio Kreusch hat sich insbesondere auf klassische Gitarrenmusik und Improvisationskunst spezialisiert – was er auch in Hockenheim gekonnt unter Beweis stellt. © Lenhardt

Nach ihm zu spielen ist sicherlich keine dankbare Aufgabe. Mit seinem meisterhaften Auftritt kann nur ein ebenbürtiger Musiker mithalten: Beispielsweise Johannes Tonio Kreusch, der sich vor allem auf die klassische Gitarrenmusik sowie auf die Improvisationskunst spezialisiert hat. In seiner kompositorischen Tätigkeit ist er stetig auf der Suche nach neuen Klängen und Farben. „Ich halte immer nach neuen Klangmöglichkeiten Ausschau, beispielsweise präpariere ich mein Instrument und stimme die Gitarre nach jedem Stück komplett um“, erklärte er.

Sein nuancierter, facettenreicher und mysteriöser Klang fesselte von Beginn an und versetzte den Zuhörer in eine musikalische Trance. Mit seinem Stück „Times of Joy“ landete er somit einen Volltreffer. Filigrane Koloraturläufe versteckten sich hinter einer größer angelegten melodischen Struktur. Es schien stellenweise, als würden zwei Gitarristen gleichzeitig spielen.

Der griechische Philosoph Heraklit ist für sein gedankliches Konzept „panta rhei“, zu Deutsch: alles fließt, bekannt. Inspiriert von Heraklits Philosophie komponierte Kreusch das gleichnamige Werk. Dieses überzeugte durch perlende, lyrische und schematisch fließende Themenabschnitte, die den Namen des Werkes unterstützen. Johannes Tonio Kreuschs Auftritt glänzte schlussendlich vor allem durch seine vielschichtigen, mehrdimensionalen Kompositionen, die seine Virtuosität perfekt in Szene setzten.

Mit einer achtsaitigen „Brahmsgitarre“ betrat der Norweger Alf Wilhelm Lundberg schließlich als letzter Künstler die Bühne. Er führte das Publikum mit viel Charme durch seine komplexen Werke.

Gitarrennacht im Pumpwerk Hockenheim: Unkonventionelle Konzepte

Zudem überraschte er mit unkonventionellen Konzepten: „Weil Gitarristen ihr halbes Leben damit verbringen, ihr Instrument zu stimmen und die andere Hälfte verstimmt spielen müssen, verwende ich ausschließlich meine selbst entwickelte Stimmung“, gab er zu verstehen.

Sein erstes Stück „Beauty and the Beast“ hatte er ursprünglich für elektronische Pedale und Akustikgitarre komponiert. Dabei illustriere der verzerrte Klang durch die Pedale das Böse, wobei der saubere, akustische das Schöne darstellen soll. Die Komposition strahlte vor allem durch Lundbergs spezielle Artikulationstechnik, die eine Art perkussive Textur zu der sonst sehr friedlichen Musik hinzufügte.

Die beiden Folgestücke bildeten inhaltlich einen starken Themenkontrast. Zunächst erklang „Joy“, eine Liebeserklärung an das Leben und Musizieren, darauffolgend das Werk „It’s ok to cry“, das der Komponist seiner kürzlich verstorbenen Mutter widmete. „Mit dem Stück will ich zum Ausdruck bringen, dass Weinen kein Zeichen der Schwäche, sondern eines der Stärke ist“, gab er zu verstehen.

In einem abschließenden Gitarrentrio kombinierten die drei Künstler ihre charakteristischen Spieltechniken in einer mehrminutigen Improvisationskaskade. Nach dem Konzert bestand die Möglichkeit, mit den Musikern über ihre Werke zu sprechen, um dadurch einen exklusiven Einblick in ihr Schaffen zu erhalten. Die internationale Gitarrennacht macht definitiv Lust auf neue musikkulturelle Ansätze und öffnete sicher so manchem Zuhörer Augen und Ohren.

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