Gemeinderat

Haushalt 2023: Drahtseilakt im „Hockenheimer Zirkus Kommunale“

Hockenheims Oberbürgermeister Marcus Zeitler verliert trotz Neun-Millionen-Euro-Defizits bei der Einbringung des Haushalts 2023 nicht den Humor. Was die Rennstadt für das kommende Jahr plant:

Von 
Mattthias Mühleisen.
Lesedauer: 
In den Ersatzneubau des Parkkindergartens und in weitere Kindertagesstätten investiert die Stadt im kommenden Jahr rund acht Millionen Euro, kündigt Oberbürgermeister Marcus Zeitler an. © Lenhardt

Hockenheim. Ein tiefes Loch in der Kasse muss weder sprach- noch fantasielos machen. Im Gegenteil: Es scheint fast so, als sporne die schwierige Haushaltslage Oberbürgermeister Marcus Zeitler nur umso mehr an, den roten Zahlen in seinen Etatreden mit schillernder Kreativität zu begegnen. Nach dem Ausflug ins Weltall vor einem Jahr, in der der OB das Raumschiff Stadt auf ein Schwarzes Loch zusteuern sah, trat Zeitler am Dienstagabend bei der Einbringung des Haushalts 2023 als Direktor des „Hockenheimer Zirkus Kommunale“ auf – natürlich nur verbal.

Bei einem veranschlagten Gesamtergebnis von minus neun Millionen Euro im kommenden Jahr verwundert es nicht, dass die Vorstellung ohne Clowns auskommen muss: „Diese haben seit einiger Zeit einen Auftritt in Stuttgart und Berlin und sind somit leider verhindert“, kritisierte der Zirkusdirektor unverhohlen die Gesetzgeber auf Landes- und Bundesebene.

Hockenheims Haushaltsplan für 2023: Für „Weiter so“ fehlen Ressourcen

„Mit einem Amboss im Rucksack über ein Drahtseil zu laufen, ist einfacher, als in der aktuellen Lage finanzielle Vorhersagen treffen zu können“, schickte der OB voraus und dankte Kämmerer Rolf Fitterling und dessen Team für die Arbeit am Zahlenwerk, die seit Juli laufe. Ein „Weiter so“ auf landes- und bundespolitischer Ebene sei weder finanzier- noch umsetzbar, unterstrich Zeitler. Er verwies auf zahlreiche Zusatzaufgaben, die den Kommunen aufgebürdet würden, ohne diese mit den erforderlichen Mitteln auszustatten: vom digitalen Netzausbau bis hin zum Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung ab 2025/2026. Alle Fragen zu diesem neuen Angebot, die er bereits im Vorjahr gestellt hatte, seien unbeantwortet geblieben.

Mehr zum Thema

Hockenheim Humor in harten Zeiten

Veröffentlicht
Kommentar von
Matthias Mühleisen
Mehr erfahren
Kommunalpolitik

Hockenheimer Gemeinderat tagt schon am Dienstag

Veröffentlicht
Von
Matthias Mühleisen
Mehr erfahren

Zeitler ergänzte: „Und neben all den variablen Unbekannten müssen noch eine Klimakrise, eine Corona-Krise, eine Gaskrise, eine Energiekrise, eine Ukrainekrise und eine Flüchtlingskrise täglich bewältigt und abgearbeitet werden. Das funktioniert nicht, meine Damen und Herren.“ Mehraufgaben könnten nur mit mehr Personal und mehr finanzieller Unterstützung durch Land und Bund angegangen werden.

Als Beispiel nannte der Oberbürgermeister die Aufnahme von Geflüchteten. Alleine 2022 müsse die Stadt noch über 120 aufnehmen, im kommenden Jahr vermutlich noch einmal mehrerer hundert. Für die Unterbringung seien im Haushalt 2023 und 2024 rund sechs bis sieben Millionen Euro zu veranschlagen – eine Kostenerstattung „von oben“ sei noch nicht abschließend beraten.

Hockenheims Haushaltsplan für 2023: Viele Mehrkosten ohne Mehrwert

Sorgenfalten treiben Mehrausgaben auf die Stirn des „Zirkusdirektors“, die der Stadt abverlangt werden, ohne dass dadurch auf der Aufgabenliste etwas abgehakt werden könnte: eine Million durch Tariferhöhungen, 1,5 Millionen für höhere Energiepreise, eine Million für Corona-Mehraufwand, eine Million gegen die Folgen der Klimakrise. Zeitler: „Da stehen plötzlich zehn Millionen Euro Mehrausgaben auf dem Papier, aber es wurde noch nichts an unserer Ausstattung und an unserer Infrastruktur investiert.“

Für Schräglage auf dem Drahtseil hätten aber auch eigene Versäumnisse gesorgt: Es bestehe ein Investitionsstau im zweistelligen Millionenbereich. Dazu kämen dringend notwendige Neuinvestitionen im Bereich Schulen und Kindergärten. An das erwartete Gesamtergebnis von minus 8,933 Millionen Euro für das Jahr 2023 schließen sich nach Erwartungen der Verwaltung weitere negative Ergebnisse an: 9,5 Millionen im Jahr 2024 und jeweils 4,5 Millionen in den beiden Folgejahren. Zeitlers Zusammenfassung: „Es kommt eine sehr schwere Zeit auf uns alle zu.“

Der OB zählte die größten Ausgabeposten auf: Bauhof-Modernisierung 2,2 Millionen Euro, Feuerwehr über zwei Millionen Euro, Theodor-Heuss-Realschule drei Millionen, Gauß-Gymnasium zwei Millionen, Abriss der Riegelgebäude und der Schule am Kraichbach eine Million, Kindergärten – vor allem Neubau des Parkkindergartens auf dem Reiterplatz – acht Millionen.

Die Umsetzung des Gesamtstädtischen Entwicklungskonzepts mit Neugestaltung des Bahnhofareals und Förderung des ÖPNV ist mit sieben Millionen Euro veranschlagt, der Ringjet soll optimiert werden mit zusätzlichen Haltestellen insbesondere vorm Pflegezentrum im Biblis 4.

Beim Thema Schaffung von bezahlbarem Wohnraum brauche es keine Luftakrobaten, mahnte der OB: entweder Innenentwicklung unter Verzicht auf Schwammstadtpläne oder die Schaffung neuer Erweiterungsflächen sei nötig.

2,5 Millionen Euro stehen für das Sanierungsgebiet Obere Hauptstraße zur Verfügung. In Straßen und Abwasserkanäle investiere die Stadt bis 2026 zwölf Millionen Euro, vier Millionen 2023 in die Kläranlage. In diese müssen in den nächsten zehn Jahren 50 Millionen Euro fließen. Fazit Zeitlers: „Wir müssen von Vorstellung zu Vorstellung denken und handeln.“

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung