Während Gottesdienste alljährlich vor einem immer kleineren Publikum stattfinden, gibt es ein Fest, dass die Menschen nach wie vor in die Kirche lockt: Weihnachten. An keinem Tag füllen so viele Besucher die Bänke wie an Heiligabend. So auch beim Weihnachtsgottesdienst in der evangelischen Kirche mit Pfarrer Michael Dahlinger, der auf das ebenfalls gut besuchte Krippenspiel am Nachmittag folgte.
Mit „Ben und Lisa retten Weihnachten“ begab sich das Krippenspiel thematisch in ein Hockenheimer Wohnzimmer, von dem aus sich die beiden Geschwister Ben und Lisa auf eine abenteuerliche Zeitreise zur Geburt Jesu wagten. Hier stellten sie sich einer drohenden Gefahr und retteten das Weihnachtsfest. Dabei wurden einige bekannte Weihnachtslieder gespielt und von einem Engelschor gesungen. Neben den Darstellern waren Kantor Samuel Cho sowie Pfarrer Johannes Heck am Krippenspiel beteiligt. Die anwesenden Familien verfolgten die abenteuerliche Zeitreise mit viel Interesse und Freude.
Kitsch bleibt außen vor
Der festliche Gottesdienst startete mit einem kurzen Orgelpräludium und dem Chorstück „O Bethlehem du kleine Stadt“. So bettete Dahlinger den Gottesdienst thematisch ein. Dass es in seiner Predigt nicht darum geht, ein kitschiges Bilderbuchweihnachten zu reproduzieren, machte er gleich zu Anfang deutlich. „Es geht in meiner Predigt nicht darum, das illustre Heiligabendpublikum zu versorgen“, erklärte er. Vielmehr wolle er Kontaktpunkte zwischen der Menschheitshistorie und dem Lukasevangelium offenlegen.
„Das Lukasevangelium kommentiert unser Leben und die Weltgeschichte. Lassen wir also in diesem Gottesdienst Weihnachten als Kommentar auf unser Leben zur Sprache kommen“, erläuterte Dahlinger klar und leitete mit diesen Worten zur Schriftlesung über.
Der Pfarrer machte vor allem auf den Zusammenhang zwischen aktuellen Krisen der Menschheit und dem Lukasevangelium aufmerksam. In Anbetracht des Ukrainekrieges, der Klimakrise oder den Massenhinrichtungen im Iran fragte er stellvertretend für die Gemeinde: „Ist der Wille Gottes überhaupt noch spürbar?“
Dies führte zwangsläufig zur Frage der Rechtfertigung Gottes angesichts des menschlichen Leids in Zusammenhang mit der philosophischen Ansicht der Theodizee. Dahlinger machte darauf aufmerksam, dass Leid, Krieg und Gewalt auch elementarer Teil der Weihnachtsgeschichte sind, was zum Nachdenken im Publikum anregte und den Gläubigen einen weiteren Blickwinkel auf die weltbekannte Geschichte bot.
Parallelen zu Weltpolitik
Die Akteure der heutigen Weltpolitik finden sich damals ebenfalls wieder. Der Statthalter Pontius Pilatus als grausamer Staatsmann, der Jesus Christus zum Tode verurteilt, Maria und Josef als getriebenes Ehepaar und die Hirten als tapfere Widerstandskämpfer.
Die Weihnachtsgeschichte wurde selbst in Zeiten größter Not immer gelesen und gefeiert. Es ist dabei Gewissheit, dass das Lukasevangelium das Leid der Welt nicht auflösen kann. „Kein Unheil der Welt kann die Weihnachtsgeschichte zum Verstummen bringen, so wie die Weihnachtsgeschichte auch nicht das Unheil der Welt zum Verstummen bringen kann“, macht Dahlinger deutlich. Gott für diesen Umstand verantwortlich zu machen, wäre Unsinn und nicht angebracht, da dieser mit keinem einzigen Wort in der Weihnachtsgeschichte erwähnt wird, so der Geistliche.
Der Schlüssel zur Erlösung der Menschheit liege demnach in jedem Einzelnen selbst. Spätestens als der Klang des Liedes „O du Fröhliche“ die Kirche komplett erfüllte, wurde dieser Gottesdienst zum vollen Erfolg und zählt wohl als wichtigster seiner Art in diesem Jahr.
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