Kommunalpolitik

Hockenheimer Fraktionen äußern sich zum Thema Wohnraum

Während der Sommerpause blicken wir voraus auf wesentliche Themen, die den Hockenheimer Gemeinderat bald beschäftigen werden. Nun haben wir die Fraktion zum Thema Versorgung mit Wohnraum befragt.

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Matthias Mühleisen
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In der Oberen Hauptstraße in Hockenheim entsteht aktuell neuer Wohnraum. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Auf mehrere neue große Wohnanlagen wie „Leben am Café Eck“ oder die Projekte an Mooresville-Platz/Schwetzinger Straße sowie in der Oberen Hauptstraße blickt FWV-Fraktionsvorsitzende Gabi Horn und fragt: „Ist dies auch bezahlbarer Wohnraum? Können sich junge Familien oder Rentner leisten, diese Wohnungen zu mieten oder zu kaufen?“ Ihre Antwort: „Wohl eher nicht.“

Bauplätze für Familien mit Kindern gebe es nicht. „Es gibt nur die Vergabe an Investoren und Käufer und wer am meisten zu zahlen bereit ist, erhält den Zuschlag“, stellt Horn fest. Es gebe auch kein Neubaugebiet wie in Reilingen oder Altlußheim. Durch die Maßgabe Innenentwicklung vor Außenentwicklung verdichte sich das innerstädtische Wohngebiet immer mehr, Grünanlagen und Gärten wichen gepflasterten und versiegelten Flächen. Die FWV-Sprecherin findet: „Eine sogenannte Schwammstadt lässt sich so auch nicht realisieren.“

Grundsätzlich sei richtig, dass Ressourcen geschont werden sollten. Wichtig sei auch, den Fokus auf Leerstände und sanierungsbedürftige Gebäude zu richten, vorhandene Strukturen zu nutzen. Doch sie schränkt ein: „Mehrgeschossige Gebäude mögen zwar dem Flächenverbrauch entgegenwirken, aber für Familien mit kleinen Kindern sei ein Haus mit Garten die bessere Alternative.“ Es sei leider festzustellen, dass viele junge Familien auch aus Hockenheim sich gerade in den umliegenden Gemeinden Bauplätze und Wohnraum gekauft haben. Horn: „Wir verlieren damit unsere Attraktivität als Gemeinde wie auch Steuereinnahmen. Das merken auch unsere Vereine, der Einzelhandel und die Gastronomie.“

Freie Wähler Fraktion sieht Potenzial in Hockenheim Süd

Die Freien Wähler verstünden aber auch diejenigen, die vor einem Flächenverbrauch warnen. „Wir brauchen die Grünflächen zur Erholung für uns wie auch für die Natur, für Flora und Fauna und die Nahrungsmittelproduktion“, stellt die FWV fest. Es stelle sich die Frage, so Stadtrat Steffen Großhans, warum Hockenheim Süd nie als Baugebiet in Betracht gezogen wurde. Die Haubenlerche sei damals wie heute kein Thema. Eine langsame und bedarfsgerechte Entwicklung eines Neubaugebietes könne dort stattfinden. Der Biblis könne aus landwirtschaftlicher Sicht keine Alternative sein.

Sicher werde ein Teil der Fläche in Hockenheim Süd bei Großveranstaltungen genutzt, jedoch arbeiteten die Hockenheim-Ring GmbH und die Landwirte seit Jahren sehr erfolgreich zusammen. Bei einer Bebauung dieser Ressourcen gingen der Landwirtschaft keine wertvollen Produktionsflächen verloren.

Den Gedanken einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft hätten auch die Freien Wähler schon gehabt. Dies sei aus Kostengründen jedoch nicht weiter verfolgt worden. Dennoch meinen sie, dass es sinnvoll wäre, sich mit dem Gedanken zu befassen, eigenen Wohnraum zu schaffen, zu verwalten und zu vermieten. Nur so wäre es möglich, bezahlbaren Wohnraum anzubieten.

Königsweg Privatwirtschaft: Das meint die Hockenheimer CDU

Wer das Thema sozialer Wohnungsbau und die damit verbundenen Schwierigkeiten verstehen will, muss aus Sicht der CDU-Fraktion nur auf das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel schauen, jährlich 400 000 neue Wohnungen zu bauen, woran sie auch in diesem Jahr sehr deutlich scheitern werde. Gründe dafür seien die zu hohen Baukosten, zu viele Vorschriften und eine schwächelnde Baubranche, teilt Fraktionsvorsitzender Markus Fuchs mit.

Über welche Mittel verfüge also eine Stadt wie Hockenheim, um dieses Thema isoliert von der Bundesentwicklung zu lösen? Eine weitere Erschließung von Neubaugebieten sei derzeit kein Thema: Das Regierungspräsidium und damit das Umweltministerium hätten aufgrund des Haubenlerchenvorkommens einen klaren Riegel vorgeschoben.

Die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft habe die CDU bereits 2015 bei der damaligen Flüchtlingskrise beantragt. Die Diskussion habe aber sehr schnell gezeigt, dass die Stadt dafür entweder sehr viel Kapital und/oder eigene bebaubare Grundstücke einbringen muss. Beides sei bekanntermaßen nicht vorhanden.

Hockenheimer CDU: Verdichtung des bestehenden Wohnraums verbleibt

„Somit verbleibt aus CDU-Sicht die Verdichtung des bestehenden Wohnraums und hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan“, sagt Markus Fuchs und nennt das Wohnprojekt in der Oberen Hauptstraße und das Sanierungsgebiet Obere Hauptstraße-Süd, das in Kürze zur Bebauung freigegeben werde. Weiterhin sei die Stadt bereits seit längerer Zeit im Kontakt mit einem Träger, um ein städtisches, nahezu leerstehendes Grundstück neu zu bauen.

Das Problem der Quartiersmanufaktur am Hubäckerring sei ein weiterer Mosaikstein, um das Problem vor allem mit Mitteln aus der Privatwirtschaft zu lösen, was für die CDU der Königsweg ist.

„Als Stadt Hockenheim könnten wir mehr machen, wenn die Dauer der Erschließung von Sanierungsgebieten deutlich reduziert wird – 20 Jahre wie für die Obere Hauptstraße-Süd sind einfach viel, viel zu lange. Und: Wir brauchen wir mehr finanzielle Mittel. Wir können das aus dem städtischen Haushalt nicht finanzieren“, betont Markus Fuchs.

Auch in Hockenheim? Auflagen und Mieterrechte führen zu Leerstand

Weiterhin würde es den Kommunen helfen, wenn städtische, kostengünstige Wohnungen nur befristet vergeben werden könnten. Denn auch in Hockenheim seien alle bestehenden städtischen Wohnungen belegt – dauerhaft. Es sei die Erfahrung der CDU-Stadträte, dass gerade viele ältere Vermieter aufgrund zu hoher Auflagen und Mieterrechte leerstehende Wohnungen nicht mehr vermieten wollten.

Für die SPD-Fraktion ist das bezahlbare Wohnen ein Kernanliegen, unterstreicht Fraktionsvorsitzende Marlene Diehm. Die Bebauung am Hubäckerring zeige, dass es möglich ist, solche Projekte zu realisieren. Größte Herausforderung und Chance seien die Gebiete im Stadtareal, die genutzt werden könnten, aber nicht genutzt werden – zum einen Wohnungen und Häuser, die nutzbar sind, aber nicht vermietet oder verkauft werden, unbebaute Parzellen und auch abrissreife Gebäude, die nicht entfernt werden, um Platz für Neues zu schaffen. Die Anstrengungen der Verwaltung hierbei müssten weiterhin unterstützt werden, um diese nachhaltigste Form der Wohnraumschaffung zu nutzen.

Hockenheimer SPD: Raum für Tiny-Haus-Konzept

Das Bauen in zweiter Reihe stelle für die SPD eine weitere Möglichkeit dar, Neubauten zu ermöglichen. Auch das Konzept Tiny Haus habe in den im alten Stadtkern vorhandenen Grundstücksformen eine gewisse Attraktivität.

Die Ausweisung neuer Wohngebiete sei durch Regularien stark eingeschränkt, auch wenn diese teilweise in Betrachtung bestehender Wohngebiete nicht plausibel seien. „Sollten sich Neubaugebiete ergeben, so ist es für die SPD-Fraktion von höchster Priorität, hierbei ebenfalls sozialen Wohnungsbau mit zu berücksichtigen“, betont Diehm.

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Der Schaffung einer Wohnungsbaugenossenschaft oder -gesellschaft stehen die Vertreter der SPD positiv gegenüber, wenngleich auch hier das Konzept allein noch nicht die Probleme löse und allenfalls als Werkzeug gesehen werden sollte.

„Eine Neubebauung verbietet sich, wenn Wohnungsungerechtigkeit weiter gefördert und dafür wertvoller Boden verbraucht werden soll. Das Leitbild der Grünen war schon immer eine nachhaltige Stadtentwicklung und ein schonender Umgang mit der Ressource Boden“, betont Fraktionsvorsitzende Elke Dörflinger. In Hockenheim gebe es Flächen, die entweder brachliegen, anderweitig genutzt oder als Parkplatz vorgehalten werden – teilweise im Eigentum der Stadt oder der Stadtwerke.

Grüne sehen das ehemalige Hockenheimer Freibad als Option für Schaffung von Wohnraum

„Mit der Erstellung einer Flächenpotenzialanalyse könnte geprüft werden, welche davon nutzbar gemacht werden können“, sagt Stadtrat Christian Keller. „Ein uns bekanntes Beispiel ist der Parkplatz am Eingang des ehemaligen Freibads an der Arndtstraße. Diese versiegelte Asphaltfläche mit der dahinter liegenden ehemaligen Liegewiese des Bades hat eine Größe von rund 14 000 Quadratmetern.“ Das Blockheizkraftwerk in unmittelbarer Nähe zum Aquadrom und den Schulen könnten für eine Wohnbebauung genutzt werden. Mit einer durchdachten und qualitätsvollen Quartiersentwicklung könnte dieses Gebiet, insbesondere durch die Nähe zu Kindergärten und Schulen, vor allem für junge Familien attraktiv werden, finden die Grünen.

Ein weiteres Beispiel wäre eine fortschrittliche Bebauung am Hubäckerring. Hier wäre ein moderner, zeitgemäßer Vollsortimenter mit darüber liegender Wohnbebauung für sie ideal. Um die Ressource Boden effizient zu nutzen, werde heute in die Höhe statt in die Breite gebaut.

Darüber hinaus gebe es die Bauerwartungsfläche Hockenheim Süd, deren künftige Nutzung im Gemeinderat diskutiert werden müsse. Nicht zu vergessen seien bisher nicht erfasste Leerstände in den verschiedenen Wohn- und Gewerbegebieten, ergänzt Elke Dörflinger.

Hockenheimer Grüne haben bereits mehrfach konkrete Vorschläge eingebracht

„Wir glauben, wenn alle städtebaulichen Optionen auf den Tisch gelegt werden, dass der Wohnraumbedarf in den nächsten Jahren im Stadtgebiet realisiert werden kann“, formuliert es Dörflinger. Dazu hätten die Grünen bereits mehrfach konkrete Vorschläge in die Diskussion eingebracht.

Dazu zählen Wohnraummanagement durch Erfassung von Leerständen und Prüfung von Umnutzungsmöglichkeiten zu groß gewordener Wohnungen, die wieder Familien zur Verfügung gestellt werden können sowie Prüfung von Umnutzungs- und Umbaumöglichkeiten im Bestand, etwa leerstehender Bürogebäude zu Wohnungen. Dörflinger nennt ferner die Unterstützung von Hauseigentümern bei Bauanträgen für Dachausbauten oder Aufstockungen und die Ausübung des Vorkaufsrechts oder die Erbpacht statt Verkauf von städtischen Grundstücken.

„Der Vorschlag der Grünen in den 1990er Jahren, eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft zu gründen, fand keine große Zustimmung. Stattdessen beschloss der Gemeinderat gegen die Stimmen der Grünen, zur Haushaltskonsolidierung städtische Wohnungen und Grundstücke unwiederbringlich zu veräußern“, erinnert Adolf Härdle.

In den nächsten Jahren stünden vielfältige kommunale Aufgaben mit hohem Investitionsbedarf auf der Agenda wie Innenstadtentwicklung, Herrenteich, Aquadrom, Realschul-Neubau und Kraichbachschule. Die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft sei anzustreben, aber unter diesen Bedingungen äußerst schwierig umzusetzen.

Hockenheimer FDP sie die Nutzung der Innenentwicklung als erste Option

Nach Ansicht der FDP liegt großes Potenzial in der Innenentwicklung der Stadt, bevor neue Wohngebiete erschlossen werden, teilt Stadtrat Philipp Kramberg mit. Unbebaute Grundstücke, die Erweiterung des Bestands nach oben sowie innovative Wohnkonzepte sollten vorrangig genutzt werden, um den Bedarf zu decken, insbesondere im Hinblick auf altersgerechten Wohnraum. Diese Konzepte sollten in den Fokus rücken, bevor über geeignete Orte für städtische Erweiterung nachgedacht werde.

„Wohnraum wird unserer Ansicht nach günstig, wenn das Angebot auf dem Markt erhöht wird und Vermieter damit wieder im Wettbewerb miteinander stehen. Leider ist Bauen aktuell einfach nicht günstig möglich“, räumen die Liberalen ein mit Blick auf Preise für Grundstücke Material und Bauleistungen sowie Kredite. Als Alternative könne die Stadt beispielsweise bei neuen Bauprojekten unter gewissen Voraussetzungen eine Pflichtquote an bezahlbaren Wohnungen vorschreiben, wie es in Heidelberg oder Mannheim passiert.

Das geplante Projekt am Hubäckerring sei ein wichtiger Schritt, mit dem sich Hockenheim aber nicht zufriedengeben dürfe. Um den Bedarf nachhaltig zu decken, sollten weitere Projekte in ähnlicher oder neuer Ausrichtung folgen. „Wir müssen uns auf jeden Fall kontinuierlich damit beschäftigen, denn nur auf kommunaler Ebene können Veränderung bei dem Thema bewirken“, ist Kramberg überzeugt.

Grundsätzlich sei die FDP der Meinung, dass der Staat oder eine Stadt nicht per se die besseren Unternehmer sind. „Es ist klar, was aktuell die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind und auch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft wird sicherlich damit zu kämpfen haben. Außerdem hat Hockenheim aus unserer Sicht aktuell genügend privatwirtschaftliche Beteiligungen, die den Haushalt belasten – Stichwort Aquadrom.“ Weitere Investitionen seien aktuell aus dem städtischen Haushalt schwer zu tragen. „Komplett verschlossen sind wir dagegen jedoch nicht“, betont Kramberg.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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