Umweltgefahr

Renaturierung des Herrenteichgeländes überfordert Hockenheim

Asbestbelastet und unvermarktbar: Wie geht es weiter mit dem ehemaligen Ziegeleigelände auf dem Herrenteich? Seit 15 Jahren sind die Abfälle gegen hohe Kostenbeteiligung der Stadt abgefahren, seitdem herrscht Stillstand.

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Matthias Mühleisen
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Löcher tun sich sowohl im Boden als auch im Dach der ehemaligen Ziegelei auf: Der damalige Pressesprecher Christian Stalf (v. l.), Oberbürgermeister Marcus Zeitler sowie Christian Engel und Thorsten Utz vom Fachbereich Bauen und Wohnen begehen im Herbst 2020 das Fabrikgebäude. Archivbild: Lenhardt © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Die Asbestanlage Herrenteich könnte unter dem Titel „eine unendliche Geschichte“ in die Annalen der Stadt eingehen, formuliert es Gabi Horn, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. Die ursprüngliche Genehmigung durch das für diese Art Anlagen zuständige Landratsamt - nicht durch die Stadt Hockenheim, auf deren Gemarkung die Anlage gebaut und betrieben wurde - und die ausufernde Ablagerung asbesthaltigen Materials als Folge einer nicht ausreichenden Kontrolle sei zum Problem der Stadt Hockenheim geworden.

Dem Vorschlag des Landes, das ganze kontaminierte Material unter einer Betondecke zu vergraben, ist der damalige OB Dieter Gummer zusammen mit dem Stadtrat nicht gefolgt, schon wegen der angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen. Man sah die Gefahr einer Ausschwemmung des Materials und eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung als zu groß an.

Landschafts- und Umweltschutz erschwert die Vermarktung des Hockenheimer Geländes

Es habe immer wieder Interessenten gegeben, sei aber nicht zum Verkauf gekommen. Bedingt durch Gutachten wurde das Baufenster immer kleiner, der Verkaufspreis immer geringer und die Kosten einer Entsorgung immer größer. Eine Vermarktung wurde durch Erfordernisse und Richtlinien des Landschafts- und Umweltschutzes erschwert.

Die Verhandlungen mit dem Land verliefen nicht günstig für Hockenheim, stellt Horn fest. Die Stadt hatte einen Großteil der Kosten der Kosten zu tragen und diese waren nicht durch einen Verkauf gedeckt. Das Land hat seinen mit der Stadt Hockenheim vertraglich vereinbarten Beitrag geleistet - wie sich später herausstellte, war das aber bei Weitem nicht ausreichend. „Ob wir Hilfe vom Land erhalten und vielleicht an eine Renaturierung denken können, ist unwahrscheinlich“, glaubt die FWV-Sprecherin.

Bei der CDU-Fraktion hat sich schon vor geraumer Zeit die Erkenntnis breitgemacht, dass es nicht klug gewesen ist, zusammen mit dem Land Baden-Württemberg an einer Lösung zu arbeiten, sagt Fraktionsvorsitzender Markus Fuchs. Denn bekanntermaßen bleibt die Große Kreisstadt auf einem Schaden von mindestens fünf bis sechs Millionen Euro sitzen.

Hockenheimer CDU hat nicht mehr viel Hoffnung bei einer Vermarktung des Geländes

Viel Hoffnung auf eine erfolgreiche Vermarktung des Grundstücks habe die CDU-Fraktion nicht mehr. Durch die Bestimmungen des Regierungspräsidiums (RP) wurden die Nutzungsmöglichkeiten so eingeschränkt, dass alle bisherigen Interessenten abgewunken haben. Von daher verbleiben - Stand heute - nur ein Rückbau der Ruine, eine Entsorgung der Schadstoffe und eine Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet.

Das sei aus CDU-Sicht die beste Lösung untere ökologischen Gesichtspunkten. Doch so gut diese klinge: Sie sei für die Stadt nicht finanzierbar. Denn für die Hockenheimer Christdemokraten stehen die Investitionen in die Zukunft der Hockenheimer Kinder im Vordergrund, die die Haushalte der nächsten mindestens acht bis zehn Jahre bestimmen werden (Parkkindergarten: 15 Millionen, Zukunft der Realschule: 40 bis 50 Millionen Euro, Ganztagesbetreuung bei den Grundschulen: Kosten noch unbekannt).

Mehrmals habe die CDU das Thema aufgegriffen und vergeblich auf eine Unterstützung des Grünen-Abgeordneten und Umwelt-Staatssekretärs Andre Baumann gehofft. „Es bringt uns nichts, immer nur auf Förderprogramme verwiesen zu werden, die entweder nicht passen oder doch nur den bekannten Tropfen auf den heißen Stein darstellen. Aktive Hilfe sieht anders aus“, sagt Markus Fuchs.

Herrenteich Hockenheim: Schaden für Umwelt und Anwohner vermeiden

Eine kleine Hoffnung bestehe noch darin, dass durch ein Großprojekt eine ökologische Ausgleichsfläche benötigt wird und dafür die hohen Investitionen am Herrenteich ansatzweise refinanziert werden könnten. „Doch diese Hoffnung ist mehr als vage“, ergänzt Fuchs. Für den Augenblick sieht die Union nur die Möglichkeit, den Herrenteich notdürftig abzusichern, um Schaden für die Umwelt und die Anwohner zu vermeiden. Die stellvertretende Fraktionssprecherin Bärbel Hesping ergänzt: „Wir freuen uns über alle Anregungen für eine weitere Verwendung. Stillstand bedeutet hier leider Rückschritt, da die Entsorgung leider immer teurer werden wird und wir Gefahr laufen, dass das RP die überplanbaren Flächen noch weiter einschränkt“. Eine erneute Verschiebung des Realschulprojekts zugunsten des Herrenteichs sei mit der CDU-Fraktion jedoch nicht zu machen.

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Da der SPD-Fraktion derzeit keine aktuelle Einschätzung vorliege, welche Möglichkeiten ein neuer Eigentümer beim Erwerb des Geländes überhaupt hätte, sei davon auszugehen, dass dies wohl wirtschaftlich zumindest schwierig ist, erklärt Fraktionsvorsitzende Marlene Diehm. Von den Interessenten, die vor drei Jahren genannt wurden, sei nichts mehr gehört und seitdem auch keine Verhandlungen veröffentlicht worden.

Wenn trotz der Bemühungen seitens der Verwaltung keine Aussicht auf eine private oder gewerbliche Nutzung besteht, sei eine Abtragung und Renaturierung sehr wünschenswert. Hierbei könne die Stadt jedoch die Kosten nicht allein stemmen. Zumal davon auszugehen sei, dass bei Abrissarbeiten Giftstoffe freigesetzt werden und Gegenmaßnahmen das Verfahren weiter verteuern könnten.

Zu einem "Lost Place" in Hockenheim wird es auch nicht kommen

Die Unterbindung der außergesetzlichen Nutzung des Geländes als Veranstaltungsort für urbane Kunst und Partys sowie als Attraktion im Bereich „Lost Places“ sei eine notwendige Maßnahme, um insbesondere junge Personen vor der Unterschätzung der Gefahr in der Ruine zu schützen.

Der Herrenteich ist in Hockenheim ein heißes Eisen, bei dessen Bewertung monetäre Aspekte eine wesentliche Rolle spielen, bemerkt Grünen-Fraktionsvorsitzende Elke Dörflinger. Die Stadt habe mit dem Land einen Vertrag geschlossen, der zwar dazu geführt hat, dass „der Dreck weg ist“, aber Hockenheim auf den Kosten sitzenbleibt, ohne am Verfahren beteiligt gewesen zu sein. Dies sei angesichts der genannten Summen umso ärgerlicher und werde umso teurer, je länger eine Entscheidung dauert. „Entscheidungen haben ihren Preis, keine aber eben auch“, merkt Dörflinger an.

„Das Grundproblem ist die Hochwassergefährdung des Geländes und die damit verbundenen Nutzungseinschränkungen. Der Bebauungsplan wurde aufgrund von Einsprüchen der Naturschutz- und Wasserrechtsbehörde schließlich auf rund 22 000 Quadratmeter reduziert. Nutzbar sind nur das Gebäude und die direkt umliegenden Flächen“, erklärt Adolf Härdle und fügt hinzu: „Leider gab es trotz meiner Anfragen keine einzige offizielle Gemeinderatssitzung dazu.“

Hockenheimer Grüne sehen die grundsätzliche Möglichkeit einer gewerblichen Nutzung

„Eine gewerbliche Nutzung ist grundsätzlich möglich, aber das Interesse der Investoren scheint nicht allzu groß zu sein. Aus verschiedenen Gründen, wie Naturschutz, Hochwasserschutz, geringe nutzbare Fläche, Preis, Kosten, scheiterten und scheitern solche Projekte“, sagt Christian Keller.

Die Möglichkeit der Renaturierung der derzeit als gewerbliche Baufläche ausgewiesenen Fläche sei allein deshalb die zu bevorzugende Option. Vor einer Umsetzung wäre allerdings empfehlenswert zu prüfen, ob EU-Fördermittel in Anspruch genommen werden können und inwieweit die bestehende Altlastenstandortprüfung noch aktuell ist, ergänzt Dörflinger.

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Eine finale Abklärung in 2024 sei anzustreben, aber unrealistisch. Die Entscheidung über den Umgang mit dem Herrenteich und die Renaturierung des Gebietes sollte und kann zum Haushalt 2025 vorgenommen werden, spätestens jedoch zum Haushalt 2026, falls sich doch noch Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten durch das Land ergeben sollten. Was nicht zu erwarten sei, schließt Härdle.

Hockenheimer Grüne: Renaturierung als wünschenswerte Lösung

Unser Standpunkt hat sich diesbezüglich nicht geändert. Leider sehen wir hier kaum Bewegung. Eine gewerbliche Nutzung ist unwahrscheinlich. Die Renaturierung wäre in dem Umfeld die wünschenswertere Lösung. Sie ist für die Stadt aber nicht finanzierbar. Solange die, die für den Zustand verantwortlich sind, nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wird sich wohl nichts ändern. Es ist ein Armutszeugnis des Grünen Umweltministeriums, hier nicht tätig zu werden. Seit Jahren wird gestritten und gejammert - und nichts passiert. Unserer Meinung nach sollten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, um endlich eine Lösung zu finden. Alle Betroffenen müssen an einen Tisch - Land, Kreis und Stadt. Nur so werden wir das Problem lösen.

Wir würden uns wünschen, dass hier irgendwann mal wieder eine grüne Lunge entsteht und der Schandfleck verschwindet. Die Natur holt sich bereits das Gelände zurück. Was für viele romantisch erscheint, birgt leider viele Risiken, denn die Gebäude sind einsturzgefährdet. Zurzeit erinnert das Gelände eher an eine Szene aus einem Science-Fiction-Film als an ein anstrebbares Biotop.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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