Motodrom

Hockenheimer gründen Bürgerinitiative gegen Lärm vom Ring

Sie wohnen seit Jahren in Hockenheim, gehen selbst zu Veranstaltungen auf den Ring, aber der tägliche Motorenlärm hat bei ihnen das Fass zum Überlaufen gebracht. Deshalb haben einige Hockenheimer jetzt eine Bürgerinitiative gegründet.

Von 
Jürgen Gruler
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Hier treffen sich die Mitglieder der Bürgerinitiative auf der Conti-Brücke mit der Südtribüne im Hintergrund. © Zimmermann

Hockenheim. Wolfgang Mueller bringt es am Ende unseres Treffens auf den Punkt: „Wir sind keine Gegner des Motodroms, fordern aber eine deutliche Veränderung zum Schutz der Bevölkerung durch eine Einschränkung der Betriebszeiten, die Einführung von Ruhezeiten und Wochenenden ohne Lärm.“

Und Wolfgang Schrank ergänzt das: „Der Hockenheimring muss in eine Transformation eintreten. Weg von den täglichen Vermietungen für private und firmenbezogene laute Fahrveranstaltungen hin zu einer alternativen Nutzung in Sachen Elektromobilität, Konzerten, Inliner- und Laufevents und Ähnlichem. Mit den heute schon wenigen offiziellen Rennveranstaltungen haben wir kein Problem, wenn sie sich in klaren zeitlichen Korridoren abspielen.“

Großveranstaltungen wie das Konzert von Bruce Springsteen Ende Juli im Motodrom stehen nicht in der Kritik. Im Gegenteil, die BI würde lieber mehr Konzerte als lärmende Motoren im Ring hören. © Mühleisen

Hockenheimer Bürgerinitiative hat bislang 20 Mitglieder

Knapp 20 Mitglieder zählt die neue Bürgerinitiative gegen Lärm und für mehr Lebensqualität bereits. Auch in den Fraktionen der Grünen, der SPD, der FDP und der Freien Wähler haben sie schon vorgesprochen, die CDU soll bald folgen. „Bisher hatten wir das Gefühl, durchaus auf offene Ohren zu stoßen“, sagt Helmut Zimmermann. Die Freien Wähler hatten auch angeboten, im Oktober einen Runden Tisch zu organisieren. Den Initiatoren der BI kommt das grundsätzlich entgegen, denn „wir wollen den Dialog suchen und streben eigentlich auch mit der Ring-Geschäftsleitung und der Stadtspitze eine Kooperation an, die den Hockenheimern dient, die täglich vom Lärm am Ring betroffen sind“, sagt Wolfgang Mueller.

Aber das Quartett, mit dem wir sprechen, sagt auch, dass es ihnen ernst sei und sie auch vor Ort protestieren würden, Infostände in der Stadt aufbauen wollen und von Tür zu Tür gingen, um Unterschriften zu sammeln, wenn sie merken, dass man sie nur vertröstet und dann vielleicht vor vollendete Tatsachen stellt. Für die nächste Stadtratssitzung kündigen sie an, sich bei der Bürgerfragerunde zu Wort melden zu wollen.

Vom Lärm umzingelt

Eins ist klar: Die Hockenheimer sind quasi vom Lärm umzingelt: Autobahnen auf zwei Seiten, die B 39 auf der dritten Seite und die Bahnlinie mit der Aussicht für den Güterverkehr noch ausgebaut zu werden, auf der vierten Seite. „Da haben wir auch nicht viel Entlastung zu erwarten“, sind sich die BI-Organisatoren einig: „Aber am Hockenheimring hält doch die Stadt die meisten Anteile. Da könnte man Einfluss nehmen und etwas für die eigenen Bürger tun“, sagen sie.

Es sei kaum noch möglich, in Ruhe durch den Wald zu joggen oder spazieren zu gehen. Ob Montag oder Samstag, immer dröhnen die Motoren. Und anders als bei der Autobahn sei es dieses immer wieder nach der Kurve beschleunigen, die lauten Rennboliden aus der Vergangenheit und die aufgetunten Fahrzeuge aus halb Europa, die nerven. Helmut Zimmermann erzählt von einem Nachbarn, der immer erst auf eine Fahne schaue, bevor er entscheide, ob er sich in den Garten setze. Bei Ostwind ist es ihm einfach zu laut. Gerade im Birkengrund komme der Lärm dann besonders laut an, weil er sich der über die Tribünen winde und hier wieder herunterfalle, das habe ihm kürzlich ein Experte erklärt.

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In den letzten Wochen sei man viel in der Nachbarschaft unterwegs gewesen, habe die Leute befragt, wie sie die Entwicklung in Sachen Lärm empfinden. Alle seien sich durchweg einig: „Es wird immer mehr und es gibt keine Erholungszeiten mehr. Höchstens an drei oder vier Tagen vor und nach großen Konzerten, wenn zum Bühnenauf- und -abbau die Rennstrecke nicht zum Fahren genutzt werden kann. Wenn man dann bei der Internetrecherche noch entdecke, dass Firmen und Motorclubs aus der Schweiz auf ihren Homepages explizit dafür werben, dass es auf dem Hockenheimring weniger strenge Lärmvorschriften gebe wie anderswo, dann bringe das bei ihnen das Fass zum Überlaufen.

„Die Belastung ist einfach zu groß“, sagt auch Tim Zimmermann, der vor einem Jahr aus Karlsruhe zusammen mit seiner Familie zurück in seine Heimatstadt gezogen ist. „Der Motorenlärm an zu vielen Tagen im Jahr und dann oft von 9 bis 20 Uhr nonstop“, das sei einfach anders als früher, als es einige Großveranstaltungen im Jahr gab, aber dann unter der Woche und auch an vielen Wochenenden weitgehend Ruhe herrschte. „Kürzlich war ich auf dem Friedhof bei einer Beerdigung, dann hat man den Pfarrer nicht mehr verstanden“, ergänzt Wolfgang Schrank: „Es darf einfach nicht so sein, dass die Profitoptimierung mehr zählt als die Gesundheit der Menschen in Hockenheim und in den umliegenden Gemeinden, die ja genauso betroffen sind, wenn der Wind in ihre Richtung weht. Gesundheit kann nicht gegen Geld aufgewogen werden. Man meidet ja schon den Wald, der eigentlich unserer Naherholung dienen sollte“, sagt er.

Feinstaub und CO2

Hinzu komme, dass man überhaupt keine Anzeichen erkennen könne, dass sich die Geschäftsführung am Ring und die Stadtverwaltung, die ja im Aufsichtsrat vertreten sei, auf den Weg in eine neue Zukunft machen. „Während von uns Bürgern verlangt wird, künftig auf Verbrennungsmotoren zu verzichten und auf E-Mobilität zu setzen, fahren auf dem Ring die meisten Boliden ohne Katalysator und mit Unmengen an Spritverbrauch. Man solle doch auf alternative Antriebsformen setzen. Die Transformation der Hockenheimrings sei überfällig – ob die Betriebsgenehmigung aus dem Jahr 2001 noch den Veränderungen der Zeit entspreche, sei durchaus fraglich.

Den Vertretern der Bürgerinitiative ist bei unserem Gespräch immer wieder wichtig, dass sie keine Gegner des Rings seien. Sie hätten sich Entwicklungen in Hohenstein-Ernsthal und am Salzburgring angeschaut, wo das Thema Lärm auch rumore. Da gebe es bereits Gespräche und Auflagen, die die Strecken leben lassen und die Bürger entlasten. Das könnten sie sich für Hockenheim auch vorstellen.

Sie wollen sich jetzt formieren, haben eine Homepage am Start und man kann sich per E-Mail bei der BI anmelden. Auch Aktionen und Infostände sind im Gespräch und die Initiative drückt aufs Tempo – „nicht dass wir dann so lange hingehalten werden, bis ein neuer Investor einsteigt und die Stadt ihren Einfluss verliert und alles noch schlimmer wird“. Darüber sind sich die BI-Macher einig.

Kontakt: über die Website der Bürgerinitiative und per Mail an info@bill-hockenheim.de.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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