Dienstaufsichtsbeschwerde

Hockenheimer „Waldblick“: Eigentümer streitet mit Stadt

Michael Mayer beklagt, die Baurechtsbehörde verhindere die Vermietung des 91 Jahre alten Gebäudes, das eine bewegte Geschichte aufweist. Andererseits weist der Eigentümer aber keinen Brandschutz nach.

Von 
Matthias Mühleisen
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Seit vielen Jahren unverändert: Das 1933 vom Gewerkschaftsbund eröffnete „Volkshaus“, Mitte der 1960er Jahre zum Hotel „Waldblick“ verwandelt, steht in der Hans-Böckler-Straße 1 leer. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Die Tage des „Volkshauses“ in der Hans-Böckler-Straße schienen längst gezählt, doch der vor 91 Jahren fertiggestellte Bau mit bewegter Geschichte steht noch immer. Es gehörte ursprünglich dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, 1959 wurde es verkauft und Mitte der 1960er Jahre zum „Hotel Waldblick“ umgebaut. Nach der Jahrtausendwende firmierte es unter „Royal Garden“. Ein Bauträger wollte das Gebäude 2012 abreißen und Reihenhäuser für junge Familien an seiner Stelle errichten, erzielte jedoch keine Einigkeit mit dem Eigentümer. So steht die Immobilie immer noch – und immer noch besteht Uneinigkeit. Aktuell zwischen Michael Mayer, dem das Haus gehört, und der Stadtverwaltung.

Vorerst letztes Kapitel des Disputs ist eine Dienstaufsichtsbeschwerde Mayers bei Oberbürgermeister Marcus Zeitler über Mitarbeiter des Baurechtsamts wegen „Verdachts auf Behördenwillkür, vorsätzliche wissentliche Fehlinformationen, schikanösen Verhaltens, vorsätzlicher Verzögerung und Blockierung einer Neuvermietung und Ansiedlung eines steuerzahlenden Betriebs in Hockenheim“. Diese hat er in Kopie an unsere Zeitung geschickt.

Vom „Volkshaus“ zum „Waldblick“

Der Grundstein für das Gewerkschaftshaus wurde im September 1932 gelegt, bereits im Jahr darauf wurde es fertiggestellt.

Beim Bau engagierten sich insbesondere die 700 bis 800 Zigarrenarbeiter bei der GEG, der Großeinkaufsgenossenschaft, die größtenteils gewerkschaftlich organisiert waren.

Neben privater Arbeitsleistung kauften sie auch sogenannte Bausteine. Die Nationalsozialisten zogen nach der Machtergreifung, also bald nach der Fertigstellung, den Besitz von Vereinen ein. So wurde auch das „Volkshaus“ der Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes beschlagnahmt.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges und bis zum Kriegsende wurde das Volkshaus von der Mannheimer Firma „Iso“ gewerblich genutzt.

1945 wurde das „Volkshaus“ an den Deutschen Gewerkschaftsbund zurückgegeben, der Arbeitergesangverein, der Ortsverein der Sozialdemokraten und das Gewerkschaftskartell kehrten zurück.

Der Hockenheimer Sportverein HSV gründete hier seinen Fanfarenzug „Blaue Husaren“, die Ringerabteilung kämpfte im Saal.

1959 verkaufte die Gewerkschaft das Haus an die Familie Hanke. Mitte der 1960er Jahre erfolgte der Umbau zum „Hotel Waldblick“. 

Die Darstellung der Stadtverwaltung sieht ganz anders aus. Die Baurechtsbehörde habe Brandschutzmängel moniert, deren nachweisliche Beseitigung Voraussetzung sei für eine Wiederaufnahme der genehmigten Nutzung als Fremdenzimmer, lautete die Antwort bereits im April. Auf dreimalige Nachfrage der Redaktion, ob das zutrifft oder die Brandschutzmängel behoben seien, antwortet Michael Mayer nicht. Ein Anruf bei der städtischen Pressestelle am Montag ergibt: Der Nachweis der Beseitigung der bei einem Ortstermin festgestellten Brandschutzmängel ist nicht erfolgt.

Der Eigentümer mutmaßt dagegen, dass die Verwaltung „Mietinteressenten oder auch Mieter mit völlig abstrusen Argumenten“ davon abhalte, ein Gewerbe auszuführen oder das Objekt anzumieten. Diese Vorgehensweise praktiziere das Bauamt seit mehreren Jahren. In seiner Dienstaufsichtsbeschwerde moniert Mayer, die Behörde arbeite „systematisch, willkürlich, vorsätzlich daran, dass sich kein neuer Gewerbebetrieb ansiedeln kann.“

Hockenheimer hat mit Strafanzeige gedroht

Neben der Dienstaufsichtsbeschwerde lasse er nun von seinen Anwälten prüfen, inwieweit Strafanzeige gegen die Beschäftigten der Baurechtsbehörde gestellt werden könne, teilt Mayer in seinem Schreiben an den OB mit, das er wie andere zuvor in Kopie an unsere Redaktion geschickt hat. Die Rechtsvertreter ermittelten ferner, wie er seinen „enormen entstandenen Schaden (mittlerweile im sechsstelligen Bereich) geltend machen“ sowie eine Klage gegen die Stadt Hockenheim anstreben könne.

Seine Anschuldigung begründet der Hausbesitzer damit, dass Rathausmitarbeiter in Gesprächen mit Mietinteressenten im April mitgeteilt hätten, dass keine Nutzungsgenehmigung für das Objekt vorliege, es sich um ein reines Wohngebiet handle und erst ein Nutzungsänderungsantrag/Bauantrag einzureichen wäre. Der Interessent, der mehrere Monteur-Unterkünfte betreibe und die Mayersche Immobilie zu diesem Zweck ebenfalls habe anmieten wollen, habe sich darauf zurückgezogen, schreibt der „Waldblick“-Eigentümer. Er betont: „Die Nutzung in Form von Fremdenzimmern sollte zu keinem Zeitpunkt geändert werden.“

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Mayer räumt ein, er könne „nur wiedergeben, was uns Mieter und Mietinteressenten mitteilen. Es handelt sich also lediglich um subjektive Angaben, respektive subjektive Ansichten, welche die betroffenen Behörden gerne widerlegen, entkräften können.“ Bis dato sei das nicht geschehen. Einen guten Rat schickt Mayer in seinem Schreiben in Richtung Rathaus: „Zukünftig möge das Baurechtsamt Hockenheim zu unserem Objekt nur noch auf schriftlichen Antrag Auskünfte erteilen.“

Die Baurechtsbehörde hat in ihrer Antwort im April Mayers Vorwürfe zurückgewiesen. Weder sei gesagt worden, dass keine Baugenehmigung vorliege, noch dass eine solche nicht erteilt werde. Einziges Ziel der Behörde sei „die Nutzung der baulichen Anlage unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften“.

Michael Mayer hat das ehemalige Hotel „Waldblick“ 2017 auch der Stadt als Mietobjekt angeboten – zur Unterbringung Geflüchteter. Sein Angebot, das der Fachbereich Bauen und Wohnen auf bis zu 23,70 Euro pro Quadratmeter und Monat bei zehn Jahren Mietdauer hochrechnete, sahen Stadt und Gemeinderat als zu teuer an. Im Februar 2024 wiederholte der Eigentümer, der das Objekt nicht verkaufen wollte, das Angebot, „unserer Verantwortung der Gesellschaft, dem Staat und den Menschen gegenüber bewusst“. Auf die Anmietung der 15 Räume, davon zwölf Gästezimmer jeweils mit Dusche, WC und Waschbecken, verzichtete die Stadt jedoch abermals.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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