Hockenheim. Den OB-Wahlsieg feierte er am 21. Juli 2019, am Tag danach kündigte er seine Wohnung und Weihnachten feierte er bereits als Hockenheimer: Bei Marcus Zeitler geht alles schnell. Und so eilten auch seine ersten vier Jahre als Oberbürgermeister von Hockenheim rasant vorbei. Am 1. September steht somit die Halbzeitbilanz an – und die fällt positiv aus.
Die ersten vier Jahre auf dem Hockenheimer OB-Sessel sind vorbei – haben Sie den Eindruck, die Zeit ist schneller vergangen als in Schönau?
Marcus Zeitler: Es ist mir vielleicht schneller vorgekommen, weil das Aufgabenfeld dank der städtischen Gesellschaften hier doch nicht mit dem in Schönau zu vergleichen ist. Auf der anderen Seite muss ich sagen, mir war in diesen vier Jahren nicht eine Sekunde langweilig, es ist immer noch genug Arbeit da, die abgearbeitet werden muss.
Wie sieht Ihre Bilanz aus dieser ersten Hälfte der Amtszeit aus?
Zeitler: Ich drücke sie mal zunächst in Zahlen aus: Die Verschuldung im Kernhaushalt lag bei meinem Amtsantritt bei 21 Millionen Euro und jetzt bei 15 Millionen. Die liquiden Mittel betrugen 17 bis 18 Millionen Euro und jetzt 25 Millionen und wir haben in diesen vier Jahren zwischen 25 und 30 Millionen Euro in die Infrastruktur der Stadt investiert. 2015 bis 2019 sind vielleicht eine Million pro Jahr in die Investitionen geflossen, mittlerweile sind wir bei sieben bis acht Millionen Euro. Trotz dieser Vervielfachung der Investitionen konnten wir die Verschuldung im Kernhaushalt zurückführen und die Rücklagen auffüllen. Für die kommenden zwei Jahre sind wir somit jeweils abgesichert, dass wir durchkommen.
Wobei Sie auch die personelle Ausstattung des Rathauses aufgestockt haben.
Zeitler: Das bekomme ich immer wieder zu hören: Wir hätten eingestellt wie die Bekloppten. Da muss ich sagen, dass wir in den vier Jahren unterm Strich vielleicht von zehn bis zwölf Stellen mehr reden. Die aber auch aus den hohen Auflagen resultieren, die Bund und Land machen. Wir hatten Probleme, was das Baurechtsamt und die Kommunikation in den digitalen Medien betrifft, die wir gelöst haben. Ansonsten ist festzuhalten, dass 90 Prozent der Personalkostensteigerungen auf Tariferhöhungen zurückzuführen sind. Wir sind da immer noch auf einem guten Weg und haben jedes Jahr den Haushalt besser abgeschlossen, als er kalkuliert war – von einem Millionenminus auf eine positive Zuführung. Wir haben es bestimmt nicht jedem recht gemacht, aber im Umgang mit den kommunalen Finanzen für die ersten vier Jahre ein gutes Zeugnis verdient. Mit Rolf Fitterling habe ich auch einen sehr guten Kämmerer an der Hand.
Wobei Zahlen nicht alles sind . . .
Zeitler: Ich bin nun mal ein Zahlenmensch. Aber man kann es auch an Projekten festmachen: In vier Jahren haben wir die Obere Hauptstraße, die Bürgermeister-Hund- und die Oftersheimer Straße komplett mit Kanal und neuer Infrastruktur saniert. Natürlich ist es schöner, ein Gebäude zu bauen und einzuweihen als eine Straße mit Kanal zu sanieren, aber es ist eine Pflichtaufgabe und für die Folgegenerationen enorm wichtig. Daher sind uns unsere Wasserleitungen heilig und wir haben weit über eine Million Euro in die Kläranlage gepumpt. Damit kann man keine Popularität gewinnen. Aber ich bin nicht da, um beliebt zu sein, sondern um meinen Job zu machen.
Welche Errungenschaften sind Ihnen in Ihrer Halbzeitbilanz noch wichtig?
Zeitler: Wir haben das Thema Obdachlosenunterkunft im Hofweg nach jahrzehntelanger Diskussion vom Tisch gebracht, unsere Feuerwehr weiterhin hervorragend ausgestattet, deren Freizeit die Sicherheit der Bürger garantiert. Millionen Euro wurden im Brandschutz verbaut, das Gutachten aus den Jahren 2015/16 für alle städtischen Gebäude umgesetzt – sonst wäre der Versicherungsschutz für Schulen, Kindergärten, Rathaus und Stadthalle und allen öffentlichen Gebäuden erloschen. Bei der Digitalisierung sind wir aus der Steinzeit mittlerweile im Uefa-Cup angekommen und ich glaube, dass wir schon bald die Champions League erreichen. Die Schulen sind alle glasfaserverkabelt, wir haben alle Mittel ausgeschöpft. Das liegt am tollen Team, das wir haben. Es wurde in meiner Amtszeit von zwei auf fünf Stellen ausgebaut.
Wobei auch „analog“ immer viel in die Schulen investiert wird.
Zeitler: Das ist uns ganz wichtig. Der Neubau der Hartmann-Baumann-Schule für zehn Millionen Euro ist eröffnet, genau wie der Albert-Einstein-Kindergarten für fast vier Millionen, der Waldkindergarten läuft, für den Neubau des Park-Kindergartens laufen die Planungen – und der Skatepark ist eröffnet. Wenn man bedenkt, dass da noch zwei Jahre Pandemie dabei waren, ist das Ergebnis eigentlich nicht so schlecht.
Also könnte man sagen, Sie sind mit den ersten vier Jahren zufrieden?
Zeitler: Optimieren kann man alles, man kann auch immer besser werden, aber manchmal ist es sinnvoller, Schritt für Schritt vorzugehen. Es war uns – Thomas Jakob-Lichtenberg und mir – wichtig, rückblickend sagen zu können, wir haben vielleicht nicht alles perfekt, aber auch nicht alles falsch gemacht. Entscheidungen müssen getroffen werden, auch wenn sie unpopulär sind. Daher danke ich dem Gemeinderat, dass er unpopuläre Entscheidungen mitgetragen hat, weil sie dem Allgemeinwohl dienen – wir müssen ja alle Bereiche glücklich machen. Daher bin ich tatsächlich relativ zufrieden.
Sie sprachen die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat an – für die Arbeitszufriedenheit eines OB ja von entscheidender Bedeutung. Wie fällt da Ihr Zwischenfazit aus?
Zeitler: Ich glaube, ich kann als einer der wenigen Oberbürgermeister im Land sagen, ich bin mit der Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat voll und ganz zufrieden. Wenn man offen und ehrlich miteinander kommuniziert und die Verwaltung ihre Vorschläge transparent erläutert, ist die Zusammenarbeit gut, ob man der gleichen Meinung ist oder nicht. Die Beschlüsse der vergangenen vier Jahre zeigen, dass Gemeinderat und Verwaltung für die Stadt gemeinsam an einem Strang ziehen. Das Wohl der Bürgerinnen und Bürger ist unsere Aufgabe. Wir sind nicht da, um einzelne politische Meinungen zu vertreten oder einzelne Interessensgruppen zu bedienen. Mein Ziel ist es, alle Bereiche so sicher wie möglich für die Zukunft zu machen. Das geht nur, wenn die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat so gut funktioniert wie in Hockenheim.
Vor Ihrem Amtsantritt war die Entscheidungsfreudigkeit in vielen Bereichen nicht sehr ausgeprägt . . .
Zeitler: Ich empfinde es als das Wichtigste, dass eine Entscheidung getroffen wird – bei allen Diskussionen und bei allen Projekten, die wir angehen. Wer nichts entscheidet, kommt auch nicht vorwärts – und Stillstand ist Rückschritt, das war schon immer so. Deshalb bin ich jemand, der immer sehr darauf drängt, dass am Ende eine Entscheidung getroffen wird. Und da bin ich dem Gemeinderat unwahrscheinlich dankbar, dass er in den vergangenen Jahren wegweisende Beschlüsse für die Zukunft der Stadt getroffen hat.
Das könnte auch mit schlechten Erfahrungen aus der Vertagung von Entscheidungen zu tun haben.
Zeitler: Es erfordert eine gewisse Vertrauensbasis und Offenheit – und die sehe ich auf beiden Seiten. Aber wenn ein Beschluss gefasst ist, müssen sich alle daran halten, auch die, deren Position nicht zum Zug gekommen ist, das gehört zur Demokratie.
Sie haben sich gleich zum Einstieg sehr entscheidungsfreudig in Personalangelegenheiten gezeigt und dafür Gegenwind geerntet.
Zeitler: Aber viele dieser Entscheidungen haben sich als sehr positiv erwiesen. In der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation haben wir einen guten Übergang geschafft. Ich habe das Gefühl, dass Hockenheim auch für die Umgebung sichtbarer geworden ist. Hockenheim ist eine tolle Stadt, die sich nicht verstecken muss, sonst würde ich hier nicht arbeiten und mich als Bürger nicht so wohl fühlen. Ich sage immer, ich will hier nicht nur wohnen, sondern auch leben. Meine Frau und ich sind gut angekommen und fühlen uns wohl.
Sie hatten es ja auch eilig mit dem Umzug?
Zeitler: Ich habe es schon einmal erzählt: Am Tag nach meinem Wahlsieg habe ich die Kündigung meiner Wohnung verschickt – mein Vermieter sagte, er habe sich das schon gedacht. Ich hielt das für selbstverständlich und finde es lustig, wenn mich Leute immer noch fragen: „Aber Sie wohnen jetzt schon in Hockenheim?“
Im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger ist für Sie der Hockenheimring nicht zur größten Baustelle Ihrer Anfangszeit geworden?
Zeitler: Seit meinem Amtsantritt ist kein städtischer Euro in die Ring GmbH geflossen. Der Ring trägt sich selbst, wir haben die Verschuldung um mehrere Millionen Euro reduziert und trotzdem investiert.
Aber die Zukunftsfähigkeit des Rings steht sicher weit oben auf Ihrer Agenda für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit? Gibt es einen Zeitplan? Wie sieht es beim Lärm aus?
Zeitler: Momentan steht der Ring sehr gut da, das verbessert unsere Verhandlungsposition und ich spüre da wenig Druck. Wir haben kompetente, interessante Gesprächspartner. Ein Geschäft muss immer beiden Seiten nutzen und wir haben nichts zu verschenken. Wir halten die Gespräche am Laufen, es verändert sich aktuell sehr viel. Ich habe das Gefühl, dass sich Stadt und Ring wieder näher kommen, es geht transparent wie nie zu. Der Ring handelt nach allen gesetzlichen Vorgaben – auf alle Bedürfnisse kann er keine Rücksicht nehmen.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-hockenheims-oberbuergermeister-marcus-zeitler-zieht-seine-halbzeitbilanz-_arid,2120931.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim.html