Corona - Hotels leiden stark unter den Einschränkungen durch die Pandemie / Gästezahlen steigen nur langsam / Hockenheimring als Triebfeder notwendig

Im besten Fall eine schwarze Null schreiben

Von 
Benjamin Jungbluth
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Julian Blem im passend eingerichteten Restaurantbereich seines „Hotel am Flugplatz“, dem letzten inhabergeführten Hotel in der Rennstadt Hockenheim. © Benjamin Jungbluth

Etwas verloren wirkt Julian Blem im Restaurantbereich vom „Hotel am Flugplatz“. Die großen Fenster geben den Blick frei auf die begrünte Landebahn des Sportflieger-Clubs, an den Wänden hängen historische Aufnahmen von Flugzeugen und ein hölzerner Propeller. Die Tische davor sind allesamt leer. Seit 2007 betreibt Julian Blem das letzte inhabergeführte Hotel der Rennstadt. Früher haben seine Eltern mitgeholfen, inzwischen kümmert er sich alleine um die sieben Zimmer und das angeschlossene Restaurant. In normalen Zeiten hätte er also viel zu tun, doch seit März ist es sehr ruhig geworden in dem kleinen Familienbetrieb.

„Seit der Corona-Zwangspause läuft das Geschäft sehr schlecht. Zunächst hatte ich komplett geschlossen. Und auch die Lockerungen haben keine Verbesserung gebracht“, sagt Blem. Ab und zu bleiben Gäste auf der Durchreise für eine Nacht, sonst gibt es keine Nachfrage mehr. „Wir Hotels und Restaurants in Hockenheim leben vom Ring und den großen Veranstaltungen. Und weil dort weiterhin kaum Betrieb herrscht, spüren wir die dramatischen Auswirkungen unmittelbar“, erklärt der Hotelier.

Unterstützung gewünscht

In dieser schwierigen Zeit hätte er sich deshalb eine Unterstützung der Stadt gewünscht. „Vielleicht ein Anruf oder gar ein Hilfsangebot, um wenigstens bürokratische Hürden einfacher meistern zu können. Aber bis heute kam leider gar nichts“, ist Julian Blem enttäuscht.

Auch ein weiteres Standbein des kleinen Betriebs ist durch Corona weggebrochen: Der vor allem bei Senioren beliebte Mittagstisch im gemütlichen Gastraum wurde kaum noch nachgefragt. „Meine Stammgäste gehören altersbedingt zur Risikogruppe und sind deshalb verständlicherweise vorsichtig“, sagt Blem. Für einige Wochen hatte er extra einen Lieferservice eingerichtet und die selbst gekochten Gerichte auch selbst ausgefahren. Doch der Aufwand war zu groß. „Ab nächster Woche versuche ich, wenigstens an zwei Tagen wieder einen Mittagstisch im Restaurant und zum Mitnehmen anzubieten – irgendetwas muss ich ja tun“, sagt Julian Blem. „Aufgeben ist für selbstständige Unternehmer einfach keine Option.“

Veranstaltungen fehlen

Etwas besser sieht es für die größeren Häuser in der Rennstadt aus. Das „Hotel Motodrom“, das zu 100 Prozent der Stadt gehört, hat seit dem 4. Mai wieder geöffnet. Inzwischen kann der Betrieb knapp 30 Prozent seines normalen Umsatzes erwirtschaften, erklärt Hotelchef Richard Damian. „Wir kommen immerhin auf eine schwarze Null. Aber eigentlich hatten wir vor der Pandemie große Pläne: Mit Blick auf unsere Buchungen und die geplanten Veranstaltungen im Haus und auf dem Ring waren wir davon ausgegangen, das erfolgreichste Jahr unserer Geschichte vor uns zu haben. Davon ist natürlich nichts mehr übrig.“

Immerhin sei ein Großteil der Mitarbeiter wieder aus der Kurzarbeit zurück. Denn so langsam gibt es wieder Veranstaltungen auf dem Ring – wenn auch in deutlich kleinerem Umfang als zuvor. „Betriebswirtschaftlich ist das eine schwierige Sache: Wir können zwar zum Glück arbeiten, aber wenn jetzt in einem Raum nur 100 statt bislang 200 Gäste zusammenkommen können, gleichzeitig aber mehr Personal wegen der Hygienevorgaben benötigt wird, dann ist es offensichtlich, dass sich das kaum rechnet“, erklärt Richard Damian, der das Hotel seit 13 Jahren leitet.

Und nur kurzzeitig sah es mitten in der Pandemie so aus, als ob die Hockenheimer Hoteliers Glück im Unglück hätten: Als die Formel 1 für ein Rennen zurückkommen sollte, gab es für Richard Damian und seine Kollegen große Hoffnung. „Das hätte uns allen wahnsinnig viel gebracht – bei so einem Event sind die Hotels zwischen Heidelberg und Karlsruhe ausgebucht. Denn selbst ohne Zuschauer ist so ein Rennwochenende ein riesiger Personalaufwand“, sagt Richard Damian.

Am Ende kam es – wieder einmal – anders. Und so hat auch das „Taste Hotel“ in der Heidelberger Straße unter den Auswirkungen der Pandemie zu leiden – mitten in einer großen Umbauphase. „Unser Haus war die gesamte Zeit über geöffnet, weil wir seit Oktober renovieren. Dadurch waren eh immer Mitarbeiter vor Ort, so dass wir für Geschäftsreisende öffnen konnten“, erklärt Hotelchef Mathias Cron. Dadurch konnte immerhin ein Teil der rund 80 Zimmer genutzt werden, um Umsatz zu erzielen. Dennoch sind die Mitarbeiter seit Anfang April in Kurzarbeit. Die bislang 24 Stunden besetzte Rezeption ist nur noch morgens und abends geöffnet. Das Frühstück gibt es jetzt auf dem Zimmer, die Hotelbar bleibt zu, Personal und Gäste müssen Masken tragen – Corona hat den Hotelbetrieb in der Innenstadt weiter fest im Griff.

„Sind ein Saisonbetrieb“

„Unser Haus ist ein Saisonbetrieb: Wir müssen unser Geld von April bis Oktober verdienen, um die restlichen Monate durchhalten zu können. Nur durch die finanzielle Unterstützung unserer Schwesterhotels haben wir die Krise bislang überstanden“, sagt Mathias Cron. Inzwischen steigen die Gästezahlen langsam wieder.

Doch eine wirkliche Perspektive hat auch das „Taste“ derzeit nicht. „Am frustrierendsten sind die fehlende Planbarkeit, die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern und die nur halbkonkreten Vorgaben der Ordnungsämter, was erlaubt ist und was nicht. Das verunsichert Gäste und Mitarbeiter“, sagt Mathias Cron.

Dem stimmt auch Marcus Stumptner zu. Der Chef vom „Achat Hotel“ in der Gleisstraße wünscht sich für Hotellerie und Gastronomie mehr Gehör in der Politik. „Gerade wegen der niedrigen Löhne in unseren Branchen sind entsprechende Lösungsansätze zur Überbrückung der Krise notwendig“, sagt Stumptner.

Das „Achat“ in Talhaus hatte bis Anfang Juni geschlossen, seitdem geht es nur langsam aufwärts mit den Gästezahlen. Mit einem umfangreichen Hygienekonzept und speziellen Angeboten versucht die Hotelkette das Vertrauen der Reisenden zu gewinnen. „Leider sind aber noch viele touristische Einrichtungen geschlossen oder nur unter strengen Auflagen geöffnet. Das hat direkte Auswirkungen auf die Betriebe in der Region“, sagt Marcus Stumptner. Einfach nur die Hotels und Restaurants wieder aufzumachen, führe noch zu keiner Belebung. Schließlich verreisen die Menschen, um etwas zu erleben – ist das nicht möglich, bleiben sie zu Hause.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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