Die Stadt Hockenheim steuert auf einen Rechtsstreit mit dem Land Baden-Württemberg in Sachen Asbestgelände Herrenteich zu. Die Vorstellung der Kostenschätzung zur Baufeldfreimachung des ehemaligen MVG-Geländes im Ausschuss für Technik, Umwelt und Verkehr machte deutlich, wie angebracht das 2013 von Markus Fuchs (CDU) eingeführte Prädikat „Millionengrab“ für das Areal ist. Aus dem Vortrag von Dr. Beate Dittrich-Hanne vom Büro „Re2area“ aus Heidelberg ging aber auch hervor: Je länger die Ruine unbehandelt liegen bleibt, desto teuerer wird es.
Die Zahl der Fragezeichen, die hinter dem Vorhaben stehen, das Gelände nutzbar zu machen, auf dem einst Ziegel gebrannt wurden und später die MVG mit begrenztem Erfolg versuchte, Asbestfasern unschädlich zu machen, ist kaum überschaubar. Das betrifft sowohl den Zustand der schadstoffbelasteten maroden Gebäude als auch den 2008 mit dem Land geschlossenen Vertrag über die Entsorgung der rund 21000 Tonnen asbesthaltiger Abfälle.
„Wir waren ziemlich naiv“
Entsprechend kritisch fielen die Statements aus – wobei auch Selbstkritik mitschwang. „Rückblickend waren wir ziemlich naiv – wir haben die Katze im Sack gekauft“, stellte Markus Fuchs fest. Er glaubt: „Da werden keine vier bis fünf Millionen Euro reichen, plus die zwei Millionen Euro, die wir bereits für das Grundstück bezahlt haben.“ Er sei nicht bereit, das Land aus der Verantwortung zu lassen – zumindest aus der moralischen. Sein Vorschlag, die drei Landtagsabgeordneten aus dem Wahlkreis sowie Dr. Andre Baumann als Staatssekretär im Umweltministerium vor Ort zu holen, um die Misere mit ihnen zu besprechen, stieß auf breite Zustimmung.
Zumal das Land unter Umständen für weitere Ausgabensteigerungen sorgen könnte, wie die Sachverständige Beate Dittrich-Hanne angemerkt hatte: Behördliche Forderungen in Sachen Naturschutz seien nicht auszuschließen, etwa für Tiere oder den Grundwasserschutz während des Rückbaus – die Größe des Damoklesschwerts über der Stadt Hockenheim nahm mit der Dauer ihrer Ausführungen immer mehr zu. „Der Vertrag war hinten und vorne nur zum Nachteil für uns“, erneuerte Grünen-Sprecher Adolf Härdle seine Kritik, die vor allem an die Adresse des damaligen Oberbürgermeisters Dieter Gummer ging: Die Bürgerinitiative, der er angehörte, habe damals mehrere Vorschläge gemacht, die alle besser als der abgeschlossene gewesen seien, aber „die Verwaltung war beratungsresistent.“ Vertragsinhalte seien nie in einer Ausschusssitzung ausführlich und sachgerecht diskutiert worden.
Härdle zitierte aus dem Protokoll einer Besprechung vom 21. Juli 2008, bei der klargestellt worden sei, dass das Grundstück von sämtlichen Asbestbelastungen befreit werde. Diese Zusage sei für die Grünen Anlass gewesen, dem Konzept trotz aller Risiken im Gemeinderat zuzustimmen. Diese Ausführungen soll man nochmals rechtlich überprüfen, fand der Grünensprecher. „Wir haben zu wenig Widerstand gezeigt“, daraus müsse für künftige Entscheidungen eine Lehre sein.
Gabi Horn erinnerte für die Freien Wähler an den Vorschlag des Landes, das belastete Gelände unter einer Betondecke zu begraben, was die Vertreter der Stadt auf alle Fälle verhindern wollten. Eine rechtliche Überprüfung hielt sie auch unter dem Gesichtspunkt für erforderlich, dass nicht die Stadt Hockenheim die Anlage genehmigt habe, sondern übergeordnete Behörden. Ihr Fraktionskollege Jochen Vetter erkundigte sich bei der Planerin nach möglichen Abweichungen für die derzeit geschätzten Kosten von 2,7 Millionen Euro. 15 bis 20 Prozent sei in dieser Phase die übliche Unsicherheit, sagte Beate Dittrich-Hanne – „wenn der Markt zuschlägt“. Dass dem Abbruch eine Reinigung vorgeschaltet sein soll, erklärte sie mit den Entsorgungskosten. In der Halle seien Oberflächen mit asbest- und dioxinhaltigen Stäuben belastet. Diese würden beim Abriss in der Umgebung freigesetzt und verblasen. Statt 350 Euro pro Tonne belasteten Materials sei bei „sauberem“ Abbruch 15 bis 30 Euro fällig.
Je später, desto teuerer
Christoph Kühnle (CDU) fragte, ob unter der Bodenplatte der Halle mit Mineralölverunreinigungen gerechnet werden müsse. Da diese mehrere zehn Zentimeter stark sei und die Stoffe nur in die ersten zehn Zentimeter vordringen, hält die Expertin das nicht für wahrscheinlich. Der obere Teil müsse aber getrennt werden für die Entsorgung.
Was die Zeitschiene angeht, sieht das Büro „Re2area“ Handlungsbedarf aufgrund der Belastungssituation für rund zwei bis drei Jahre. Doch sie machte auch klar, dass längeres Zuwarten aufgrund der Kostenentwicklung teuer wird: Die durchschnittliche jährliche Preissteigerung betrage sieben Prozent.
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