Hockenheim. „Theoretisch sind immer mehr Deutsche berechtigt, zur Tafel hier in Hockenheim zu kommen, doch praktisch kommen nur wenige. Unterstützung zu brauchen, ist nach wie vor sehr schambehaftet“, erklärt Manuel Wamser vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Für den Leiter der DRK-Tafelläden Mannheim und Umgebung heißt das aber keineswegs Entspannung. „Trotzdem hatten wir hier in Hockenheim Anfang 2022 noch knapp 400 Bedürftige – nun sind es schon über 800. Die Tendenz ist weiterhin steigend“, sagt die Leiterin der Tafel Hockenheim Tanja Reinhard.
Geflüchtete sind der Hauptkundenstamm des Tafelladens in Hockenheim
Die Kundschaft des Tafelladens im Auchtergrund sei vielseitig, sagt Reinhard. „Örtlich gesehen kommen viele aus Hockenheim selbst. Zu unserem Einzugsgebiet gehören aber auch Altlußheim, Neulußheim, Ketsch und Reilingen.“ Der Hauptkundenstamm seien Geflüchtete: „Seit dem Jahr 2015 kommen viele Syrer zu uns. Im vergangenen Jahr kamen nun auch viele Ukrainer hinzu.“ Insgesamt liege der Anteil von Geflüchteten bei ungefähr 80 Prozent der Kundschaft.
Doch mit der steigenden Zahl an Krisen gebe es auch mehr Deutsche, die auf die Tafel angewiesen seien, so die Leiterin: „Das sind Senioren mit sehr geringer Rente, aber auch immer mehr Menschen, die trotz Arbeit zu wenig verdienen.“ Wamser wirft ein: „Zurzeit kommt eine weitere Gruppe hinzu: ehemalige Selbstständige, die noch irgendwie durch die Pandemie kamen. Nun kommen Rückzahlungen auf sie zu, die sie nicht mehr stemmen können.“ Viele Bewohner der Wohnungslosenunterkunft im Auchtergrund versorgen sich regelmäßig hier.
Die Bedienung der Kunden des Tafelladens übernehmen hauptsächlich Ehrenamtliche. „Wir können uns sehr glücklich schätzen, auf einen Pool von ungefähr 35 ehrenamtlichen Helfern zurückgreifen zu dürfen.“ So erstellen die Freiwilligen selbst einen Dienstplan, tragen sich ein und kümmern sich um Ersatz, wenn ein Eingetragener ausfällt.
Mal 20 Kisten, dann wieder nur zwei: Fluktuation bei den Spenden
„Um 6.30 Uhr morgens beginnt unser Arbeitstag“, erläutert Wamser. „Zunächst fahren wir jeden Tag mit unseren Kühlfahrzeugen die gleichen 103 Supermärkte ab.“ Die Ausbeute sei dabei sehr unterschiedlich: „Es kann sein, dass wir an einem Tag 20 Kisten mit Lebensmitteln bekommen, am nächsten nur zwei. An solchen Tagen ist es gut, dass wir auch noch Großlieferungen an unser Zentrallager erhalten“, berichtet er.
Doch auch mit den angesprochenen Großlieferungen sei die DRK-Tafel kein Vollversorger. „Die Produkte müssen dann auf die verschiedenen Tafelläden aufgeteilt werden. Das bedeutet, es kommt selten vor, dass Lebensmittel ausreichend vorhanden sind.“ Für den bedürftigen Kunden heiße das in der Konsequenz, dass es im Tafelladen Limitierungen gebe. „Wir müssen dann zum Beispiel sagen, dass nur ein Produkt dieser Marke pro Haushalt mitgenommen werden darf“, erläutert Reinhard.
Dies könne manchmal problematisch sein, denn bei den beschränkt verfügbaren Gütern handelt es sich meist um Lebensnotwendiges. „Gerade Mehl oder Zucker ist oft Mangelware“, bestätigt Wamser. Natürlich betrachte das Team im Tafelladen dann auch die individuelle Situation des Kunden. „Wir geben uns viel Mühe, dass jeder genug zum Leben bekommt. Auch wenn das manchmal schwierig ist“, sagt die Leiterin der Hockenheimer Tafel.
Für den Bedürftigen dürfen die Produkte gesetzlich höchstens 30 Prozent des eigentlichen Ladenpreises kosten. „Die meisten Lebensmittel kosten weit unter den den gesetzlichen Vorgaben. Wenn Kunden unseren Preis nicht bezahlen können, drücken wir auch noch ein Auge zu.“ An sich trage der Preis, der wohl eher symbolisch zu betrachten ist, wenig zur Kostendeckung bei. „Wir finanzieren uns durch Spenden und Unterstützung des DRK. Von der Stadt Hockenheim bekommen wir gar nichts“, erklärt Wamser. Aufgrund der weiter steigenden Nachfrage ein Problem, findet er: „Die meisten unserer Tafelläden sind schon dick im Minus. Hier in Hockenheim kommen wir 2023 voraussichtlich gerade so noch vom roten Bereich auf die schwarze Null.“ Dies sei allerdings nur möglich, weil der Tafelladen zum DRK-Gelände gehöre und somit keine Ladenmiete fällig werde.
Die Zusammenarbeit mit der Stadt Hockenheim muss besser werden
Für das kommende Jahr sehen die Verantwortlichen weitere Belastungen auf sich zukommen: „Wir sind hier ein Indikator der Weltpolitik. Es sieht nach weiteren Flüchtlingsströmen aus. Das bedeutet auch mehr Menschen, die unsere Unterstützung brauchen“, so Wamser. Kritisch betrachtet er dabei die Zusammenarbeit mit der Stadt Hockenheim: „Auch hier erzählen die Ämter den Geflüchteten, dass sie bei uns Vollversorgung bekommen. Die Menschen sind dann sehr enttäuscht, wenn sie sehen, wie knapp alles ist. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Stadt uns gar nicht unterstützt, ist das schon eine Nummer.“
Für ein erfolgreiches Tafeljahr 2024 brauche das Team Unterstützung jeder Art: „Wir benötigen dringend mehr Spenden. Egal, ob Geld-, Sach- oder Zeitspenden. Außerdem die Anerkennung der Stadt. Die müssen ja nicht immer gleich mit dem Scheck rumwedeln. Aber Rückendeckung wäre wichtig, mit den Städten zu verhandeln ist viel zu mühselig“, findet Wamser, der abschließend sagt: „Wenn wir morgen arbeitslos sein sollten, wären wir nicht böse drum.“ Ein frommer Wunsch, der mit Blick auf die wirtschaftliche und weltpolitische Entwicklung wohl erstmal nur eine Traumvorstellung bleiben dürfte.
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